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(GZ-23-2016)
Neues von Sabrina
 
Schöne neue Cyberwelt?

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Also das mit dem Cyberangriff auf die Telekom ist ja wohl der Hammer. Berichte über die Bedrohungen durch Kriminalität im Internet, durch Manipulationen der Meinungsbildung mittels Trollen und Attacken von Cyber-Terroristen sind ja derzeit an der Tagesordnung, aber persönlich so nah habe ich die Gefahr noch nie gespürt.“ 

Mein Chef, der Bürgermeister, gehörte zwar auch privat nicht zu den rund 900.000 Betroffenen, deren Router manipuliert werden sollten, aber nicht zuletzt durch die auch im Rathaus immer wieder auszuführenden Sicherheitschecks ist er doch aufs Höchste sensibilisiert.

Ehrlich gesagt, ich kann ihn verstehen. Es ist schon etwas anderes, ob man im Büro, noch dazu in einer Behörde wie der Kommunalverwaltung, nolens volens damit rechnen muss, dass irgendwelche Nerds versuchen, Schabernack mit dem Netzwerk zu treiben oder vielleicht auch Leute mit weit finstereren Absichten nach Schwachstellen im Sicherheitssystem suchen, oder ob man buchstäblich in den eigenen vier Wänden vor Cyberangriffen nicht mehr sicher ist.

Man sagt ja, dass Wohnungseinbrüche vor allem deshalb so übel sind, weil die Täter in den innersten Schutzraum der Menschen eindringen, in ihre persönlichste Umgebung, in der man sich geborgen und sicher fühlen will. Diese Sicherheit und dieses Geborgensein zerstören die Täter, wenn sie sich gewalttätig Zutritt verschaffen und mit ihren gierigen Händen klarmachen: Wir haben die Kontrolle über Dein Heim übernommen.

Aber ist es nicht eigentlich dieselbe Botschaft, die man bekommt, wenn irgendwelche Subjekte in den Router daheim eindringen oder, wie in anderen Zusammenhängen zu lesen war, den Kühlschrank, den Fernseher, die Stereoanlage oder die Türkamera übernehmen und zu Teilen gigantischer, aufeinander abgestimmter virtueller Bot-Legionen machen? Wir dringen in Dein innerstes Sanktuarium vor und machen in Deinem Haus, was wir wollen.

Experten sagen uns, dass die Attacke auf die Router schlampig ausgeführt wurde und die Täter Fehler gemacht hätten. Im schlimmsten Falle hätten sie eine Bot-Armee gebildet, die eine Vielzahl von Websites hätte lahmlegen können. Vorbilder gibt es wohl schon, etwa einen Angriff auf eine von zahlreichen Online-Händlern genutzte Schnittstelle oder den wohl temporär erfolgreichen Versuch, ein größeres afrikanisches Land datentechnisch vollständig von der Außenwelt zu isolieren. Schöne neue Welt.

Was mich dabei so fertig macht: Ich verstehe die Mechanismen dahinter eigentlich nicht. Einbruch ist klar: Scheibe einschlagen oder Tür aufhebeln, rein und alles mitgehen lassen. Aber tausende von Geräten, die zu welchem harmlosen Zweck auch immer dienen, so digital zu versklaven, dass sie auf Befehl von außen zum Beispiel Spam-Mails verschicken: Das ist mir zu hoch. Lächerlich einfach, sagen mir IT-Freaks, entsprechende Software ist frei im Internet verfügbar. Und genau an dem Punkt friert es mich. Sind wir denn schutzlos?

So großartig der Erfolg der Polizei im Falle des weltweiten Avalanche-Netzwerks war und so toll offenbar die Zusammenarbeit der verschiedenen Polizeibehörden geklappt hat, sind die Zahlen schon beeindruckend: Mehrere hundert Millionen Dollar Schaden, Tätigkeit in 180 Ländern. Ein paar Fakten zum Nachdenken für diejenigen in Europa und darüber hinaus, die meinen, alle Probleme wären gelöst, wenn wir wieder Menschen mit Dienstmützen an die Grenzen schicken und Zollschranken aufbauen. Die Brüder und Schwestern, die uns hier tatsächlich bedrohen, arbeiten in einem virtuellen Raum, der nicht mal den Begriff Grenze kennt. Deshalb werden wohl die Guten aller Länder sich vereinigen müssen, um den Bösen das Handwerk zu legen.

Mein Chef, der Bürgermeister, kann auch nur gestehen, dass er sich erst Zeit nehmen muss, die Gefahren unserer Zeit zu durchdenken. Am Anfang mag die Erkenntnis von Umberto Eco stehen: „Der Computer ist keine intelligente Maschine, die dummen Menschen hilft, sondern eine dumme Maschine, die nur funktioniert, wenn sie von intelligenten Menschen bedient wird.“

Ihre Sabrina

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