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(GZ-6-2023)
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Das Kaufhaus hat keine Zukunft mehr

Das Kaufhaus ist als Konzept untrennbar mit dem deutschen Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit verknüpft und wird daher hoch emotional gesehen. Aber das wird dem Kaufhaus nicht helfen, so Pino, der Rathauskater. Scheußliche Konsumtempel, Internetbestellmöglichkeiten und nicht zuletzt das Ladenöffnungsregime sind dafür verantwortlich, dass das Kaufhaus keine Zukunft hat.

Es war offenkundig ein Schock für viele Menschen in diesem Land, dass nach der Insolvenz in Eigenverwaltung einer großen Modehauskette jetzt auch noch ein wahrhafter Kahlschlag unter den Warenhausstandorten eines Traditionshandelshauses vonstattengehen soll. Gut, unser Städtchen ist zu klein, um jemals der Standort eines solchen Konsum-Dickschiffs gewesen zu sein, aber natürlich gehörte auch für viele bei uns der Besuch eines Kaufhauses zu einem Einkaufstrip in die nächstgelegene Metropole einfach dazu.

Ja, es scheint nicht übertrieben, wenn man sagt, dass das Kaufhaus, obwohl dahinter eigentlich ein Konzept aus dem 19. Jahrhundert steht, untrennbar zum deutschen Wirtschaftswunder der Wiederaufbaujahre dazu gehört. Ikonisch und aus keiner Dokumentation über den wachsenden Wohlstand der Nation wegzudenken sind die schwarz-weiß-Aufnahmen der die Kaufhäuser stürmenden Massen am ersten Tag des Sommer- oder Winterschlussverkaufs, die verbissenen Mienen der Damen an den Wühltischen, die verbilligte Leibwäsche für den Gatten zu fassen bekommen wollten oder die mit Tüten schwer bepackten Wochenendeinkäufer.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Kaufhäuser zeigt sich ja bis heute in der Brutalo-Architektur, die sie in den Innenstädten durchsetzen konnten. Man denke nur an den Betonklotz am Münchener Marienplatz, der sowohl dem ästhetischen Empfinden, als auch dem Ensembleschutz voll in die Fresse gibt. Trotzdem wurde der Bau genehmigt, wie so viele andere gleich scheußliche Konsumtempel all überall im Land.

Das Kaufhaus als solches ist also emotional hoch belegt. Deshalb ist die Schließungsankündigung wohl auch ein so großes Thema in den Nachrichten und für die Kommunalpolitik der betroffenen Städte. Dabei sage ich als Kater der viel Zeit und Muße hat und die Zeitläufte wie die Menschen intensiv studiert: Das Kaufhaus hat keine Zukunft mehr.

Denn die erste und wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist: Warum sollte man sich für ganz normale Dutzendware auf den Weg in die Stadt machen, wenn man diese Ware bequem, in viel größerer Auswahl und im Zweifel billiger im Internet bestellen kann?

Verstärkt wird diese Frage durch zwei Faktoren, von denen einer sehr deutsch ist: Das Ladenöffnungsregime. Unbestreitbar ist es für die Beschäftigten von Läden und Warenhäusern sehr angenehm, dass die Häuser nur reglementierte Öffnungszeiten haben, jedenfalls solange sie ihren Job deswegen nicht verlieren.

Denn warum soll ich mich nach Feierabend oder noch schlimmer am Samstag abhetzen, um vor Ladenschluss noch ein Badetuch, eine beschichtete Bratpfanne und eine Rolle Geschenkpapier zu besorgen, wenn ich das auch ganz entspannt nach dem Abendessen und der Tagesschau oder am Sonntag im Netz erledigen kann? Und warum soll ich mich mit sperrigen Einkaufstaschen in den Bus quetschen und klaustrophobische Anfälle bekommen? Denn die Autos werden ja aus den Innenstädten verbannt und die Parkhäuser am Stadtrand kosten so viel, da kann man sogar bei Netzanbietern bestellen, die noch Versandgebühren nehmen.

Nein, das Einkaufserlebnis Innenstadt bedeutet heute nicht mehr, in ein Kaufhaus zu gehen, alles Mögliche dort zu finden und sich im Schnellrestaurant in der obersten Etage mit einem Jägerschnitzel zu belohnen. Die Innenstadt der Zukunft hat Spezialgeschäfte, die Dinge führen, die man nicht so ohne weiteres im Netz findet oder dort kaufen will. Der Flaneur will raffinierte und gute Gastronomie vorfinden. Der Abstecher in eine Kunstausstellung gehört
oftmals dazu, nie mehr aber der Wühltisch und das Schnäppchenschlagen.

Klar, auch diesen Übergang muss man sanft gestalten, vor allem für die Beschäftigten. Aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben, als wäre mit dem kleinen Sieg des Erhalts eines Kaufhausstandorts ein Konsumkrieg gewonnen. Ich halte es da klar mit Sophokles: „Der Himmel hilft niemals solchen, die nicht handeln wollen.“

Ihr Pino

Pino

 

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