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(GZ-7-2024 - 28. März)
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Gelöscht wird nur höchst selten

Städte mit Social Media-Aktivitäten bestätigen angeblichen Trend zum Hass nicht

 

An Menschen, die gern auf Achse sind und es lieben, schöne Städte zu entdecken, richtet sich der Nördlinger Instagram-Account. Idyllische Bilder locken in die Große Kreisstadt. „Social Media ist für uns wichtig“, sagt Daniel Wizinger, der in Nördlingen für Tourismus zuständig ist.

In Zeiten, in denen kaum mehr persönliche Briefe mit der Post geschickt und Bankgeschäfte immer häufiger online erledigt werden, kommen zumindest größere Städte nicht mehr an Social Media vorbei. So erreicht man Touristen. Und so erreicht man viele Bürger. Letztere schätzen die neue Art und Weise, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Und zwar vor allem wegen der Möglichkeit, zu kommentieren. Hass und Hetze, angeblich auf bedenkliche Weise im Aufwind, kommen auf kommunalen Plattformen nach wie vor extrem selten vor.

Was interessiert die Bürger?

Bürger interessiert, um ein Beispiel zu nennen, ob die Stadt neue E-Ladesäulen in Betrieb nimmt. Das erfährt man auch aus der Tageszeitung. Doch eine Zeitung hat, nicht zuletzt, weil gespart werden muss, längst nicht mehr jeder. Sich einen Facebook-Account zuzulegen, kostet nichts. Zudem bietet die Plattform die Möglichkeit, der Stadt zurückzumelden, was man von dem, was sie tut, hält. Bleiben wir beim Beispiel der E-Ladesäulen. Dass neue Ladesäulen in Betrieb genommen werden, wird sicherlich begrüßt. Doch wahrscheinlich teilen Bürger auch prompt mit, wo solche Säulen noch fehlen. Oder sie kritisieren die Standortwahl.

Überall, wo Städte Informationen über Social Media anbieten, findet sich rasch eine Community, die den Content goutiert, kommentiert und manchmal auch schimpft. Je nach Plattform, sind die Communitys unterschiedlich. Der Facebook-Account der Stadt Nördlingen hat aktuell um die 7.750 Follower. Etwas mehr als 7.400 sind es auf Instagram. „Die Follower-Zahl sagt allerdings nichts über die Reichweite, die, je nach Content, stark schwankt“, betont Daniel Wizinger.

Mancher von ihm eingestellte Inhalt wird gerade mal von 5.000 Interessierten angeklickt. Dann wieder gibt es Beiträge, die für eine Menge Leute attraktiv sind. Sie erreichen zehntausende User.

Social Media-Auftritte sind mit allem Drum und Dran ganz schön aufwändig. Ist es doch nicht damit getan, den Con-
tent zu kreieren. Jedenfalls dann nicht, wenn die Fans und Follower auf Instagram, Facebook, TikTok, YouTube oder X kommentieren dürfen. Da stellt sich von vornherein die Frage: Will eine Kommune das?

Und, wenn ja, wie geht man mit allzu rüdem Vokabular, mit polemischen Äußerungen, Beleidigungen, implizierten Drohungen oder gar noch Schlimmerem um? Glaubt man den Medien, gibt es immer mehr Unbeherrschte, die beim leisesten Ärgernis gleich rotsehen. Menschen, die im politischen Leben stehen, beklagen zunehmende Gewalt.

„Kritik ist nichts Schlechtes“

Wizinger kann nicht bestätigen, dass Hass und Hetze eine neue Qualität erreicht hätten. „Selbst Polemik hatten wir kaum gehabt“, sagt er. Die Mehrheit der Follower findet gut, was er verbreitet: „Zu politischen Themen äußern wir uns nicht.“ Natürlich werde manchmal Kritik geübt: „Was ja nichts Schlechtes ist.“ Daniel Wizinger ist nicht der Ansicht, dass alle dem, was er einstellt, ohne Wenn und Aber zustimmen müssten. Bisher, sagt er, sei alles Kritische „gut aushaltbar“ gewesen.

Doch was, wenn der Fall eintritt, dass eine Kritik zu harsch ist? Nun, das wird man sehen. „Ich halte es auf jeden Fall für wichtig, dass man jede Meinung öffentlich kundtun kann“, unterstreicht der Medienfachmann. Kommentare einfach zu löschen, findet er falsch: „Wir haben das auch noch nie gemacht.“ Selbst harte Kritik bleibt stehen: „Die Bevölkerung soll ruhig sehen, mit welchen Problemen man als Stadt zu kämpfen hat.“

Das fortwährende Aufpassen auf den Inhalt der Kommentare kann ganz schön anstrengend sein, meint Stephan Rockinger, der die Regensburger Online-Kommunikation leitet. Auf dem Kanal der Oberbürgermeisterin wurde zum Beispiel über deren Teilnahme an einer Demo gegen Rechts berichtet. Die daraufhin eingetrudelten Kommentare zu moderieren, sei schwierig gewesen. Alles Mögliche sei behauptet worden. Einige Kommentare mit harscher Kritik an den Demos frappierten Rockinger und seine Crew von der Online-Kommunikation: „Es wurde zum Beispiel behauptet, dass es bezahlte Teilnehmer bei der Demo gegeben hätte.“

Öfter mal Halbwahrheiten

Gerade die Tatsache, dass es sich bei dem, was zum Teil von Kommentatoren unter den Social Media-Posts der Stadt geäußert wird, „nur“ um Unterstellungen und Halbwahrheiten, nicht aber um Strafbares handelt, stelle eine Herausforderung dar. „Teilweise blenden wir Beiträge aus“, gibt der Regensburger zu. Dies komme allerdings nicht allzu oft vor: „Wir lassen wirklich viel laufen.“ Überhaupt habe man sich bewusst dagegen entschieden, die Kommentarfunktion auszuschalten.

