Aus den Kommunenzurück

(GZ-4-2022)
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► Ausstellung im Landratsamt Regensburg:

 

Bayerns vergessener Ministerpräsident

Vor 100 Jahren war Hugo Graf von und zu Lerchenfeld Bayerischer Ministerpräsident

Das Geschlecht der Grafen von und zu Lerchenfeld-Köfering zählt zum altbayerischen Uradel. In seiner bis ins 11. Jahrhundert nachweisbaren Familiengeschichte brachte das Adelsgeschlecht zahlreiche bedeutende Minister, Politiker und Diplomaten hervor. Vor genau 100 Jahren schaffte es einer aus der Familie gar bis an die Staatsspitze Bayerns: Hugo Graf von und zu Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg. Er wurde am 21. September 1921 vom Bayerischen Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt.

Hugo Graf von und zu Lerchenfeld im Jahr 1938. Bild: Gräfliche Familie von und zu Lerchenfeld
Hugo Graf von und zu Lerchenfeld im Jahr 1938. Bild: Gräfliche Familie von und zu Lerchenfeld

Hugo Graf von und zu Lerchenfeld wurde am 21. August 1871 im Stammschloss der Familie in Köfering geboren. Nach dem Rechtwissenschaftsstudium schlug er eine Beamtenlaufbahn mit Stationen im In- und Ausland ein. 1921 war er als Gesandter der Reichsregierung in Darmstadt, als Spannungen zwischen Bayern und dem Reich sich zu einer Regierungskrise in München zuspitzten. Er wurde nach Bayern gerufen.

Nach dem Rücktritt der Regierung von Kahr wurde Hugo Graf von und zu Lerchenfeld auf Vorschlag der Bayerischen Volkspartei (BVP) zum Ministerpräsidenten gewählt.

„Lerchenfeld war in der damaligen Situation genau der Mann, den die BVP suchte“, analysiert der Historiker Hans Hinterberger in seiner Dissertation die Wahl des Grafen:

„Ein guter Name, der auf Verbundenheit zu Bayern, zum Königshaus und zur Kirche hinweist, war in der Person Lerchenfelds gepaart mit dem Image des honorigen Fachmanns, der von außerhalb der Partei und von außerhalb des Parlaments kam.“

Gegen Nationalsozialismus und Antisemitismus

Nach der Wahl benannte Graf von und zu Lerchenfeld das „Bekenntnis zur christlich-nationalen Gesinnung, das Festhalten und die Verteidigung der Rechte Bayerns und die Fühlung mit anderen Staaten“ als sein Programm. Dem zu dieser Zeit immer offener auftretenden Antisemitismus und der Bewegung von Adolf Hitler stellte er sich entgegen. Im Landtag wies er den Österreicher in die Schranken und warf ihm vor, das Gastrecht zu missbrauchen. Offen drohte er Hitler mit der Ausweisung. Damit machte er sich die Nationalsozialisten zum Feind:

„Wenn schon längst kein Mensch mehr den Namen Lerchenfeld nennen wird, wird die nationalsozialistische Bewegung immer noch im Wachsen sein“, schwor Hitler dem Grafen Rache.

Graf von und zu Lerchenfeld sah aber nicht das Judentum als den wesentlichen Unruhefaktor der Zeit, sondern die Inflation und wollte diese bekämpfen. Daher erklärte er: „Die Regierung hat die Pflicht, die Staatsbürger zu schützen, also auch unsere jüdischen Staatsbürger. […]

Als Mensch und Christ verurteile ich einen Antisemitismus, der den Grund für alle Krankheiten unseres Volkslebens im jüdischen Geiste sieht. Auf dem Weg der antisemitischen Agitation werden wir keinen der Schäden wirksam bekämpfen, der etwa aus einer jüdischen Geistesrichtung entspringen sollte. Alle die beklagenswerten Erscheinungen lassen sich vielmehr nur durch die sittliche Kraft des ganzen Volkes überwinden.“

Wunsch nach Versöhnung

Der Graf, der selbst mit einer Amerikanerin verheiratet war, bemühte sich um eine Aussöhnung mit den Gegnern des erst drei Jahre zurückliegenden 1. Weltkriegs.

„Wenn wir uns auf den Standpunkt der Gewalt und der Revanche stellen, kommen wir nicht weiter als unsere Väter und Vorväter“, mahnte er.

Doch Graf von und zu Lerchenfeld, der relativ überraschend von außerhalb Bayerns in seine Heimat zurückgerufene Ministerpräsident, unterschied sich in vielen seiner Anschauungen von weiten Teilen der politischen Elite Bayerns. Trotz seiner zweifelslos erfolgreichen Politik, verlor er zunehmend den Rückhalt in der eigenen Partei.

Gleichzeitig verbreiteten seine Widersacher die Geschichte von der Affäre, die seine Frau, Gräfin Ethel von und zu Lerchenfeld, während eines Auslandsaufenthalts ihres Mannes mit dem Münchner Bildhauer Fritz Behn gehabt hatte. Rechtsnationale Kreise versuchten die bereits mehrere Jahre zurückliegende Geschichte auszuschlachten, um den Graf politisch zu diskreditieren.

Grundtenor dabei war, Graf von und zu Lerchenfelds männliche Autorität in Frage zu stellen, wenn er nicht einmal seine Frau im Griff habe. Dabei hatte Ethel Gräfin von und zu Lerchenfeld schon längst aufrichtig bereut und ihr Mann hatte ihr ehrlich verziehen, weshalb die Ehe auch nicht in die Brüche ging. Angewidert von diesem Treiben trat Graf von und zu Lerchenfeld desillusioniert und isoliert am 2. November 1922 als Ministerpräsident zurück.

Im Jahr 1924 wurde Graf von und zu Lerchenfeld Mitglied des Reichstages und 1926 Deutscher Gesandter in Österreich. Nach seiner letzten Station als Gesandter in Belgien wurde er 1933 in den Ruhestand versetzt. Da Graf von und zu Lerchenfeld und Hitlers NSDAP sich mit großer Ablehnung gegenüberstanden, verwundert es nicht, dass für ihn im nationalsozialistischen Regime kein Platz war. Er musste seine Gesandtentätigkeit aufgeben.

Neben seiner politischen und diplomatischen Tätigkeit gehörte Graf von und zu Lerchenfeld dem Zentralvorstand des Deutschen Caritasverbandes (DCV) an und engagierte sich für die Freie Wohlfahrtspflege. Seit deren Gründung 1925 war er Präsident der Deutschen Liga der freien Wohlfahrtspflege. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Graf von und zu Lerchenfeld dort auf den einflusslosen Posten des Ehrenpräsidenten abgeschoben.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Percha am Starnberger See. Er arbeitete mehrere Jahre an den Memoiren seines Onkels und Taufpaten, des bayerischen Gesandten Hugo Graf von und zu Lerchenfeld (1843 – 1925). Am 13. April 1944 verstarb Hugo Graf von und zu Lerchenfeld mit 72 Jahren. Er ist auf dem Gemeindefriedhof von Percha an der Seite seiner Frau bestattet. Das unscheinbare Grab ist bis heute erhalten.

Ausstellung im Regensburger Landratsamt

Eine Ausstellung im Foyer des Regensburger Landratsamts erinnert vom 1.–27. März an Hugo Graf von und zu Lerchenfeld, der aus dem Landkreis stammt. Gezeigt werden Fotos aus dem Privatbesitz der gräflichen Familie. Infotafeln geben Einblick in sein Leben und Wirken.

Wolfgang Voigt

 

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