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(GZ-7-2023)
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Mit Vollgas in den Nebel namens Zukunft

Kö­nigs­be­such in Deutsch­land. Für unseren Pino die Ge­le­gen­heit, Abstand von der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Tris­tesse zu ge­win­nen. Warum aber der Bun­des­kanz­ler zum royalen Abend­es­sen nicht er­schie­nen ist, das liege nicht am ver­ord­ne­ten Frack­zwang. Wahr­schein­lich, so mutmaßt der Kater, hätte er le­dig­lich ver­ges­sen, wo die Ein­la­dungs­kar­te liegt.

 

Was war das für eine Woche, diese ver­gan­ge­ne Woche. 30 Stunden atem­lo­se Span­nung bei den Ko­ali­ti­ons­ge­sprä­chen und dann noch der Besuch von König Karl, der Dritte dieses Namens, aus London, der als obers­ter Good­will-Bot­schaf­ter der bri­ti­schen Re­gie­rung auf dem Kon­ti­nent gut Wetter für sein vom Brexit ge­beu­tel­tes und mangels Han­dels­ab­kom­men öko­no­misch zer­rüt­te­tes Land machen will. OK, ei­gent­lich wäre Frank­reich vor Deutsch­land auf dem Pro­gramm ge­stan­den (dort herrscht aber, wie man so schön sagt, soziale Unrast), aber hier gilt das gleiche wie für schöne Po­si­tio­nen bei einer Orts­ver­bands­wahl: Wichtig ist nicht, als Erster gefragt worden zu sein, sondern als Erster ja gesagt zu haben.

So hatten wir also das Ver­gnü­gen, für drei Tage einen etwas tüt­te­li­gen, aber char­man­ten Gast im Land zu haben, der keine sich ihm hin­stre­cken­de Hand igno­rier­te und sich im Hin­blick auf das deut­sche Faible für „Dinner for one“ durch­aus als Lan­des­ken­ner empfahl. Aber ei­gent­lich kam da ja auch ein alter Be­kann­ter, der schon seit vielen Jahren zu immer anderen Ge­le­gen­hei­ten sein Land, seine Mutter oder irgend ein An­lie­gen hier vertrat. So mancher Leser der Herz­blatt­ge­schich­ten­blät­ter ist mit ihm alt ge­wor­den auf seiner Reise vom jungen Prince of Wales über den Mann von Diana und den Papa von William zum ewigen Thron­fol­ger, der in einem Alter König wurde, in dem andere schön langsam ver­su­chen, ihre Eh­ren­äm­ter in jüngere Hände zu geben.

Obwohl er noch nicht gekrönt ist, wurde sehr viel pomp and cir­cum­stan­ces um den Besuch gemacht. Naja, Krö­nun­gen wollen ja gut vor­be­rei­tet sein, mit all dem Mer­chan­di­sing drum herum, den Fern­seh­rech­ten, Tee­tas­sen und Son­der­brief­mar­ken rund um den Globus. Da geht schon mal unter, dass nach den alten Vor­stel­lun­gen des Got­tes­gna­den­tums erst die Salbung aus einem ge­wöhn­li­chen Men­schen einen von Gott er­wähl­ten Herr­scher macht. Das bri­ti­sche Salböl (gute Frage: ist es nun eng­lisch oder schot­tisch?) wurde ja auch schon in Je­ru­sa­lem gemixt (kleiner tut es das ehe­ma­li­ge Empire nicht).

Aber sä­ku­la­ren Re­pu­bli­ka­nern fehlt wohl der Sensus für derlei Spitz­fin­dig­kei­ten. So wurde aber zum Abend­es­sen beim Bun­des­prä­si­den­ten als Dress­code Frack ver­ord­net. Ganz schön heavy für ein Land, dessen Spit­zen­po­li­ti­ker oftmals das Binden einer Kra­wat­te nicht mehr be­herr­schen. Kein Wunder, dass die Re­gie­rungs­spit­zen außer dem stil­si­che­ren Fi­nanz­mi­nis­ter eher durch Ab­we­sen­heit auf­fie­len. Bei Scholz ist al­ler­dings zu seiner Ent­schul­di­gung zu ver­mu­ten, dass er ver­ges­sen hatte, wo die Ein­la­dungs­kar­te liegt.

Sen­sa­tio­nell an diesem Besuch war auch, dass es die Deut­sche Bahn ge­schafft hat, die Staats­gäs­te pünkt­lich mit dem ICE auf der doch her­aus­for­dern­den Strecke Ber­lin-Ham­burg zu trans­por­tie­ren. Diese Ge­schich­te ist noch lange nicht aus­er­zählt und wird sicher noch jah­re­lang im Kreise der wegen Stell­werks­stö­run­gen, Gleis­bau­ar­bei­ten oder wegen einer sons­ti­gen der gefühlt 400 Aus­re­den der Bahn ir­gend­wo im Nir­gend­wo ge­stran­de­ten Fahr­gäs­te erzählt werden.

So konnten die Men­schen beim Blick in den Fern­se­her, die Zeitung oder auch die Ti­me­li­ne in ihrem Smart­pho­ne ein biss­chen Abstand ge­win­nen von der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Tris­tesse. Denn wer die Nach­rich­ten rund um den Staats­be­such ver­folgt hat erkennt, dass dieses Land mit Vollgas in einen Nebel fährt, der Zukunft heißt und nur ein Amulett am Rück­spie­gel baumeln hat, auf dem „viel­leicht“ steht. Viel­leicht haben wir in Zukunft ge­nü­gend Energie aus Wind und Sonne, viel­leicht gelingt es uns, er­zeug­ten Strom auch zu spei­chern, viel­leicht geht die In­fla­ti­on ja auch mal im Bereich der Grund­nah­rungs­mit­tel zurück, viel­leicht sind ja andere Länder auch so blöd wie wir und steigen vom un­ter­neh­me­ri­schen Wagemut auf staat­li­che Gän­ge­lung um, viel­leicht haben auch andere Länder keinen Bock mehr auf In­no­va­ti­on.

Bei so viel Trost­lo­sig­keit al­lent­hal­ben hilft royaler Glanz bei der Ab­len­kung. Da hält es die Bun­des­re­gie­rung wohl mit Winston Chur­chill: „Mit dem Geist ist es wie mit dem Magen: Man sollte ihm nur Nahrung zumuten, die er ver­dau­en kann“.

Ihr Pino

Pino

 

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