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(GZ-1/2-2022)
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► bvse-Altkunststofftag in Köln:

 

Rezyklate sichern die Zukunft

„Rezyklate für die Kreislaufwirtschaft“ lautete das Motto des diesjährigen Altkunststofftags des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling in Köln. Vor mehr als 200 Teilnehmern thematisierten Branchenexperten, Vertreter von NGOs, Analysten und Wissenschaftler unter anderem die rechtlichen und praktischen Herausforderungen sowie den Stand der Umsetzung zur Neuordnung der „Internationalen Verbringung“ mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kunststoffmärkte.

Gunda Rachut und Dr. Dirk Textor. Bilder: bvse
Gunda Rachut und Dr. Dirk Textor. Bilder: bvse

Die Beiträge im zweiten Themenkomplex „Kunststoffrecycling ist Teil der Lösung“ luden die Teilnehmer dazu ein, weit über den Tellerrand von Kunststoffbashing hinaus auf den wertvollen Beitrag zu blicken, den die Branche auf Grundlage der Novellierungen des Verpackungsgesetzes leistet, um die ambitionierten Kreislaufwirtschafts- und Klimaziele zu erreichen. In einer moderierten Podiumsdiskussion gingen die eingeladenen Experten zudem auf mögliche Kursrichtungen ein, die sich für das Kunststoffrecycling in Deutschland nach der Wahl ergeben könnten.

Ganz im Zeichen eines Workshops, der sich mit Kunststoff von der Produktgestaltung über Mülltrennung und Recyclingverfahren bis hin zur Vermarktung von Regranulat befasste, stand der zweite Veranstaltungstag. Begleitet wurde der 23. Internationale Altkunststofftag von einer Produktausstellung mit Forum.

Wie bvse-Fachverbandsvorsitzender Dr. Dirk Textor betonte, hätten sich die Kunststoffmärkte selten so volatil präsentiert. Kam das Kunststoffrecycling zu Anfang der Corona-Krise extrem unter Druck, unter anderem auch deswegen, weil die Rohölpreise einbrachen und dies die Preise für Kunststoffneuware ebenfalls nach unten zog, änderte sich das Bild ab Oktober 2020.

Nachfrage wie selten zuvor

Textor zufolge mehrten sich die „Force-Majeure-Meldungen zur Verfügbarkeit von Kunststoffneuware“. Seecontainer wurden knapp, die Transportkapazitäten zu Wasser und zu Lande verteuerten sich. Schließlich verschlimmerten die Havarie im Suezkanal im März 2021 und Ausfälle in chinesischen Ausfuhrhäfen die Situation noch weiter – Kunststoffneuware fehlte. Auf einmal waren Rezyklate nachgefragt wie selten zuvor. An der guten Nachfrage hat sich laut Textor bis heute nichts geändert: „Die Kunststoffrecycler sind momentan vollständig ausverkauft.“

Damit sei aber auch deutlich geworden, dass die Unterstellung mancher Kunststoffverarbeiter, „dass wir nicht die nötigen Qualitäten produzieren“, in der Vergangenheit falsch war. Dies seien vorgeschobene Argumente gewesen. Textor zeigte sich davon überzeugt, dass die Kunststoffrecyclingbranche in der Lage ist, deutlich mehr Rezyklate zu produzieren. Zudem sei die kunststoffverarbeitende Industrie in der Lage, deutlich mehr Rezyklate zu verarbeiten. Sein Appell: „Rezyklate können und müssen jetzt und in Zukunft die Neuware ökologisch und ökonomisch vorteilhaft ergänzen.“

Recyclinggerechte Verpackungsgestaltung und intelligente Regelungswerke, die Investitionsanreize setzen, sind die wichtigsten Voraussetzungen für die weitere Steigerung von Verwertungsquoten und einen hochwertigen Rezyklateinsatz. Dies machte Gunda Rachut, Vorstand der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) deutlich. Die Bilanzierung der Verwertungsquote von Verpackungen aus dem Jahr 2020 lese sich zunächst erfreulich, so Rachut:

