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(GZ-4-2022)
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Historische Bürde oder staatliches Interesse

Warum kann Deutschland an Ägypten Waffen liefern, aber nicht an die Ukraine? Deutschland stünde doch aus seiner Geschichte heraus in der Verantwortung, gerade unter den Nachfolgestaaten der Sowjetunion für Frieden zu sorgen. Pino erklärt sich die deutsche Zurückhaltung mit einem Zitat von Charles de Gaulle: „Staaten haben keine Freunde, sie haben Interessen“. Der Rathauskater glaubt an die Stärke der Diplomatie.

Zu den unbedingten Vorteilen eines Katzenlebens gehört es, über sehr viel freie Zeit zu verfügen, die man sinnvoll nutzen kann. Die Nahrungsbeschaffung übernimmt ja der Mensch, jagen ist also nur ein Freizeitvergnügen. Alle anderen Daseinssorgen werden einem auch abgenommen und das einzige, was man eigentlich selber tun muss, ist die Fellpflege und die Maniküre mittels kratzen – beides ein genussvolles Ritual.

Was ich wirklich bedauere ist, dass ich nicht lesen kann. Der Bürgermeister ist ein ausgesprochen vielseitig interessierter Mann, der eine bemerkenswerte Bibliothek sein eigen nennt. Vor allem in den historischen Werken, Biographien und Geschichtsmonographien würde ich zu gerne mal blättern. Aber man kann ja ausweichen auf Podcasts, YouTube-Videos, das Fernsehen und aufs Radio. Da gibt es immer wieder interessante Beiträge und Sendungen zu den unterschiedlichsten Epochen und mein Katerhirn wird dadurch durchaus immer wieder angeregt, über die vielen historischen Reminiszenzen, Vergleiche und Metaphern nachzudenken, die so durch die politische Diskussion schweben.

Schauen wir uns doch einmal die derzeitige Krise um die Ukraine an. Da weigert sich die Bundesregierung das zu tun, was alle unsere Verbündeten tun, nämlich Waffen in die Ukraine zu liefern und Soldaten in die ost- und südosteuropäischen EU- und NATO-Partnerländer zu verlegen. Weil – jetzt kommts – Deutschland eine historische Bürde trage. Wenn man die Geschichte von der dritten polnischen Teilung bis zum Zweiten Weltkrieg überblickt, wäre es wahrscheinlich die erste und wichtigste Verpflichtung, die Deutschland hat, Polen und das Baltikum zu schützen – durch Truppen und Gerät.

Natürlich hat Russland nach dem deutschen Angriffskrieg 1941 einen schrecklichen Blutzoll an Gefallenen und zu Tode geschundenen Kriegsgefangen zu beklagen gehabt. Aber das hatten alle Völker der Sowjetunion – von Kasachen über Armenier bis zu Usbeken, von Ukrainern über Belarussen bis zu Georgiern. Letztere drei Völker klagen derzeit über russische Aggressionen. Zuerst verwüstet wurden Belarus und die Ukraine, Minsk zum Beispiel wurde anders als Moskau im Krieg vollständig zerstört. Die ersten Zivilisten, die unter dem Überfall litten, waren Belarussen und Ukrainer, in diesen Republiken wurde als erstes die jüdische Bevölkerung vernichtet.

Also wäre eigentlich doch die Lehre aus der Geschichte, dass Deutschland alles tun muss, um den Frieden zwischen den Nachfolgestaaten der Sowjetunion aufrecht zu erhalten, oder? Und wenn das mit Hilfe von Waffenlieferungen möglich ist, weil damit eine Unterlegenheit ausgeglichen werden kann ... .

Aber da ist ja auch noch der erste Lehrsatz der Realpolitik, den Charles de Gaulle einmal in die Worte gefasst hat „Staaten haben keine Freunde, sie haben Interessen“. Wenn es Deutschlands Interessen nutzt, liefert es Waffen bis zum Abwinken, etwa nach Ägypten, das der zuverlässige Stabilitätsanker in einer der unruhigsten Weltgegenden ist. Wir wollen da Ruhe, also versetzen wir ein Partnerland dazu in die Lage – das ist Realpolitik und anders als politische Romantiker meinen, ganz und gar nicht verwerflich. In Russland haben wir halt andere Interessen – Öl und Gas. Wie man aber erstaunt hören konnte, hat die deutsche Außenministerin beim ersten Moskau-Besuch auch die Frage einer Aufforstung in Russland diskutiert – weil das so schön viel CO2 binden würde, wenn die unendlichen russischen Wälder noch etwas unendlicher würden.

Vielleicht sollen so die Bäume kompensiert werden, die in deutschen Wäldern wegen des Baus von Windrädern gefällt werden müssen? Ich weiß es nicht. Aber wenn man sich angesichts von riesigen Truppenkonzentrationen, Manövern zu Lande, in der Luft und auf drei Meeren über forstwirtschaftliche Fragen austauschen kann, gibt dies dem Begriff von der Softpower eine ganz neue Bedeutung.

Ich glaube an die Stärke der Diplomatie und ich glaube nicht daran, dass die Russen ein aggressives Volk sind. Aber dennoch sollten alle die Worte von Camilo José Cela bedenken: „Es gibt zwei Klassen von Menschen: Die, die Geschichte machen und die, die sie erleiden.“

Ihr Pino

Pino

 

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