Fachthemazurück

(GZ-8-2023)
gz fachthema
GZ-Plus-Mitgliedschaft

► Bundesverband Geothermie:

 

Energieprojekte im Visier

 

Nach Mitteilung des Bundesverbandes Geothermie wünschen sich zahlreiche Bürger der oberbayerischen Gemeinde Vaterstetten einen schnellen Umstieg auf eine Erdwärmeversorgung. Auch Forscher projizierten große Chancen für die Ortschaft.

Um diesem Ziel nachzukommen, will die Gemeinde mit drei weiteren Orten eine Gesellschaft gründen, in der später auch weitere Gemeinden oder private Investoren einsteigen könnten. Bis spätestens Herbst dieses Jahres soll das Ausbaukonzept stehen. Eine Bohrung soll 2025 erfolgen, mit einer Endnutzung rechnet man ab 2026.

Eine bereits 2021 durchgeführte Machbarkeitsstudie zeigte ca. 90 °C warmes Wasser in einer Tiefe von 3.300 Meter. Dies soll ausreichen, um die Gemeinden Vaterstetten und Baldham komplett über Fernwärmeleitungen zu versorgen. Auch nahegelegene Ortschaften seien an einem Anschluss an die Erdwärmeversorgung interessiert.

In Waldweihnacht (Landkreis Altötting) wird seit Februar dieses Jahres die erste Bohrung einer geplanten Dublette abgeteuft. So soll ein Thermalwasserreservoir in bis zu 4.500 Metern Tiefe erschlossen werden. Das Greenfield-Tiefengeothermieprojekt ist ein weiteres Erdwärmeprojekt, für das G.E.O.S. umfangreiche Vorplanungen durchführte und die Bohrungen nun begleitet. Geplant ist, eine ca. 20 Hektar große Gewächshausanlage und die angrenzenden Gemeinden Kirchweidach/Halsbach künftig mit Erdwärme zu versorgen. Sind die ersten beiden Bohrungen fündig, ist eine zweite Dublette angedacht, um die Leistungsfähigkeit der Anlage zu erhöhen und somit möglicherweise neben Wärme auch Strom für die Region zu erzeugen.

Die bis zu 4.500 Meter langen abgelenkten Tiefbohrungen werden von einem gemeinsamen Bohrplatz abgeteuft und dann im Untergrund seitlich abgelenkt. Im Reservoir beträgt der horizontale Abstand zwischen Injektions- und Produktionsbohrung mehr als zwei Kilometer, um eine gegenseitige thermische und hydraulische Beeinflussung auszuschließen. Ziel dabei ist es, heißes Thermalwasser aus dem Malmkarst mit 150 Liter/Sekunde durch die Produktionsbohrung zu fördern. Dem heißen Wasser wird im obertägigen Geothermie-Kraftwerk die Wärme entzogen. Anschließend wird das abgekühlte Wasser durch die Injektionsbohrung wieder in das Reservoir verpresst.

Das Projekt wird von der ENEX Power GmbH gesteuert. Die G.E.O.S.-Experten führten neben der Re-Interpretation einer bereits vorhandenen Seismik und der geologischen Vorplanung auch die technische Bohrplanung und die Testplanung durch. Bereits 2021 und 2022 plante G.E.O.S. sämtliche untertägigen Leistungen für das Projekt, von der Betriebsplanerstellung über die Bohrdetailplanung bis zur Vergabeverhandlung mit dem Bohrkontraktor.

Im Herbst 2022 wurde der Bohrplatz gebaut. Seit Beginn 2023 wird nun die erste Tiefbohrung mit einer modernen elektrohydraulischen 400-Tonnen-Bohranlage abgeteuft. Wenn die erste Bohrung ihre Endteufe von ca. 4.200 Metern erreicht hat, werden die Fördertests begleitet und ausgewertet.

Auf Erdwärme setzt auch das derzeit neu gebaute Zentralklinikum der Region Main-Spessart in Lohr am Main. Anstelle der vormals drei Krankenhäuser in der Region soll nun ein Klinikum mit moderner Energieversorgung und einer Nutzfläche von rund 17.000 qm und 280 Betten entstehen. Gas soll nur für die Notfallversorgung zum Einsatz kommen. Ansonsten wird hier auf erneuerbare Energien gesetzt, bei der Wärmeversorgung auf die Geothermie.

Das Heizen sollen Energiepfähle übernehmen, die ähnlich wie eine Erdwärmesonde funktionieren: In den Betonpfählen zirkuliert in Rohren Wasser, dessen Wärme durch eine Wärmepumpe entzogen wird und somit das Gebäude heizt. Dieses System dient auch der Kühlung.

