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(GZ-8-2022)
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► Baumaterialien:

 

Lieferengpässe und Preissteigerungen

Kommunen sollten mit der Vereinbarung einer Stoffpreisgleitung bei ihren Baumaßnahmen schnell reagieren / Situation bei Baumaterialien kritisch

Die Unternehmen des bayerischen Baugewerbes registrieren bei Preisanfragen bei ihren Lieferanten zu fast allen wichtigen Baumaterialien seit dem vierten Quartal 2020 hohe Preissteigerungen und erhebliche Lieferengpässe. Die deutlichen Preissteigerungen für Baustoffe haben sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im ersten Quartal 2022 weiter fortgesetzt.

Besonders dynamisch war der Anstieg bei Bauholz mit 54,3 % gegenüber dem Vorjahr. Auch der Anstieg bei Betonstahl fällt im Februar gegenüber Februar 2021 mit 39,1 % sehr hoch aus. Das gilt auch für die erdölbasierten Stoffe, z.B. Bitumen, mit einem Plus von 45,4 %. Die Auswirkungen des Ende Februar beginnenden Ukrainekrieges auf die Lieferketten und die Energiepreise hat diese Situation noch einmal erheblich verschärft. Fast alle Baumaterialien sind inzwischen betroffen. Ein Ende der äußerst schwierigen Situation ist derzeit nicht absehbar.

Viele Gemeinden, bei denen Baumaßnahmen anstehen oder die bereits mitten im Bau sind, sind deswegen besorgt. Stimmen die Kostenschätzungen noch? Können die Baupartner ihre Leistung pünktlich erbringen? Jeder weiß, dass Verzögerungen oder Stillstand ein Bauvorhaben enorm verteuern und in die Länge ziehen können.

Bayerisches Innenministerium empfiehlt Anwendung von Stoffpreisgleitungen

Die Bundesregierung hat auf die Lieferengpässe und Preissteigerungen reagiert und mit Erlass vom 25. März 2022 eine Stoffpreisgleitung für die Bundesbauverwaltung verpflichtend eingeführt und wichtige Praxishinweise für bestehende Verträge gegeben. Dem hat sich das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr für die Staatsbauverwaltung mit Erlass vom 31.03.2022 angeschlossen.

Da Städte und Gemeinden bei ihren Baumaßnahmen ebenso betroffen sind wie Staatliche Bauämter, hat das Bayerische Innenministerium mit Schreiben vom 6. April 2022 den Kommunen die Stoffpreisgleitung zur Anwendung empfohlen. Andreas Demharter, Hauptgeschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen sieht im Einsatz von Stoffpreisgleitklauseln in Bauverträgen in der jetzigen Situation ein ganz wichtiges rechtliches Instrument:

„Wir unterstützen diese Empfehlung ausdrücklich. Nur so können aktuell die Kosten einer Baumaßnahme einigermaßen im Griff behalten werden. Wenn ein Bauvorhaben ohne Stoffpreisgleitung ausgeschrieben wird, stehen die Bieter nämlich vor dem Problem, dass sie ihre Preise wegen der massiven Preissteigerungen nicht kalkulieren können und gezwungen sind, dass sehr hohe Risiko von Preissteigerungen von Anfang an einzupreisen. Andere Bieter geben bei einem Vergabeverfahren ohne Stoffpreisgleitung lieber gar kein Angebot ab, weil sie fürchten, bei einer Baumaßnahme, die zum Beispiel viel Stahl erfordert, wegen der Preissteigerungen tief in die roten Zahlen zu geraten. Der Einkauf der verknappten Baumaterialien „auf Vorrat“ ist vielerorts auch gar nicht möglich, weil die Lieferanten ihre Ware kontingentieren und Bestellungen nur unverbindlich ohne Preisbindung entgegennehmen. Mit einer Stoffpreisgleitung ist es dem Bieter dagegen möglich, anhand der aktuellen Tagespreise seinen Preis ohne hohen Risikozuschlag zu kalkulieren.“

Auch laufende Bauvorhaben sind anzupassen

Auch bei laufenden Bauvorhaben, bei denen der Auftraggeber einen Auftragnehmer aus der Zeit vor dem Ukrainekrieg zum Festpreis zur Ausführung der Bauleistung verpflichtet hat, eine Preisgleitung zu vereinbaren, kann die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitung wirtschaftlich sehr sinnvoll sein.

„Bei Altverträgen ist davon auszugehen, dass der Ukraine-Krieg mit seinen Auswirkungen einen Fall der Höheren Gewalt darstellt und Streitigkeiten über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, die möglicherweise in einer Kündigung des Bauvertrages eskalieren, können durch Vereinbarung einer Stoffpreisgleitung vermieden werden.“, so Demharter.

Dazu führt das Bundesbauministerium stellvertretend für die Auftraggeberseite der öffentlichen Hand im Erlass aus:

„Auftraggeber und Auftragnehmer haben den Vertrag in der Annahme geschlossen, dass sich die erforderlichen Materialien grundsätzlich beschaffen lassen und deren Preise nur den allgemeinen Unwägbarkeiten des Wirtschaftslebens unterliegen. Sie hätten den Vertrag nicht mit diesem Inhalt geschlossen, hätten sie gewusst, dass die kommenden Kriegsereignisse in der Ukraine derart unvorhersehbaren Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen würden. Zwar weist der Bauvertrag das Materialbeschaffungsrisiko grundsätzlich der Sphäre des Unternehmens zu. Dies gilt jedoch nicht in Fällen höherer Gewalt. Insoweit sind die Ereignisse geeignet, die Geschäftsgrundlage des Vertrages im Sinne von § 313 BGB zu stören.“

Verträge können sogar zum Nachteil des Auftraggebers geändert werden

Klug und deeskalierend ist es, wenn in dieser Situation von den Ministerien darauf hingewiesen wird, dass auch unterhalb der Schwelle der gestörten Geschäftsgrundlage Verträge sogar „zum Nachteil“ des Auftraggebers nach § 58 BHO bzw. § 58 BayHO geändert werden können. Der Begriff des Nachteils erfordert eine Gesamtabwägung. Dazu heißt es im Erlass: „Ergibt diese Gesamtabwägung beispielsweise, dass eine Anpassung von Preisen den termingerechten Fortgang der Baumaßnahme fördert, Auseinandersetzungen an anderer Stelle vermeidet, Verwaltungsaufwand und Folgekosten (etwa durch längere Nutzung eines Ersatzmietobjekts) erspart, mag bereits kein Nachteil im wirtschaftlichen Sinne vorliegen.“

Derzeit kann niemand sicher vorhersagen, wie die Gerichte später einmal eine der größten Krisen der Nachkriegszeit und ihre konkreten Auswirkungen im Einzelfall bewerten werden. Fest steht nur, dass eine Eskalation und ein anschließender Rechtsstreit teuer und langwierig wird. Die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitung auf Empfehlung des Innenministeriums ist dagegen fair, partnerschaftlich und deeskalierend.Die empfohlenen Erlasse und einen Leitfaden zur Anwendung der Stoffpreisgleitklausel gibt es zum kostenfreien Download auf den Internetseiten des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen unter www.lbb-bayern.de in der Rubrik „News“.

 

 

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