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(GZ-8-2024 - 18. April)
Dr. Alexander Legler, Landrat Landkreis Aschaffenburg
 

Dr. Alexander Legler

Landrat Landkreis Aschaffenburg

Welche Kommune und wie viele Einwohner vertreten Sie?

Ich habe das Privileg und die Freude, als Landrat des Landkreises Aschaffenburg, dem nordwestlichsten Eingangstor zum Freistaat mit seinen rund 177.000 Einwohnerinnen und Einwohnern arbeiten zu dürfen.

 

Wann haben Sie Ihr Amt angetreten und sind Sie hauptamtlich oder ehrenamtlich tätig?

Hauptamtlicher Arbeitsbeginn war der 1. Mai 2020.

 

Welchem Beruf sind Sie vor Ihrem Amtsantritt nachgegangen bzw. üben Sie diesen nach wie vor aus?

Nach meinem Jurastudium in Würzburg und Poitiers (F) sowie den sich daran anschließenden Referendariatsstationen in Aschaffenburg, Brüssel und Ingolstadt habe ich zunächst als Rechtsanwalt gearbeitet, zuletzt als Fachanwalt für Verwaltungsrecht und durfte von September 2011 bis April 2020 als hauptamtlicher Bürgermeister meiner Heimatstadt Alzenau deren Entwicklung mit gestalten.

 

Was war Ihr persönlicher Anreiz in die Kommunalpolitik zu gehen?

Die Erkenntnis, tatsächlich, zeitnah und unmittelbar etwas bewegen und eigene Ideen umsetzen zu können und dabei in der Regel auch unmittelbar Rückmeldung zu Ideen und getroffenen Entscheidungen zu erhalten. Vor allem begeistert mich nach wie vor die Vielfalt der mit der Kommunalpolitik verbundenen Begegnungen sowie all der Aufgaben und Möglichkeiten der direkten Mitgestaltung von Lebensqualität für das eigene Umfeld.

 

Wie haben Sie sich vorbereitet?

In jedem Fall auch für Arbeit als Landrat zugute kamen mir meine Erfahrungen als Stadtrat von Alzenau, in den ich 2002 gewählt wurde, als zunächst Zweiter Bürgermeister ab 2008 und anschließend seit 2011 als Erster Bürgermeister sowie seit 2008 auch als Mitglied des Aschaffenburger Kreistags.

 

Wo lagen bei Ihrem Amtsantritt die Herausforderungen?

Nahezu ausschließlich in der Bewältigung der Corona-Pandemie mit all ihren damit verbundenen und seinerzeit nahezu täglich neuen Herausforderungen. Abgesehen davon galt es, den weiteren Ausbau der lange schon begonnenen Digitalisierung unserer Schulen voranzutreiben, den Anbau unseres Landratsamtes abzuschließen sowie die Fortführung der Optimierung unseres ÖPNV zu begleiten.

 

Welche Themen beschäftigen Sie momentan?

In Stichworte und Schwerpunkte gefasst sind das derer fünf: Flüchtlinge, Klinikum, Finanzen sowie Biosphärenregion und Energiewerk.

Die Zuweisungen an Geflüchteten halten auch bei uns ungebrochen an mit der Folge einer weiterhin massiven Überlastung der Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungen unserer Rathäuser und im Landratsamt. Unterkünfte bleiben Mangelware; eine adäquate Betreuung und Integration ist nahezu weiter unmöglich und die Akzeptanz vor Ort sinkt, nach meinem Empfinden, deutlich.

Unser gemeinsam mit der Stadt Aschaffenburg getragenes Klinikum kämpft mit einem Defizit von rund 40 Millionen Euro, das wir zur Hälfte mit der Stadt Aschaffenburg zu tragen haben, davon abgesehen bringen wir fortlaufend strukturelle Veränderungen unseres Hauses voran und seitens des Bundes werden wir mangels Problembewusstsein der Ampel für die Nöte der Kliniken und dem Ausbleiben einer klugen Reform weiter alleine gelassen.

Klinik-Defizit, Personalkostensteigerungen, inflationsbedingte Mehrkosten sowie massive Kostensteigerungen bei der Realisierung von Vorhaben führen mehr und mehr zu knappen Kassen unserer Gemeinden und damit auch des Landkreises, so dass auch wir mehr und mehr zum Verwalten verdammt sind, statt aktiv gestalten zu können mit der Folge, dass vor allem ehrenamtliches Engagement in der Kommunalpolitik nicht an Attraktivität gewinnt und die Unzufriedenheit vor Ort gegenüber kommunalen Mandatsträgern auch angesichts unumgänglicher Gebührenerhöhungen, für die es sehr oft an Verständnis fehlt, zumindest nicht weniger wird.

Im Sinne der Nachhaltigkeit, gerade mit Blick auf künftige Generationen sowie zur Steigerung der Attraktivität unserer Region haben wir uns gemeinsam mit den Landkreisen Miltenberg und Main-Spessart sowie der Stadt Aschaffenburg auf den Weg gemacht, UNESCO-Biosphärenregion zu werden, was uns jedenfalls dann gelingen wird, wenn unsere Gemeinden in den Landkreisen diesen Pfad mitgehen wollen. Derzeit finden Informationsveranstaltungen und Abfragen in den Gemeinden statt, nachdem die für eine Bewerbung als Grundvoraussetzung erforderliche Machbarkeitsstudie die grundsätzliche Machbarkeit unserer Region als Biosphäre mit all ihren Vorzügen, unter anderem auch gegenüber einem Naturpark, der wir als Landschaftsraum Spessart bereits sind, oder in Bezug auf einen Nationalpark mit seinen deutlich restriktiveren Vorgaben, bejaht hat.

Schließlich werden wir den von uns eingeschlagenen Weg zum Klimaneutralen Landkreis weiter vorangehen und unser gemeinsam mit den Gemeinden gegründetes Energiewerk mit Leben erfüllen und die anstehenden Windkraft- und PV-Vorhaben realisieren mit dem Ziel, dass die Wertschöpfung vor Ort bleibt und sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger aktiv daran beteiligen können.

 

Womit werden Sie sich noch auseinandersetzen müssen/wollen?

Eine Daueraufgabe bleibt die Sicherung unseres Klinikums Aschaffenburg-Alzenau als kommunales Haus mit seinem umfassenden Leistungsspektrum als Haus der Maximalversorgung inklusive aller damit verbundenen finanziellen und personellen Herausforderungen.

Auf Dauer beschäftigen wird uns auch die Bewältigung der massiven Flüchtlingszahlen vor Ort mit allen sich daraus ergebenden Folgeaufgaben. Darüber hinaus wollen wir auch weiterhin unserer Vorreiterrolle bei der Digitalisierung unserer Schulen gerecht bleiben, den ÖPNV und unser Radwegenetz weiter ausbauen, unser Energiewerk mit Projekten füllen sowie dem sich abzeichnenden Arbeitskräftemangel auch in den Verwaltungen Herr werden und uns ebenso erfolgreich den demographischen Veränderungen stellen mit dem Ziel, auch weiterhin eine bestmögliche Pflege und medizinische Versorgung in unserem Landkreis sicherzustellen, insbesondere auch in den ländlich geprägten Regionen des Landkreises.

 

Haben Sie einen wichtigen Ratschlag für junge Kolleginnen und Kollegen?

Einen Rat habe ich nicht im Angebot, weder einen wichtigen noch sonst einen, eher einen Strauß an Empfehlungen, die mir bislang nicht geschadet haben, so z. B.: geht nicht, gibt´s nicht, nicht unterkriegen und ärgern lassen, sowie sich nicht grämen darüber, was sich im Nachhinein nicht mehr ändern lässt! 

Vor allem aber: offen bleiben für die Menschen, auf sie zugehen, zuhören, sie rechtzeitig in Vorhaben einbinden sowie kritikfähig und in der Lage bleiben, sich immer wieder selbst zu hinterfragen und die eigene Meinung zu korrigieren!

In jedem Fall braucht es ein selbstbewusstes Umfeld auf Augenhöhe und damit couragierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jederzeit kritisch loyal sind, keine Scheu haben, Entscheidungen zu treffen, auch neue Wege einzuschlagen und insbesondere dem Chef mit einer klaren Meinung entgegentreten, erst recht, wenn sie nicht der Meinung des Chefs entspricht!

 

Wie beziehen Sie Kolleginnen und Kollegen / Bürgerinnen und Bürger / Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihre Arbeit und in Ihre Entscheidungsfindung ein?

Frühzeitig mit Vorschlägen und Ideen, aber auch mit Herausforderungen und Problemstellungen in den Austausch gehen, das Gespräch suchen und sich Rückmeldungen einholen und bei Bedarf nach tragbaren Lösungen bzw. gangbaren Kompromissen suchen.

 

Wieviel Einfluss wird die Digitalisierung auf die künftige Kommunalpolitik haben?

Wir werden schon allein aufgrund des sich auch in unseren Verwaltungen abzeichnenden massiven Personalmangels nicht umhin kommen, mehr und mehr Prozesse zu digitalisieren, nicht nur im Sinne der Bürgerfreundlichkeit, um sich Wege ins Amt zu ersparen, Fragen ohne unmittelbare Vorsprache beantwortet zu bekommen sowie zu jeder Zeit Anträge stellen zu können, sondern auch dann, wenn es darum geht, Verfahren z.B. zur Bescheidserstellung standardisiert und damit immer auch zügig und weiterhin zur Zufriedenheit unserer Bürgerinnen und Bürger abarbeiten zu können.

 

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie begleitet?

„Nicht wirklich. Aber bislang gut gefahren bin ich mit der Einstellung: Aufgeben gilt nicht! Nicht ärgern lassen von nichts und niemandem (Anmerkung: gelingt meistens) und dem Grundsatz: Bevor ich mich aufrege, ist es mir lieber egal (Anmerkung: gelingt ebenfalls meistens)!

 

Wie wollen Sie in Erinnerung bleiben?

Bis sich diese Frage praktisch – und wenn überhaupt – eines Tages stellt, bleibt hoffentlich noch viel Zeit, schließlich bin ich mit 46 Jahren noch jung, habe noch viel vor und eine Menge an Ideen. Sollte diese Frage aber dann doch irgendwann einmal zur Beantwortung anstehen, dann gerne als jemand, von dem die Menschen überzeugt sind, er hat ihnen zugehört, sie ernst genommen, war ihnen aufrichtig und authentisch gegenüber und hat ihnen im Rahmen seiner Möglichkeiten geholfen und dabei zugleich mitgewirkt daran, entsprechend dem Motto unserer unvergessenen Barbara Stamm unsere Welt ein kleines Stück weit besser gemacht zu haben!

 

Foto © Dr. Alexander Legler

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