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(GZ-1/2-2024 - 18. Januar)
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Die Koalition der Frühaufsteher

Die Anliegen der Bauern, Handwerker und Spediteure seien klar nachvollziehbar, während die Klimakleber doch eher abstrakt bleiben. „Symbolisch“, so der Rathauskater Pino, „stehen die derzeitigen Protestbewegungen auch für die Spaltung der Gesellschaft in diejenigen, die fest daran glauben, dass ihr Denken, Sprechen und Handeln untrennbar mit dem Heil der Welt verknüpft ist. Und denjenigen, die es satt haben, ständig von ersteren belehrt zu werden.“

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es oftmals nicht dasselbe. Ein schöner Kalenderspruch, dessen Richtigkeit sich dieser Tage zeigt, wenn man das Echo auf die Bauernproteste in einigen Medien und der Bundesregierung hört und dies mit den Reaktionen auf die ‚Klimaaktionen‘ derer, die sich als ‚Letzte Generation‘ bezeichnen, vergleicht.

Die Klimakleber und Kulturstättenbesudler der Letzten Generation gelten ja vielen Intellektuellen, Kunstschaffenden und Medienleuten als aufrechte Aktivist:innen, die in einem verzweifelten Kampf gegen die Erderwärmung zivilen Ungehorsam leisten, indem sie sich an Straßen kleben oder Kulturgüter mit oranger Farbe verunzieren. Die Bauern, die jetzt etwas mehr als eine Woche gegen die von der Bundesregierung gewohnt überfallartig verfügte Einkommenskürzung durch Streichung von fest eingeplanten Zuschüssen protestieren, werden dagegen von vielen in eine rechte Schmuddelecke gedrängt, da durch sie etwas in diesem Land „ins Rutschen“ käme. Gegnerschaft zur Regierungspolitik als Tatbestand der Majestätsbeleidigung, der mit Stigmatisierung bestraft wird.

Interessant ist, dass das von den Bürgerinnen und Bürgern hierzulande wohl etwas anders gesehen wird. Als die Traktoren und Schlepper bei uns in der Stadt ihre Kreise zogen (angekündigt und hoch diszipliniert), da standen die Leute am Straßenrand und winkten, obwohl der Lärm der Signalhörner schon extrem unangenehm war und der Verkehr natürlich behindert wurde. Doch es fuhren noch andere mit: Transportunternehmer etwa, die kalt durch die höheren CO2-Abgaben und neue Formen der LKW-Maut erwischt wurden. Handwerker, deren Tage mittlerweile immer öfter so ausschauen, dass nach acht Stunden Arbeit beim Kunden oder in der Werkstatt noch vier Stunden im Büro für irgendeinen Bürokratieklimbim abzusitzen sind.

Der Bürgermeister, der so freundlich ist, mich als Dank für meine bloße Anwesenheit auf Erden durchzufüttern, nennt das die „Koalition der Frühaufsteher“, nämlich derer, die sich für ihren Lebensunterhalt noch immer krummlegen und damit auch für unser aller Wohlstand und Wohlergehen sorgen. Ja, unser Wohlergehen liegt in der Hand dieser typischen, aber nicht überall geschätzten Mittelschicht. Denn auch der Hafer, der in der milchartigen Flüssigkeit verarbeitet ist, mit dem Hipster ihren Kaffee zu pantschen pflegen, musste einmal von einem Bauern ausgesät, gepflegt und geerntet werden.

Kein Wunder, dass sich andere, die sich auch in der Kunst der Eigenverantwortung üben, mit dieser Koalition der Frühaufsteher identifizieren können. In Befragungen geben bis zu 80 Prozent an, Verständnis für den Bauernprotest zu haben. Sog. Klimaproteste akzeptiert dagegen nur eine Minderheit. Das mag einerseits daran liegen, weil die Bauern zwar Straßen blockieren, aber z.B. bei Notfalleinsätzen für Rettungswagen oder die Feuerwehr diese wieder räumen, während allein in Berlin je nach Zählweise zwei oder drei Unfallopfer verstarben, weil Rettungskräfte wegen Klimablockaden ausweglos im Stau standen.

Zudem sind die Ziele der Bauern, Handwerker und Spediteure klar nachvollziehbar: Weniger Belastung der eigenen Leistung, während die Klimakleber doch eher abstrakt bleiben. OK, der Klimawandel ist real, aber er wird nicht dadurch verhindert, dass die Deutschen sich in Erdlöcher zurückziehen, nur mehr zu Fuß gehen und allesamt Veganer werden, solange Indien, China und Südafrika wie blöde Kohle verbrennen, Brasilien den Amazonas abholzt und Russland einen alles andere als CO2-neutralen Angriffskrieg führt (um nur mal die antiwestlichen BRICS-Staaten zu beleuchten).

Im Ergebnis stehen die derzeitigen Protestbewegungen symbolisch auch für die Spaltung der Gesellschaft in diejenigen, die fest daran glauben, dass ihr Denken, Sprechen und Handeln untrennbar mit dem Heil der Welt verknüpft ist. Und denjenigen, die es satthaben, ständig von ersteren belehrt zu werden, wie man sich zu ernähren, zu kleiden, zu benehmen, wie man zu sprechen und welche Ansichten man zu vertreten habe.

Ist die Spaltung neu? Nein, Kanzler Schröder hat schon vor gut 15 Jahren in Vilshofen gesagt: „Ihr (Bauern) habt zu 85 Prozent CSU gewählt. Ändert das. Dann wird’s besser für euch.“

Ihr Pino

Pino

 

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