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(GZ-23-2022)
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Das verpflichtende Dienstjahr ist ein totes Pferd

Ein Dienstjahr à la Steinmeier wäre ein ungerechtes Ausnützen einer Generation, der jetzt drei Jahre viel zugemutet wurde und die – Stichwort unbezahlbares Rentensystem, unterfinanziertes Gesundheitswesen – in Zukunft eh die Gelackmeierten der derzeitigen politischen Weichenstellungen sein wird, findet unser Rathauskater Pino.

Es gibt ja sowas wie politische Evergreens, die immer wieder abgespielt werden, weil sie so unmittelbar ein Gefühl ansprechen, obwohl ihr Text kompletter Unfug ist. Dazu gehört für mich aus der Distanz der die Menschen und die Lage des Landes beobachtenden Katze das verpflichtende Dienstjahr, auf dem Bundespräsident Steinmeier seit Monaten permanent herumreitet wie auf dem sprichwörtlichen toten Pferd.

Vereinfacht ausgedrückt soll jeder und jede in dieser Republik irgendwann in Laufe des Lebens ein Jahr lang so genannte gesellschaftlich relevante Arbeit leisten – was immer das sein mag. Angesichts der Weltlage kommt einem natürlich insbesondere der Dienst in der Bundeswehr in den Sinn, wobei zwölf Monate Ausbildungs- und Einsatzzeit wohl etwas knapp bemessen sind. Als sozialdemokratischer Nostalgiker dürfte Steinmeier aber wahrscheinlich eher an Alten- und Pflegeheime, Kindergärten und Horte denken, also die früheren Zivi-Oasen.

Etwas moderner wären Einsätze bei der Waldarbeit, der Renaturierung von Gewässern oder der Rekultivierung von Moorflächen. Ich persönlich halte aber auch Arbeiten wie die Ausübung des Amtes eines Bürgermeisters, die Tätigkeit einer Ärztin, einer Erzieherin oder eines Lehrers, eines Polizisten oder einer Richterin für gesellschaftlich durchaus relevant und wertvoll. Das gilt aber auch für alle anderen, die in Produktion oder Dienstleistung für den Wohlstand arbeiten.

Auch deshalb ist natürlich die Vorstellung ziemlich weltfremd, solch ein Dienstjahr in jedem Alter ableisten zu können. Wer kann es sich zwischen Kindern und Karriere schon leisten, ein Jahr für lau auszusteigen. Auch Rentnern dürfte man ein weiteres Jahr Maloche (diesmal unbezahlt) kaum zumuten und volkswirtschaftlich wäre es eh besser, wenn jeder im Alter ein Jahr mehr am Erwerbsleben teilnehmen würde.

Also wird diese Idee wieder mal allein an den Jungen hängen bleiben und an ihnen ausgelassen. Die CDU macht sich hier mit ihrem auf dem letzten Parteitag beschlossenen Gesellschaftsjahr wenigstens ehrlich – das soll den verwöhnten Blagen nach der Schule endlich Orientierung geben.

Da sieht man sie doch plötzlich leibhaftig vor sich, die Heerscharen von Abiturienten, die so orientierungslos vor sich hinleben, dass sie ein Sabbatjahr auf einer australischen Schaffarm oder in der Surfschule am Roten Meer brauchen. Blöd nur, dass das alles Klischees der Vorcoronazeit sind, denn seit langem heißt es für die jungen Leute, nach dem Abi ist vor der virtuellen Vorlesung im Hotel Mama, weil es weder Auslandstrips gab, noch Präsenzunterricht an der Uni.

Zudem dürfte das Dienstjahr wohl erst ab 18 in Frage kommen, so dass all die jungen Leute, die nach der Mittel-, Real- oder Wirtschaftsschule eine Lehre machen, für ein Jahr aus dem Beruf raus sollen. Da streiten die Gewerkschaften für Übernahmegarantien für Azubis, die ganze Volkswirtschaft stöhnt unter einem gigantischen Fachkräftemangel und dann soll ein ausgebildeter Geselle (Stichwort Montage von Solaranlagen oder modernen Heizungssystemen) erst mal ein Jahr Orientierung im Wald oder im Heim suchen. Geht’s noch?

Ich finde es großartig, wenn man junge Menschen motivieren und begeistern kann, sich für einen sozialen Beruf in der Pflege oder in der Erziehung zu entscheiden. Jeder, der sich der Landschaftspflege oder dem Naturschutz beruflich widmet, hat meinen Respekt. Auch der Dienst in den Streitkräften bekommt ja Gott sei Dank wieder ein besseres Image. Aber soll man wirklich glauben, dass auch nur einer oder eine, die an diesen Berufen kein Interesse hat, sich dahin orientiert, wenn er oder sie dazu gezwungen wird. Nein, ein Dienstjahr à la Steinmeier wäre nur ein ungerechtes Ausnützen einer Generation, der jetzt drei Jahre viel zugemutet wurde und die – Stichwort unbezahlbares Rentensystem, unterfinanziertes Gesundheitswesen – in Zukunft eh die Gelackmeierten der derzeitigen politischen Weichenstellungen sein wird.

Im Übrigen gilt, was Goethe einst so formulierte: „Wenn man von Leuten Pflichten fordert und ihnen keine Rechte zugestehen will, muss man sie gut bezahlen.“

Ihr Pino

Pino

 

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