(GZ-7-2025 - 27. März) |
![]() |
Schulden sind der neue Chic! |
Deutschland lockert die Schuldenbremse für Panzer, Brücken und Energiewende. Klingt gut, meint Rathauskater Pino, doch Bürokratie und Blockiererunken drohen alles zu bremsen. Schulden sind international hip, aber wenn die Umsetzung stockt, bleibt nur Schopenhauers Durst nach Geld – und der Fortschritt auf der Strecke. |
In den letzten Tagen habe ich mir mal wieder eine Kinokomödie aus den 80er Jahren angeschaut. Marianne Sägebrecht in einem Film von Percy Adlon: Rosalie Goes Shopping. Die Handlung ist schnell erzählt. Die Oberbayerin Rosalie lebt nach ihrer Heirat mit einem GI im trostlosen Stuttgart (Arkansas) und füllt ihre leeren Tage mit hemmungslosem Konsum. Ob man die Verwicklungen nun lustig findet oder nicht, die sich daraus ergeben, dass sich Rosalie die ganzen schönen Dinge, die sie kauft, objektiv nicht leisten kann und deshalb in allerlei Tricksereien verfällt – zwei Sätze in dem Film stechen heraus und sind heute so zutreffend wie damals: Hast Du hundert Dollar Schulden, hast Du ein Problem. Hast Du eine Million Dollar Schulden, hat die Bank ein Problem. Deshalb sind wohl auch die meisten Experten so gelassen angesichts der eben beschlossenen Verfassungsänderungen. Modifizierung der Schuldenbremse für die Landesverteidigung im umfassenden Sinne, mehr Verschuldungsspielraum für die Länder und ein Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen im weitesten Sinne plus Energiewende – das hört sich zunächst wie ein Problem an. Aber aufgrund der zeitlichen Streckung und der guten finanziellen Ausgangslage der Republik dürfte sich die Gesamtverschuldung von derzeit ca. 65 v.H. des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf vielleicht 85 oder 87 v.H. steigern. Das verstößt zwar auch gegen die Maastricht-Kriterien, auf die seit den Kanzlerzeiten von Gerhard Schröder ohnehin alle nur pfeifen, ist aber meilenweit entfernt von der Verschuldung Japans mit 261 v.H. vom BIP, den USA mit 122 v.H. vom BIP oder Großbritannien mit 103 v.H. vom BIP. Insgesamt sind 35 von 189 Staaten, für die der Internationale Währungsfonds über zuverlässige statistische Angaben verfügt, mit 100 v.H. oder mehr vom BIP verschuldet. Schulden sind international also chic. Bei diesen Zahlen mutet es fast rührend deutsch an, wenn bei uns in den Debatten noch gefragt wird, wer denn die vielen neuen potenziellen Schulden einmal zurückzahlen soll. Oder glaubt jemand, Japan könnte die komplette Wirtschaftsleistung von zweieinhalb Jahren jemals zurückzahlen? Bei diesen Dimensionen geht es darum, ob man die Zinsen aufbringen kann. Wenn ja, bekommt man Geld geliehen, mit dem man auch die Tilgungen für frühere Schulden leisten kann. Wer jetzt den Begriff Schneeballsystem benutzt, hat einen Punkt. Allerdings können Staaten auch mit anderen Mitteln dafür sorgen, dass sie weiter zahlungsfähig bleiben, etwa mit Wirtschaftswachstum. Noch platter gesprochen: Es kommt nicht drauf an, möglichst wenig Staatsschulden aufzunehmen, sondern diese sinnvoll auszugeben. Und das ist der Punkt, an dem meine Fellhaare leicht ergrauen. Wir können noch so viel Geld in die Bundeswehr zu pumpen versuchen: Wenn wir weiterhin alle Regeln zu öffentlichen Ausschreibungen beachten müssen und jede Beschaffung über 25 Millionen Euro vom Haushaltsausschuss des Bundestages einzeln genehmigt werden muss, werden die ersten nicht schuldengebremsten Panzer nach der Invasion an einen General der neuen Roten Armee übergeben werden. Stichwort: Zu langsam, zu spät. Das gleiche bei der Infrastruktur. Schnelle, zielgerichtete und rasch umgesetzte Investitionen würden sicher den Wirtschaftsstandort stärken und Wachstum generieren. Aber wenn wir nicht gleichzeitig dafür sorgen, dass nicht weiterhin irgendwelche anonymen, staatsfinanzierten Lobbyverbände sinnvolle Investitionen gerichtlich über Jahrzehnte verhindern können, weil auf einem Grundstück die rotgrün gestreifte Blockiererunke haust, wird auch dieses Geld verpuffen. Zu langsam, zu spät. Hoffen wir also mal das Beste, dass die neue Regierung nicht nur die Kraft hat, Geld aufzunehmen, sondern auch die doppelte Kraft, Strukturreformen anzupacken. Denn nichts wäre schlimmer, als wenn es nach den Verfassungsänderungen nur noch so ginge, wie Arthur Schopenhauer einst meinte: „Das Geld gleicht dem Seewasser – je mehr man davon getrunken hat, desto durstiger wird man.“ |
Ihr Pino
Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen? |