Erscheinungs- & Themenplanzurück

(GZ-22-2020)
Neues von Sabrina
 

Von guten und von schlechten Verlierern

Gestern hat mein Chef gesagt...

Die Präsidentschaftswahlen in Amerika nimmt der Bürgermeister zum Anlass, um mit den Bürgern intensiv über das Wesen der Demokratie zu sprechen. Er teilt die Ansicht von Norbert Röttgen: „Populismus erzielt Resonanz, aber am Ende gewinnt der Anstand.“

„Na, da stampft einer aber ganz ordentlich mit seinen Füßchen auf vor Zorn. Sicherlich ist nichts schwerer als zu verlieren, außer vielleicht von der Macht und von Privilegien Abschied nehmen zu müssen. Aber so ist Demokratie: Einer gewinnt, einer verliert.“ Mein Chef, der Bürgermeister, kommentiert den quälend langen Abschied von Donald Trump vom Präsidentenamt.

Tatsächlich erinnert sein Verhalten seit dem 3. November 2020 stark an ein verzogenes Einzelkind, das zum ersten Mal in seinem Leben im Kindergarten beim Mensch ärgere Dich nicht verliert. Zuhause haben es die Eltern immer gewinnen lassen, aus Panik vor seinem Jähzorn und auf einmal ist es mit der kalten Realität der sozialen Interaktion konfrontiert. Auch Trump ist offensichtlich nur von Menschen umgeben, deren Wortschatz sich auf „Yes, Mr. President“ beschränkt. Keiner scheint im Kreuz zu haben, zu sagen, was Wolfgang Schäuble empfiehlt: „Es isch, wie es isch und es isch over“.

Allerdings muss man ihm natürlich eines zugestehen: Es ist ein wohlverbrieftes Recht in jedem demokratisch verfassten Land, dass die Ergebnisse von Wahlen überprüft werden, nötigenfalls auch vor Gericht. Diese sehr naserümpfenden Kommentare in einigen Medien über Trumps Anwälte und seine Klagen in einzelnen Bundesstaaten sollte man lieber lassen. Auch in Deutschland hatten wir schon Wahlabende, an denen beständig verkündet wurde, dass eine Partei es mit ein paar hundert Stimmen Vorsprung in den Landtag geschafft habe, bis sich im Laufe der Nachprüfung herausstellte, dass ein Wahlhelfer versehentlich einen Packen Stimmzettel auf einen falschen Stapel legte.

Die wichtigen Worte im letzten Absatz sind daher Nachprüfung und versehentlich. Denn es gilt für unser System, wie das der Vereinigten Staaten: Nobody is perfect, aber alles wird nochmal nachkontrolliert – bis hin zu einer zweiten händischen Auszählung wie derzeit im Staate Georgia.

Das ist auch nicht bedenklich oder gar Anlass zur Sorge. Und nochmal, auch Klagen vor Gerichten sind legitim, wenn man glaubt, eine Unregelmäßigkeit sei nicht korrigiert worden. Selbstverständlich kann man vor Gericht auch gegen Bestimmungen des Wahlrechts vorgehen, wenn man mit ihnen demokratische Grundsätze verletzt sieht. Diesseits und jenseits des Atlantiks muss es solche Möglichkeiten geben.

Bedenklich wird es – und darum hat es dieses ja wahrhaftig weltpolitische Thema in diese Kolumne geschafft –, wenn nicht faktenbasiert argumentiert, sondern einfach drauflos verdächtigt wird. Ohne jedweden Beweis wird unterstellt, dass Stimmzettel vernichtet oder ausgetauscht wurden, Tote mitwählen durften oder die Auszählungssoftware manipuliert sei. Die Wahl wurde gestohlen – punktum.

Wer, wie, wo, diese einfachen Fragen werden dabei nicht beantwortet. OK, das amerikanische Rechtssystem ist stark und die Medien nehmen ihre Wächterrolle wahr, auch wenn sie eigentlich gute Geschäfte als Trump-Echokammern gemacht haben. Aber was hinterlässt es in den Köpfen der Wähler?

Der Grundverdacht, dass bei Wahlen, diesen Hochämtern der Demokratie, etwas nicht stimmen könnte, dass sinistre Mächte mit Hilfe von Manipulation und schmutzigen Tricks nicht denjenigen ins Amt lassen, der von der Mehrheit gewählt wurde, sondern einen ihnen genehmen Mainstreampolitiker, ist für die Demokratie insgesamt brandgefährlich. Denn mir sage keiner, so etwas könnte bei uns nicht passieren. Wer sieht, wie sich auch hierzulande Parteien radikalisieren, dass Pegida immer noch sein Unwesen treibt und amtsbekannte Radikale bei Demonstration das große Wort führen, der spürt: Wir müssen wachsam sein.

Mein Chef, der Bürgermeister, will deshalb die Geschehnisse in Amerika zum Anlass nehmen, mit den Bürgern noch intensiver über das Wesen unserer Demokratie zu sprechen. Denn er teilt die Ansicht von Norbert Röttgen: „Populismus erzielt Resonanz, aber am Ende gewinnt der Anstand. Aufbruch und Anstand sind eine unschlagbare Kombination, auf die man als Politiker setzen sollte“.

Ihre Sabrina

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

GemeindeZeitung

Neues von Sabrina

GZ Archiv

Kolumnen & Kommentare aus Bayern

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung