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(GZ-14-2021)
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Was heißt schon Brückentechnologie?

Endlich ist es da, das erste rein elektrische Dienstfahrzeug der Stadt. Ob es sich angesichts immer neuer Technologien schon überholt hat, da zeigt sich der Bürgermeister entspannt. Er meint, dass Fortschritt ein ewiges Aneinanderreihen von Brückentechnologien wäre, da das Bessere nun einmal der Todfeind des Guten sei.

„Ein großer Tag für die Elektromobilität in unserer Stadt.“ Der Bürgermeister nahm feierlich die Schlüssel für das erste rein elektrisch betriebene Dienstfahrzeug in unserer Stadt entgegen – wenn man mal von den Elektrokarren absieht, mit denen der Bauhof die Mülleimer in den Parks und am Friedhof lehrt.

Nein, jetzt haben wir ein richtiges E-Auto aus weiß-blauer Produktion und mit grünem Herzen, denn zugleich wurden in der Rathausgarage und auf dem Parkplatz vor dem Rathaus jeweils zwei moderne Ladestationen eingeweiht, die von unseren Stadtwerken mit grünem Strom versorgt werden. Ökologischer geht es nicht.

Unter uns: Es wurde Zeit. Zwar ist Bayern bundesweit unangefochten Nr. 1 was die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlich zugänglichen E-Ladesäulen für Elektrofahrzeuge angeht, aber unsere Stadt hat dazu bis dato keinen entscheidenden Beitrag geleistet. Nur am Bahnhof hatten die Stadtwerke eine Testsäule eingerichtet, die an Monstrosität und Hässlichkeit kaum zu überbieten ist.

Sie verfügt über vier Anschlüsse für unterschiedliche Ladesysteme, ist aber so dämlich situiert, dass maximal zwei Autos parallel laden können – sofern die Fahrer über exzellente Rangierfähigkeiten verfügen. Ansonsten gibt es in der Stadt nur private Ladesäulen sowie einige an Supermärkten, Ausflugsgaststätten und Hotels.

Jetzt geht es aber Schlag auf Schlag: In allen städtischen Parkgaragen und Parkplätzen werden mindestens zwei Ladepunkte eingerichtet, vor dem Kundenzentrum der Stadtwerke, vor der Sparkasse und vor der Raiffeisenbank ebenso. Einzelhändler werden ermuntert, ihren Kunden Lademöglichkeiten zu bieten. Unsere Stadt will also mit Wrap-Geschwindigkeit die rote Laterne der Elektromobilität loswerden und zur grünen Avantgarde aufschließen.

Möglich wurde diese Entwicklung, weil der Bürgermeister mit einer flammenden Zukunfts-Rede endlich seine ganze Fraktion auf Linie bringen konnte. Bis dato hatten noch ein paar Nostalgiker große Bedenken, die eisern am Verbrenner festhalten wollten und im Elektroauto bestenfalls eine Übergangstechnologie, aber nicht die Zukunft sahen.

Das alles waren sehr deutsche Debatten und erinnerten schmerzlich an das Bonmot über Kaiser Wilhelm II., der dem Automobil skeptisch gegenüberstand und angeblich sagte „ich setze aufs Pferd“. Überhaupt, was heißt schon Brückentechnologie. Das Pferd war die Brückentechnologie zum Verbrennungsmotor, die Dampfkraft die Brückentechnologie hin zur Elektrizität. Der Fortschritt ist, wenn man so will, ein ewiges Aneinanderreihen von Brückentechnologien, da das Bessere nun einmal der Todfeind des Guten ist. Werden die Menschen in Zukunft mit Wasserstoff fahren? Wird es umweltfreundliches syntetic fuel geben? Möglich und ich würde es mir für den Planeten wünschen, aber bis dahin ist es besser, die Mobilität mit Hilfe von erneuerbar erzeugtem Strom zu organisieren, als mit Benzin und Diesel.

Ja, so ein Stromer hat noch Nachteile gegenüber einem konventionellen Auto. Die Ladezeiten sind länger als ein Tankstopp und man findet noch nicht überall Ladesäulen. Aber Katzen erzählen sich von Generation zu Generation hinweg Geschichten. Eine handelt von dem wütenden Widerstand gegen Fritz Zimmermann bei der Einführung des Katalysators für Autos. Es hieß, weil man bleifreies Benzin braucht, könnte man nicht mehr nach Italien fahren, Reisen würden erschwert und müssten sorgfältig geplant werden. Und dann hat es doch die alte Tante Marktwirtschaft gerichtet – die Deutschen fuhren nach Italien und die italienischen Tankstellen hatten benzina senza piombo.

Der Bürgermeister setzt somit ganz nach dem Lehrbuch auf die Attraktivität von E-Autos und befriedigt die Nachfrage nach Ladestationen. Gestärkt aus dem Kampf mit der Fraktion sagt er es mit dem französischen Politiker Pierre Mendès-France: „In der Politik ist es wie in der Elektrizität: Wo es Kontakt gibt, gibt es auch Spannungen.“

Ihr Pino

Pino

 

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