Nachdem Regensburg deutlich größer ist als Nördlingen, hat die oberpfälzische Stadt auch viel mehr Follower. Dem Instagram-Kanal, der 671 Beiträge umfasst, folgen 27.500 Nutzer. Sie werden vor allem mit historischen Bildern über Regensburger Schmuckstücke erfreut, so Rockinger: „Wir öffnen unser Bildarchiv und zeigen die Schönheit der Stadt.“ 14.800 Follower hat der Facebook-Auftritt. Fast 2.250 Internetnutzer folgen Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer auf deren Facebook-Account.

Die Bürger diskutieren gern

Laut Stephan Rockinger ist spürbar, dass die Bürger sehr gerne diskutieren. Und dass sie dies liebend gern über Social Media nicht nur untereinander, sondern auch mit der Stadtverwaltung tun würden. Doch das sei nicht möglich. Denn das für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Team kann den Bürgern ohne Rücksprache mit den Verantwortlichen in der Verwaltung nicht einfach antworten. Als es Kritik an der Demo gegen Rechts hagelte, appellierte das Team allerdings an die User: „Wir empfehlen Fakten zu überprüfen und sich auf evidenzbasierte Diskussionen und Quellen zu konzentrieren.“

Als es vor über zehn Jahren losging mit Social Media, überlegte sich das Regensburger Online-Team genau, was man transportieren wollte. „Wir haben uns bewusst für Informationen und Service entschieden“, meint Rockinger. Über Facebook bekommen die Bürger zum Beispiel mit, wenn sich Öffnungszeiten städtischer Einrichtungen ändern.

Direkter Draht ins Rathaus

Wie kann man unterschiedliche Zielgruppen möglichst gut und breit aufgestellt erreichen? Diese Frage stand am Beginn der Social Media-Aktivitäten der Stadt Bamberg. Man entschied sich schließlich für Facebook, Instagram und YouTube. Über diese Kanäle werden, so Pressesprecherin Anna Lienhardt, „zuverlässige Informationen“ aus der Stadtverwaltung vermittelt. Umgekehrt sollen die Bürger einen direkten Draht ins Rathaus haben.

In Bamberg existiert ein Social-Media-Leitfaden. Der sieht verschiedene Formate vor. Dazu gehört ein digitaler Wochenrückblick mit dem Oberbürgermeister, die „Bürgerfrage des Monats“ sowie „Erklär-Reels“, zum Beispiel zum Winterdienst.

Das Interesse an den Social Media-Auftritten wächst laut der Pressesprecherin: „2020 hatten wir circa 4.100 Follower auf Instagram, mittlerweile sind es 12.200.“ Alleine im Januar kamen 213 neue Follower hinzu. Die Follower-Zahl auf Facebook wuchs ebenfalls. Aktuell liegt sie bei fast 13.000. Über 550 Interessierte abonnierten den Bamberger YouTube-Kanal.

Die Kommentare unter den Beiträgen werden „im Blick behalten“: „Gerade bei sensiblen Inhalten.“ Gelöscht würden nur Kommentare, die beleidigend seien oder zu Straftaten aufriefen: „Als Plattform einer öffentlichen Verwaltung legen wir großen Wert auf einen offenen Meinungsaustausch.“ Ein Hinweis auf eine „Demo zu zwei Jahre Ukraine Krieg“ wurde zum Beispiel kommentiert: „Nein der Krieg dauert schon fast 10 Jahre.“ Die Löschung menschverachtender Beiträge wird angekündigt. In den vergangenen fünf Jahren wurden acht Kommentare gelöscht.

Rede und Gegenrede

Social-Media ist heute ein „unverzichtbarer Pfeiler der Öffentlichkeitsarbeit“, sagt auch Michael Klarner, Pressesprecher von Ingolstadt. Seit 2009 ist Ingolstadt auf Facebook, seit 2013 auf Instagram aktiv. Zusammengenommen gibt es rund 70.000 Follower. Kommentare werden laut Klarner unverzüglich bearbeitet und „wo nötig sachlich beantwortet“: „Kritische Rückmeldungen sind kein Shitstorm, sondern die Darstellung von Rede und Gegenrede.“ Mehrere Kommentare gab es zum Beispiel zum Auftakt der Bauerndemos. Etwa: „Großes Lob an alle Bauern. Genau so wird demonstriert und nicht wie diese Klimakleber...“ Kommentare, die gegen die Netiquette verstoßen, also sexistisch, homophob oder strafrechtlich relevant sind, würden anmoderiert gelöscht. Dies geschehe „mit konsequentem Augenmaß“.

In der Gemeinde Neufahrn bei Freising ist Gabriele Ostertag-Hill seit März 2020 für Social Media verantwortlich. „Über unsere Homepage versuchen wir weiterhin, allgemeine Informationen zu verbreiten“, sagt sie. Viele Bürger hätten zwar Zugang zum Internet: „Aber nicht jeder nutzt Facebook oder Instagram.“ In Neufahrn werden beide Plattformen sowie YouTube bespielt: „TikTok möchte unser Bürgermeister aufgrund des negativen Images nicht.“

Die Inhalte, die Ostertag-Hill einstellt, ähneln sich zu 80 Prozent. Extrem selten seien Kommentare beleidigend: „Löschungen kann ich an einer Hand abzählen.“ Viele Bürger kommentieren wohlwollend. So lautet ein Kommentar zur Feier anlässlich des Volkstrauertags: „Die (…) richtigen Lehren aus den zwei Weltkriegen sowie den kriegerischen Auseinandersetzungen der Gegenwart wurden durch die (…) Feier eindrucksvoll dokumentiert.“

Pat Christ

 

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