„In Summe wurden rund 5,8 Millionen Tonnen gebrauchte Verpackungen aus dem privaten Endverbrauch einer Verwertung zugeführt. Das ist eine Steigerung von 8,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die werkstoffliche Verwertung lag mit 60,6 Prozent ebenfalls mit rund 2 Prozentpunkten über dem erreichten Vorjahresergebnis. Und auch die Werkstoffquote der Kunststoffe aus der Sammlung der gelben Säcke/Tonnen inklusive Fehlwürfe übertraf mit 60,5 Prozent die geforderte Zielvorgabe von 58 Prozent.“

Allerdings sei die Verwertungsquote bei den Kunststoffverpackungen mit über 100 Prozent ein klares Indiz für eine nach wie vor existierende Unterbeteiligung. Dies dürfe durch eine ergänzende Belastung von Kunststoffverpackungen nicht verstärkt werden.

Ein zunehmendes Problem für den funktionierenden Kreislauf im Verpackungsbereich stellt der neuerdings wachsende Anteil faserbasierter Verpackungen dar. Diese sind laut Rachut sowohl beim Papier- als auch beim Kunststoffrecycling ein Problem. „Die faserbasierten Verpackungen werden vom Hersteller oft als ‚Öko‘ deklariert, sind sie aber nicht. Kunststoffbeschichtete Verpackungen sind bestenfalls begrenzt recyclingfähig, oft landen sie gar nicht in der Wertstoffsammlung.“

Für den Endverbraucher ist nicht erkennbar, in welches Gefäß er eine solche Packung entsorgen soll. Im Sortierprozess werden diese Mischverpackungen von den optischen Sortiersystemen nicht zwingend dem Material zugeordnet, das ein hohes Maß an Verwertung garantiert. In der Folge geht dem Kreislauf viel Material verloren. Darüber hinaus ist eine recyclinggerechte Gestaltung maßgeblich dafür, wie hochwertig Rezyklate aus dem Recyclingprozess für den späteren Einsatz wieder genutzt werden können. Je nach Farbintensität und aufgebrachtem Etikettenmaterial kann der Einsatz von Rezyklaten in neuen Produkten im günstigsten Fall über 90 Prozent betragen. Die hieraus entstehenden Recyclingprodukte sind bei entsprechendem Design wiederum zu 100 Prozent recyclingfähig.

Eine umfassendere Verbraucherinformation tue not, so Rachut, aber noch wichtiger sei das Umdenken der Hersteller, „denn ohne ein recyclinggerechtes Design gibt es auch kein ökologisches Verpackungsrecycling“. In dieser Situation stelle sich die Frage, wie eine ökonomische Lenkungswirkung hin zu einer künftig recyclinggerechteren Gestaltung von Verpackungen sowie einer Steigerung des Rezyklateinsatzes ausgestaltet werden sollte. Dazu seien vier Lösungen bereits in der Diskussion. Neben einem Einzahlungsmodell für weniger gut recyclingfähige Verpackungen und einem Auszahlungsmodell für gut designte Lösungen könnte auch eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Fondslösung oder Zertifikatslösung über den Rezyklateinsatz zum Tragen kommen. Alle Förderungsmaßnahmen seien jedoch hinsichtlich ihrer Praktikabilität und Durchführbarkeit zu evaluieren.

Mit Spannung erwartet werde der für das 2. Quartal 2022 von der EU-Kommission in Aussicht gestellte Arbeitsentwurf für eine überarbeitete Verpackungsregulierung. Dieser werde wahrscheinlich das französische Modell zum Vorbild haben, das in Deutschland nicht ganz einfach umzusetzen sei und voraussichtlich Adaptierungen am hiesigen Modell notwendig machen wird, erklärte Rachut abschließend.

DK

 

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