Aus den Kommunenzurück

(GZ-6-2022)
gz aus den kommunen
 GZ-Plus-Mitgliedschaft

► Zauberhaft:

 

Das Gespenst wohnt schon im Keller

Mitten in der Krise entsteht in Würzburg das unterfrankenweit erste Zaubertheater

Zwischendurch, gibt Christian Hörner zu, war er mit seinem Latein am Ende. „Im zweiten Lockdowns waren alle Perspektiven weg“, berichtet der Würzburger Zauberkünstler alias ZaPPaloTT. Hörner steckte in einer tiefen Krise. Aus der er sich mühsam herausrappelte. Am Ende dieses Prozesses steht ein völlig neues Projekt. Der 37-Jährige, dessen Projekte von der Stadt Würzburg, dem Bezirk und dem Landkreis unterstützt werden, ist gerade dabei, das unterfrankenweit erste Zauber-Kellertheater in Würzburg zu gründen.

Hörner mutmaßt, dass es nicht mehr so schlimm kommen wird, wie Ende 2021: „Ich schaue inzwischen optimistisch in die Zukunft.“ Das gibt ihm den Mut, einen, wie er sagt, „verrückten, bunten Ort“ namens „Theater Wunderweg“ zu schaffen. 35 bis 40 Plätze soll der Theatersaal umfassen. Bis das Projekt fertig ist, wird es aber noch dauern. Was daran liegt, dass die bürokratischen Mühlen krisenbedingt etwas langsamer mahlen: „Auch ist es schwierig, Handwerker und Material zu bekommen.“ Eröffnet wird wohl erst Anfang 2023. Ein Gast hat aber schon Einzug gehalten: „Gustav“ aus dem Stück „ZaPPaloTT und das Gespenst aus der Gießkanne“.

Lange war das Zaubern für Hörner nur eine Nebenbeschäftigung gewesen. Begonnen hatte alles mit einem Zauberkasten, der irgendwann unterm Weihnachtsbaum lag: „Da war ich neun.“ Der kleine Christian zauberte in der Verwandtschaft. Anders als bei anderen Jungs mit Zauberkasten wuchs sich seine Leidenschaft für Hokuspokus allerdings nicht aus. Das Zaubern behielt seine Faszination, hinzu kam eine wachsende Begeisterung fürs Schauspielern. So trat Hörner dem Jugendclub des Würzburger Stadttheaters bei. Auch während des Lehramtsstudiums spielte er Theater. 2013 schließlich machte er sich als Zauber- und Schauspielkünstler selbstständig. Und nun wagt er es also, obwohl es immer noch kriselt, ein eigenes Theater zu gründen. Das ist mutig. Wobei Hörners Pläne auch irritieren:

„Natürlich kriege ich zu hören, dass es vollkommen verrückt sei, mitten in der Pandemie ein Theater aufzumachen.“ Nun, ZaPPaloTT steht in persona für das „Verrückte“. Doch das Ganze hat noch einen tieferen Hintergrund. Der Zauberkünstler sah sich beruflich vor einem Scheideweg. Sein Ziel, in Unterfranken als Zauberkünstler bekannt zu werden, hatte er erreicht. Nun stellte sich die Frage, welches Ziel er als nächstes angehen sollte. Die Idee eines festen Zaubertheaters nahm immer konkretere Gestalt an.

Recht aufs Anderssein

Hörner ist jemand, der „verrückt“ erzählen kann, warum wir Plastikabfall vermeiden sollten. In seinen Mitmach-Stücken spricht er ohne jede Moralinsäure so ernste Themen wie die Situation geflüchteter Menschen an. Sein Leib- und Magenthema lautet jedoch: Recht aufs Anderssein. In vielen seiner Stücke, die in den letzten 15 Jahren entstanden sind, ermutigt Hörner Kinder, so zu sein, wie sie sind. Sein neuestes Stück, an dem er im Moment arbeitet, dockt hier-
an an. ZaPPaloTT wird diesmal hoch in den Lüften eine Wolkenriesin treffen. Und zwar eine ganz besondere: „Sie sitzt im Rollstuhl und kann also nicht wie die anderen Wolkenriesen von Wolke zu Wolke hüpfen.“

Weil die Quote der behinderten Kinder nicht allzu hoch ist, werden Jungs und Mädchen mit Handicap in der Kinderkulturszene bis heute oft noch nicht mitgedacht. Das war bei ZaPPaloTT von Anfang an anders. Was daran liegt, dass der gelernte Lehrer pädagogische Erfahrungen mit „besonderen“ Kindern gesammelt hat, bevor er Künstler wurde: Mehrere Jahre arbeitete er in einem Heim für verhaltensauffällige junge Menschen. Sein neues Theater, das sich im Würzburger Stadtteil Frauenland im Keller unter einem Waschsalon befindet, soll barrierefrei zugänglich sein: „Darum werde ich einen Aufzug einbauen.“

Nun ist Hörner schon auch jemand, der die wirtschaftlichen Realitäten sieht. „Ich muss eine Menge in den Umbau investieren“, sagt er. Ob er in den aktuell schwierigen Zeiten so viele Fördergelder zusammenbekommt, um sein Theater von Anfang an inklusiv zu gestalten, kann er noch nicht abschätzen. Vielleicht, sagt er, sind zwei Bauphasen nötig. Glücklich ist Hörner darüber, dass sehr viele Menschen seine Idee unterstützen. Und zwar bei einer Crowdfunding-Aktion, die das ursprüngliche Spendenziel von 10.000 Euro in nicht mal vier Wochen erreichte.

Mag sein, es wird zwischendurch eine schwere Aufgabe sein, das Projekt zu realisieren, ist es doch nicht völlig ausgeschlossen, dass wir heuer im Herbst noch einmal tief in der Krise stecken werden. Das ist Hörner klar. „Doch gerade in diesen schwierigen Zeiten ist es wichtig, Visionen für die Zukunft zu entwickeln“, sagt er. Dabei denkt er an seine eigenen Erfahrungen im Lockdown. An jene Wochen, in denen kein einziger Termin im Terminkalender notiert war. „Ich hatte wirklich vor einer leeren Zukunft gestanden“, sagt er. Nun sieht er wieder eine Zukunft für sich. Und vor allem eine Aufgabe. Kinder, hat Hörner in den letzten Tagen erlebt, lechzen geradezu nach Kultur.

Pat Christ

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

GemeindeZeitung

Aus den Kommunen

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung