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(GZ-11-2017)
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► Umsetzung der Europäischen Kapitalmarktunion:
 
Notwendige Korrekturen
 

Reaktionen von Sparkassenverband Bayern, Genossenschaftsverband Bayern und Bundesverband deutscher Banken Die Umsetzung der Kapitalmarktunion gilt als eine der Meilensteine in der Geschichte der europäischen Finanzmarktintegration. Bei dem Mammutprojekt geht es um die gezielte Unterstützung alternativer Finanzierungsformen jenseits der etablierten Bankfinanzierung. Die Integration der europäischen Kapitalmärkte soll sowohl grenzüberschreitende Investitionen als auch die Kredit- und Kapitalaufnahme in Europa fördern. Dadurch sollen insbesondere kapitalintensive Branchen unterstützt werden, die auf ein stabiles Finanzierungsumfeld angewiesen sind. In Brüssel wurde nunmehr ein Bericht („mid-term review“) über den Umsetzungsstand des Großprojekts präsentiert.

„Der Bericht zur Umsetzung der Kapitalmarktunion zeigt, dass noch einige Weichenstellungen vorzunehmen sind, bevor die Regeln der Wirtschaft wirklich nützen können“, erklärte Dr. Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, in einer ersten Stellungnahme. Den Unternehmen breitere Finanzierungsmöglichkeiten über den EU-Kapitalmarkt anzubieten und damit mehr Wirtschaftswachstum zu ermöglichen, sei ein guter Gedanke. „Doch jeder Vorschlag, das Finanzierungssystem in Europa zu ändern, muss an den tatsächlichen Bedürfnissen der Unternehmen gemessen werden. Aufgrund der mittelständischen Struktur unserer Wirtschaft zielen diese aber in der Regel auf einen Bankkredit, da eine Kapitalmarktfinanzierung zu teuer käme.“

Finanzierungsbedingungen der Wirtschaft stärken 

Wie Netzer hervorhob, „unterstützen wir die Pläne der EUKommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, denn auch wir wollen, dass die Finanzierungsbedingungen der Wirtschaft gestärkt werden. Die Finanzierung von mittelständischen Unternehmen und Projekten kann aber nur mit einem System aus starken Banken und Sparkassen gelingen, das ein leistungsfähiger Kapitalmarkt ergänzt.“ Maßnahmen im Rahmen der Kapitalmarktunion dürften die Kreditfinanzierung durch Banken und Sparkassen daher keinesfalls beinträchtigen. Vielmehr müsse die Bankfinanzierung für den Mittelstand kurzfristig gestärkt werden.

Netzer zufolge bieten die Beratungen zur Kapitalmarktunion deshalb eine weitere gute Gelegenheit, um spezifische mitgliedstaatliche Finanzmarktstrukturen zu stärken und regional ausgerichtete Kreditinstitute auch europaweit zu verankern. „Die Wettbewerbsfähigkeit von mittelstandsnahen Regionalbanken sollte gestärkt werden, indem sie von überzogenen Reporting- und Aufsichtsanforderungen entlastet werden. Damit wird automatisch auch die Mittelstandsfinanzierung gestärkt und das Wirtschaftswachstum verstärkt.“

Mittelstand im Visier

Die EU-Kommission geht beim Aufbau der Kapitalmarktunion nicht ausreichend auf die Finanzierungsbedürfnisse des Mittelstands ein, lautet das Fazit des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Der Verband hält Korrekturen für erforderlich, um die traditionell auf Bankkrediten basierende Fremdfinanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen nicht zu beeinträchtigen.

„Die EU-Kommission muss bei der Kapitalmarktunion die Belange der mittelständischen Wirtschaft stärker berücksichtigen“, kommentierte GVB-Prä- sident Jürgen Gros. Er begrüßt das grundsätzliche Ziel der Brüsseler Behörde, durch verbesserte Rahmenbedingungen für die Unternehmensfinanzierung mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Doch der Kapitalmarkt sei speziell für kleinere Unternehmen auch in Zukunft keine Option. Die Kapitalmarktunion müsse deshalb mittelstandsfreundlicher ausgestaltet werden. Gros: „Dazu zählt insbesondere, den Kredit als Pfeiler der Mittelstandsfinanzierung zu stärken und ihn eben nicht politisch durch Kapitalmarktinstrumente ersetzen zu wollen.“

Nach Ansicht des GVB sollte sich die EU-Kommission intensiver dafür einsetzen, unnötige Hindernisse bei der Kreditvergabe zu beseitigen. Dazu zählt auch der Abbau von unverhältnismäßigen Regulierungsvorschriften, die Regionalbanken wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Summe erheblich belasten. „Mit einer Befreiung der Kreditinstitute von überzogenen bürokratischen Auflagen ist kleinen und mittleren Betrieben mehr geholfen als durch eine Integration der Kapitalmärkte“, so Gros. Erste Vorschläge im Rahmen des EU-Bankenpakets gingen noch nicht weit genug.

„Der Bericht zur Umsetzung der Kapitalmarktunion zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind, auch wenn das Ziel noch ein gutes Stück entfernt ist“, urteilte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Die privaten Banken begrüßen die Absicht der Europäischen Kommission, den EU-Kapitalmarkt zu vertiefen, um so den Unternehmen breitere Finanzierungsmöglichkeiten anzubieten und damit mehr Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.

Suche nach der richtigen Balance

 „Voraussetzung dafür ist jedoch ein solider und ertragsstarker Bankensektor“, erklärte Kemmer. „Banken spielen in Europa nicht nur bei der Kreditvergabe eine zentrale und erfolgreiche Rolle, sondern übernehmen in der Regel auch bei der Kapitalmarktfinanzierung die Mittlerfunktion. Diese Aufgaben dürfen durch die Kapitalmarktunion nicht untergraben werden.“

Für den Erfolg der Kapitalmarktunion sei es daher entscheidend, „ob wir eine Finanzmarktregulierung finden, die Inkonsistenzen vermeidet und die Banken in ihrer Tätigkeit als Finanzier der Wirtschaft nicht behindert. Der Gesetzgeber muss die richtige Balance zwischen Stabilität, Effizienz und Anlegerschutz finden.“

Ein unerlässlicher Ansatz, um die Kreditversorgung der kleinen und mittleren Unternehmen mit der Kapitalmarktfinanzierung zu verknüpfen, ist nach Kemmers Auffassung der Verbriefungsmarkt. Ob der kürzlich im politischen Trilog geschlossene Kompromiss zur Einführung einer STS-Verbriefung (simpel, transparent, standardisiert) geeignet ist, den europäischen Verbriefungsmarkt zu beleben, bleibe jedoch abzuwarten.

„Vor dem Hintergrund eines Ausscheidens des Vereinigten Königreiches besteht zudem die Herausforderung, den EU27-Kapitalmarkt weiterhin eng mit dem britischen zu verbinden“, machte Kemmer deutlich.

DK

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