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(GZ-24-2016)
Neues von Sabrina
 
Textile Weihnachtsfreuden

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Leute, habt ihr jemals ein so hässliches Ding gesehen?“ Mein Chef, der Bürgermeister, hielt lachend einen tannenbaumgrünen Pullover hoch, auf dessen Vorderseite ein rotbenastes Rentier prangt, das sich an einem Glühweinstand die Kante gibt. Dazu die Unterschrift „Das Geheimnis von Rudolf’s roter Nase“.  

Die Kinder des Bürgermeisters haben ihm das absolute Must-have der Xmas-Season 2016 geschenkt: einen Weihnachtspullover. Wie man bis hin zum falsch gesetzten Apostrophen in der Aufschrift unschwer erkennen kann: Der Trend kommt aus Amerika. Dort allerdings hat er fast schon sich selbst karikierende Züge angenommen, einschließlich eines so genannten National Ugly Christmas Sweater Day, an dem sich vor allem junge Leute und Hipster darin zu übertrumpfen suchen, wer den schrägsten, peinlichsten oder geschmacklosesten Weihnachtspullover ever sein Eigen nennt. Dieses Jahr ist die Manie voll in Europa angekommen, einschließlich einer Kollektion für die britische Königsfamilie bei Madame Tussaud mit einem Pärchenpulli für William und Kate.

Dabei ist doch der Pullover, vorzugsweise in der Ausprägung aus dicker Schafwolle, gedeckten Farben und Runenornamentmuster, geradezu ein Markenzeichen für Wintergemütlichkeit und heimeliges Beisammensein bei Kerzenschein. Ja, der gute, alte Norwegerpulli, der oft ein Islandpullover ist, dessen Zackenornamente angeblich Runenzeichen sind, die seit der Wikingerzeit halfen, Familienclans zu unterscheiden, ganz ähnlich den Tartans in Schottland. Er hat die 68er bei ihren Demos und endlosen Diskussionen in schlechtgeheizten Hörsälen gewärmt und eine ehrbare Form der Handarbeit in den Rang einer politischen Bekenntnistat erhoben: Das Stricken.

Wer erinnert sich nicht an die Fernsehbilder von Parteitagen und Versammlungen ehemals sich alternativ verstehender Gruppierungen, auf denen die Stricknadeln so heiß liefen wie die Grundsatzdebatten und bullige Männer mit wilder Mähne, mächtigem Bart und Händen wie Pizzatellern sich auf das Spiel zweier dünner Nadeln konzentrierten, die sie wie zerbrechliches Porzellan zwischen Daumen und Zeigefinger hielten.

Und tatsächlich: Wenn ich mir den Pullover des Bürgermeisters genauer anschaue, die etwas ungleichen Ärmellängen, die unsaubere Naht unter der linken Achsel, die insgesamt etwas sackartige Anmutung: Das Ding ist selbst gestrickt. Wie rüh-rend – nichts geht über Selbst-gemachtes im Advent und unterm Weihnachtsbaum. Nebenbei spart man sich einen Haufen Geld, denn ein anständiger Marken-Weihnachtspulli kann leicht an die 400 Euro kosten.

Obwohl in diesem Jahr das Weihnachtsgeschäft brummt und die Einzelhändler in der Innenstadt trotz Online-Konkurrenz sich überschlagen mit Umsatzrekorden, ist auch das festzustellen: Zum Fest 2016 wurde gebastelt, gehäkelt und gestrickt wie seit Jahren nicht. Trendforscher meinen zu wissen, dass ein Viertel der Deutschen sich an etwas Eigenem versucht habe, von Schneidern, Batiken bis Stricken ist hier vor allem der Textilbereich groß im Kommen. Ich gestehe: Ich bin bei den 25 Prozent nicht dabei, außer das gelegentliche Annähen eines Knopfes an eine Bluse würde mitzählen.

Mein Chef, der Bürgermeister, hat sich vor allem riesig gefreut, dass seine Kinder sich für ihn so viel Mühe gegeben haben. Was machen da kleine handwerkliche Fehler aus oder was stört das etwas unorthodoxe Motiv? Beim Chef kann es Weihnachten werden und ich schicke ihm noch einen Gedanken von Martin Luther King als Brücke ins neue Jahr: „Die Botschaft von Weihnachten: Es gibt keine größere Kraft als die Liebe. Sie überwindet den Hass wie das Licht die Finsternis.“

Verehrte Leserin, geehrter Leser – lassen Sie sich von den schlechten Nachrichten und düsteren Vorhersagen der letzten Tage nicht die Freude an den Festtagen und die Vorfreude auf das Neue Jahr verderben. Das, was wir nicht beeinflussen können, kommt sowieso und aus dem Rest kann man mit Optimismus und Tatkraft immer noch das Beste machen!

Frohe Feiertage und ein erfolgreiches 2017 wünscht Ihnen

Ihre Sabrina

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