Die ersten baulichen Maßnahmen waren für Anfang 2023 angesetzt, nach dem Bau der Erschließungsstraße ist der Start der Arbeiten für das Gebäude vorgesehen. Nach weiteren drei Jahren soll der Neubau 2026 bezugsfertig sein und ab dann für die Menschen in der Region zur Verfügung stehen.

Große Potenziale

Als eine „große Chance für Bayern“ betrachtet Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger die Wärme aus der Tiefe der Erde. 25 Prozent und mehr des Wärmebedarfs von Wohnungen im Freistaat könnte durch Geothermie abgedeckt werden, allerdings seien Bohrungen und Leitungen sehr kostenträchtig. Der Bund habe ein Förderprogramm für solche Projekte angekündigt und will bis zu 40 Prozent fördern. Dies reiche jedoch immer noch nicht zur Realisierung der Millionenprojekte, der sich einzelne Kommunen dann gegenübersehen.

„Privates Investitionskapital neben weiterer öffentlicher Beteiligung wäre daher eine Möglichkeit der Finanzierung“, betont Aiwanger, allerdings müsse man aus den Fehlern der Privatisierung der Energiewirtschaft lernen und dafür sorgen, dass Rendite vor allem auch bei Kommunen und Staat erzielt werde. Kommunen dürften sich aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht zu stark an Investitionen beteiligen, die - wie Geothermie - nicht kommunale Pflichtaufgabe sind.

Gutachten zum Masterplan Geothermie Bayern

Bis zum Jahr 2040 könnte ein Viertel des deutschen Wärmebedarfs mit der Tiefen Geothermie gedeckt werden, haben Forscher von sieben Fraunhofer-Gesellschaften und der Helmholtz-Gemeinschaft berechnet. Um explizit den Ausbau der Tiefengeothermie im Freistaat voranzubringen, hat die Geothermie-Allianz Bayern im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie ein Gutachten zum Masterplan Geothermie Bayern erstellt. Es enthält eine Analyse zur Optimierung des geothermischen Potentials durch Wärmeverbundleitungen und untersucht, inwieweit die Tiefengeothermie zur Transformation im Wärmesektor in Bayern beitragen kann.

Laut Gutachten eignet sich Tiefengeothermie insbesondere für die Wärmeversorgung über Fernwärmenetze in Ballungszentren, weil hier hoher Wärmebedarf auf geringer Fläche vorhanden ist. Die in der Studie berechnete jährliche Nachfrage für Raumwärme und Warmwasser in Bayern beträgt knapp 160 TWh (ohne Industriewärme). Basierend auf der räumlichen Wärmenachfrage wurden rund 100 Fernwärmebedarfsgebiete in Bayern identifiziert, in denen Fernwärme sinnvoll zur Versorgung genutzt werden kann. Mit 76 TWh beinhalten diese Gebiete knapp 50 Prozent der Wärmenachfrage Bayerns. Bislang werden erneuerbare Energien nur zu ca. 8 Prozent direkt in Fernwärmenetzen genutzt: Dies bedeutet für die Dekarbonisierung ein entsprechend hohes Potenzial, selbst wenn man nur schon bestehende Netze betrachtet.

Wertvoller Beitrag zur Dekarbonisierung in Fernwärmenetzen

„Die Tiefengeothermie hat vor allem im Süden Bayerns ein außerordentliches Potenzial“, heißt es. Aufgrund dessen könne die Tiefengeothermie einen großen Beitrag zur Dekarbonisierung in Fernwärmenetzen und damit zur Wärmewende leisten. Zur optimalen Ausschöpfung des Potenzials in Südbayern könnten Verbundleitungen genutzt werden, die die Wärme von geeigneten Standorten für Tiefengeothermie in die Ballungszentren mit der entsprechenden Wärmenachfrage transportieren. Durch eine strategische Förderung sei der Ausbau von Verbundleitungen deutlich zu beschleunigen. Das optimale Ausbauszenario könne in einer detaillierten Ausarbeitung eines Masterplan Geothermie bestimmt und mit wissenschaftlicher Begleitung umgesetzt werden.

Für den Norden Bayerns sei der Einsatz der EGS-Technologie (künstlich erzeugte oder maßgeblich verbesserte Wärmetauschersysteme) sinnvoll. Jedoch erfordere dies zuerst die Umsetzung eines wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekts.

DK

 

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?

Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Fachthema

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung