(GZ-24-2022) |
Michael Müller |
Erster Bürgermeister der Stadt Geretsried Welche Kommune und wie viele Einwohner vertreten Sie? Die Stadt Geretsried liegt als Tor zum Oberland im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Sie ist mit über 26.000 Einwohnern die größte, mit 52 Jahren jüngste und seit einigen Jahren finanzstärkste Stadt des Landkreises.
Wann haben Sie Ihr Amt angetreten und sind Sie hauptamtlich oder ehrenamtlich tätig? Ich bin seit Mai 2014 im Amt und befinde mich derzeit als hauptamtlicher Erster Bürgermeister in meiner zweiten Amtsperiode.
Welchem Beruf sind Sie vor Ihrem Amtsantritt nachgegangen bzw. üben Sie diesen nach wie vor aus? Als ursprünglich gelernter Bankkaufmann habe ich ein Studium der Volkswirtschaftslehre in München absolviert. 15 Jahre lang war ich daraufhin als Referatsleiter für Planung, Organisation, Vertrieb und IT bei der Staatlichen Lotterieverwaltung tätig. Als hauptamtlicher Bürgermeister schaffe ich es zeitlich nicht, nebenher einer weiteren Tätigkeit nachzugehen.
Was war Ihr persönlicher Anreiz in die Kommunalpolitik zu gehen? Vor Antritt meines Bürgermeisteramtes war ich zwölf Jahre lang Vorstand im Trägerverein für Jugend- und Sozialarbeit. Dadurch war ich bereits sehr nah dran am sozialen Leben der Stadt. Mich hier noch intensiver zu engagieren und etwas bewegen zu können, hat mich immer gelockt.
Wie haben Sie sich vorbereitet? Mir war bewusst, dass ein Bürgermeister oft zwischen den Stühlen sitzt und Vermittler zwischen Bürgerschaft, Stadtrat und Verwaltung sein muss. Darüber hinaus gibt es auch eigene und parteipolitische Interessen, die in die Waagschale geworfen werden müssen. Eine wirklich schwierige Aufgabe. Da sind meiner Ansicht nach ausgeprägte persönliche Kompetenzen unabdingbar, etwa Geduld, Kreativität, Weitblick, Stärke, Ruhe und vor allem auch Belastbarkeit.
Wo lagen bei Ihrem Amtsantritt die Herausforderungen? Natürlich will man vom ersten Moment an ein guter und proaktiver Bürgermeister sein. Tatsächlich musste ich erstmal die hausinternen Abläufe verstehen, mich auf den aktuellen Stand der Projekte meiner Vorgängerin bringen und stets ein offenes Ohr für die Bürger sowie Stadträte haben. Das überfährt einen erstmal. Glücklicherweise war ich schon zuvor eine Wahlperiode lang im Stadtrat und hatte Kommunalpolitik von dieser Seite aus live miterlebt. Allerdings enden die Aufgaben eines Bürgermeisters nicht an der Stadtgrenze, hier gilt es Netzwerke in alle Richtungen zu knüpfen. In gewisser Weise ist man so auch der Außenminister seiner Kommune.
Welche Themen beschäftigen Sie momentan? Da fallen mir sehr vielfältige Herausforderungen ein, die sukzessive abgearbeitet werden müssen. Leider schaffe ich nicht alles parallel. Der Fachkräftemangel ist inzwischen auch in der Verwaltung angekommen. Den Betrieb mit der gewohnten Korrektheit und Schnelligkeit aufrechtzuhalten, erfordert zuweilen kreative Lösungen. Hier kommt mit Erfolg verstärkt die Digitalisierung zum Einsatz. Es gibt etliche Sachthemen, die gut vermittelt werden müssen und zuweilen kontroverse Diskussionen aufrufen. So beschäftigt uns seit Jahren die Neugestaltung der Innenstadt. Permanent laufen wir der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuungsplätze hinterher. Die bauliche Verdichtung und die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum erfordern eben auch die passende Infrastruktur. Aber auch die Unsicherheit bei den Bürgern und Mitarbeitern angesichts von Klimawandel, Corona und kriegerischen Auseinandersetzungen erfordert ein stetiges Nachsteuern und Beruhigen.
Womit werden Sie sich noch auseinandersetzen müssen/wollen? Die vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, dass nicht alles planbar oder gar vorhersehbar ist. Aktiv angepackt wird derzeit vor allem die Verbesserung der Betreuungssituation für unsere Kinder und die Entwicklung unserer städtischen Schulen. Gemeinsam mit den Stadtwerken arbeiten wir zudem an einer Fernwärmeversorgung, die aus innovativer Geothermie-Technik gespeist werden soll. Außerdem sind wir nach wie vor erwartungsfroh gegenüber einer S-Bahn-Verlängerung aus München bis nach Geretsried, um die Metropolregion mit drei zusätzlichen S-Bahn-Haltestellen besser zu erschließen. Als Kommune sind wir dann schlussendlich für die erschließende Infrastruktur zuständig darunter P&R-Anlagen, Busbahnhöfe, Radlwege etc.
Haben Sie einen wichtigen Ratschlag für junge Kolleginnen und Kollegen? Egal was kommt, ein Bürgermeister sollte immer authentisch, geradlinig und stark in seiner Persönlichkeit sein. Wenn dann noch ein wacher Verstand und eine geschickte Rhetorik hinzukommen, wird man die meisten Sachverhalte und Situationen meistern können. Das ein oder andere kann man auch in speziellen Kursen erlernen oder üben. Hier ist insbesondere der Erfahrungsaustausch mit anderen Bürgermeistern nicht zu unterschätzen. Und … es ist vollkommen normal, dass einem anfänglich viele Gespräche mit unzufriedenen oder in Not geratenen Bürgern sehr zu Herzen gehen. Das ist auch gut so. Dieses große Maß an Empathie sollte man sich immer bewahren.
Wie beziehen Sie Kolleginnen und Kollegen / Bürgerinnen und Bürger / Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihre Arbeit und in Ihre Entscheidungsfindung ein? Meine Woche besteht fast ausschließlich aus Kommunikation. Egal, ob es die Meetings in der Verwaltung, feste Termine mit Stabsstellenleitern, Personalversammlungen, Bürgermeisterdienstbesprechungen, Bürgersprechstunden, Unternehmergespräche oder diverse Emails und Anrufe sind. Überall findet ein Austausch statt, der mich natürlich in meinen Entscheidungen beeinflusst bzw. bestätigt. Um für das Gemeinwohl der Stadt verantwortlich agieren zu können, bin ich auf die Meinungen der Menschen angewiesen. Ich suche diesen Austausch deshalb ganz gezielt und immer wieder aufs Neue. Gleichzeitig versuche ich mit der Verwaltung, bei Beteiligungsformaten mit der Zeit zu gehen. Gab es früher noch Frontalvorträge bei Bürgerversammlungen, sind es heute eher Infomärkte. Waren es früher analoge Workshops, begegnen wir den Bürgern heute hybrid oder führen Online-Befragungen durch. Wir passen unsere Formate dabei ständig an die jeweiligen Bedürfnisse an, um möglichst viele Menschen mitzunehmen. Eines aber muss man immer wieder betonen: wir versuchen so niederschwellig wie möglich anzubieten, das Angebot ergreifen und sich einbringen muss aber natürlich der Bürger selbst.
Wieviel Einfluss wird die Digitalisierung auf die künftige Kommunalpolitik haben? Das schließt an das eben Gesagte an: dank Corona haben sich zumindest in der Verwaltung bereits etliche Digitalisierungsschritte beschleunigt. In der Kommunalpolitik sehe ich diese Entwicklung noch nicht so deutlich. Natürlich gibt es seit geraumer Zeit digitale Sitzungsladungen und auch virtuelle Gesprächstermine. Um Sitzungen und auch Wahlen komplett digital zu machen, braucht es aber noch erheblich bessere und vor allem bezahlbare Technik und auch die entsprechenden kommunalrechtlichen Möglichkeiten.
Gibt es ein Lebensmotto, das Sie begleitet? Ich bin nicht der Typ für ein Lebensmotto aber ich nutze meine Zeit bestmöglich. Insofern trifft es „carpe diem“ vermutlich am ehesten.
Wie wollen Sie in Erinnerung bleiben? Wichtig ist schon mal, dass nichts Negatives in Erinnerung bleibt. Ich bin nicht der Typ, der sich wünscht, dass eine Turnhalle, eine Straße oder ein Spielplatz nach ihm benannt werden. Entscheidend ist doch, dass die Entwicklung der Stadt positiv voranschreitet und so für die Zukunft gewappnet ist. Wenn ich hier ein Quäntchen an Lebensqualität dazu beitragen kann, bin ich schon sehr zufrieden.
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