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(GZ-20-2020)
Neues von Sabrina
 

Bitterer Appell statt Verbotskeule

Gestern hat mein Chef gesagt...

Die Kanzlerin appelliert an die mündigen Bürger, sich freiwillig stärker einzuschränken, als es die Maßnahmen vorsehen. Durchhalten lautet die Devise, so die Vorzimmerperle.

„Das hat es auch noch nicht gegeben. Ein amtierender Regierungschef wendet sich per Videopodcast an die Bürgerinnen und Bürger und sagt sinngemäß, dass die von der Exekutive verfügten Maßnahmen nicht reichten und man sich bitte noch mehr einschränken solle, als dies der Staat ohnehin von einem fordere.“

Mein Chef, der Bürgermeister, interpretiert jedenfalls die Videobotschaft der Kanzlerin so, mit der sie letztes Wochenende die Deutschen aufgefordert hat, wann immer möglich allein zu Hause zu bleiben.

Es ist ein Appell an den vernünftigen und einsichtigen Citoyen im besten Wortsinn. Da wird nicht die Verbotskelle geschwungen und die Höhe von Bußgeldern kalkuliert, sondern an Vernunft, Einsicht und Solidarität appelliert, sich so zu verhalten, wie es angezeigt ist, um einen selber, seine Familie, Freunde und unvermeidlichen Sozialkontakte an der Arbeitsstelle, im Kindergarten oder in der Schule zu schützen.

Dieser Appell ist bitter für die Gastronomen und Hoteliers, die alles tun, um ihre Gäste vor Infektionen zu schützen. Ich traue mir da ein Urteil zu, denn vor der Verschärfung der Lage waren wir oft und gerne auswärts essen. Er ist auch bitter für so manche Freundschaft, manche Clique, manchen Verein, die in den vergangenen Monaten langsam wieder normale Kontakte gepflegt und ihre Tätigkeiten wieder aufgenommen haben. Aber es ist, um ein vielgeschmähtes, aber zutreffendes Wort zu gebrauchen, alternativlos.

Schade nur, dass dieser Appell wohl nur von denen gehört und verstanden wird, die ohnehin Umsicht und Vorsicht walten lassen. Wer glaubt, auf Traditionen wie große Familienfestlichkeiten anlässlich von Hochzeiten oder Geburten nicht verzichten zu können, wer postuliert, man sei nur einmal jung und zur Jugend gehöre partymachen, und wem seine Mitmenschen eh wurscht sind, wird sich in seinem Verhalten nicht ändern.

Dabei verstehe ich gerade die jungen Leute sehr gut: Jeder von uns sehnt sich doch nach einer Welt zurück, in der man nicht mit einem Stück Stoff oder Papier vor Mund und Nase ein Geschäft oder einen Bus betreten musste. In der man nicht sein Gegenüber beim Plausch über den Gartenzaun aus 1,50 oder 2 Meter Abstand anplärren muss. Eine Welt, in der man ohne Federlesens ins Gasthaus geht, sich neben einen sympathischen Menschen setzt, ihm zuprostet, man sich herzhaft mit einem Händedruck oder einer Umarmung verabschiedet und nicht mit einer der dreitausend Varianten von Winke-Winke, die wir derzeit praktizieren.

Aber: Ist halt nicht. Deshalb geht mir auch die derzeitige Diskussion zum Thema „Helden der Krise“ so auf die Nerven. Richtig: Es gibt Personen und Berufsgruppen, denen die Herausforderungen wirklich alles abverlangen. Pflegepersonal und Ärzte auf den Intensivstationen während der Hochzeit der Pandemie. Erzieherinnen in der Notbetreuung während des Lockdowns, die Kinder zu betreuen hatten, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten und die sich um diese Sorgen gemacht haben. Lehrkräfte, die von jetzt auf gleich ihre Schüler mit Hilfe von Konferenzsoftware unterrichteten.

Aber jetzt schon, mitten in der Pandemie, Helden erster und zweiter Ordnung auszurufen, ist für mich schwer erträglich. Sicher gab es Lehrer und Erzieher, die sich nicht viel Mühe mit den Kindern gegeben haben. Klar hat der ein oder andere es auch genossen, im Homeoffice zu sitzen, statt als Pendler jeden Tag addiert eine Stunde in Bus und Bahn zu sitzen. Aber andererseits gibt es auch die, die lieber im ergonomischen Bürostuhl am höhenverstellbaren Schreibtisch ihre Arbeit erledigen würden, als auf dem hölzernen Stuhl am Küchentisch während aus dem Kinderzimmer ständig die Frage nach dem Sinn des Satzes des Pythagoras erschallt.

Mein Chef, der Bürgermeister, stimmt mir zu: Held dieser Tage ist der Geduldige, der Disziplin wahrt und seine Freiheitsbedürfnisse freiwillig hintanstellt. Denn es gilt der Satz Katharina von Sienas: „Das Beginnen wird nicht belohnt, einzig und allein das Durchhalten“.

Ihre Sabrina

 

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