Erscheinungs- & Themenplanzurück

(GZ-19-2020)
Neues von Sabrina
 

Krimi-Hype um die Region

Gestern hat mein Chef gesagt...

Das Übel der Welt zieht sich heutzutage immer mehr in die Provinz zurück. Darum hat jetzt auch Passau zur besten Sendezeit in der ARD seinen Regionalkrimi. „Eine richtig tolle Werbung für eine schöne Stadt“, meint der Bürgermeister nicht ohne einen kleinen Anflug von Neid.

„Jetzt hat auch Passau seinen Regionalkrimi. Zur besten Sendezeit im Ersten. Respekt. Spektakuläre Aufnahmen von oben, stimmungsvolle Kameraführung – eine richtig tolle Werbung für eine schöne Stadt.“ Mein Chef, der Bürgermeister, berichtete nicht ohne einen kleinen Anflug von Neid, dass er nach der Tagesschau „zufällig“ am neuen Heimatkrimi aus Passau hängen geblieben ist und die gelungenen Stadtbilder sehr genossen hat.

Jetzt ist ja Niederbayern keineswegs Terra incognita, was Regionalkrimis angeht. Eine ganze Reihe von Büchern, verfilmt oder nicht verfilmt, spielen ja in Niederbayern und legen Zeugnis ab von der urwüchsig-anarchischen Kraft des Landes und der es bewohnenden Leute. Aber ein Passau-Krimi – da steigt die Stadt schon auf in eine Reihe mit Stralsund, Weimar, Wismar, Münster oder Luzern.
So ändern sich die Zeiten.

Früher dachte man beim Stichwort Krimi an das Paris Kommissar Maigrets, das London Edgar Wallaces oder Kojaks New York. Man befuhr mit einem Ermittlerduo die Straßen von San Francisco oder erkundete mit Inspektor Columbo Los Angeles. Auch die deutschen Kult-Krimis vom Tatort spielten in München, Hamburg, Berlin, Wien, Stuttgart und nur weil dort kleine Sender ansässig waren, sah man Impressionen von Saarbrücken oder Bremen. Klar, der Charme der Provinz spielte etwa bei Agatha Christie in ihren Poirot- und Miss-Marple-Büchern eine Hauptrolle.

Aber ob Raymond Chandler oder Dashiell Hammett: Der Großstadtdschungel war lange die ideale Kulisse für Mord, Erpressung und Intrige. Heutzutage zieht sich das Übel der Welt, die Ursünde des Mordes und der Habgier, der Eifersucht und des Hasses immer tiefer in die Provinz zurück. Seit Henning Mankell seinen Kommissar Wallander im südschwedischen Kaff Ystad ermitteln ließ, wird praktisch keine Region Europas von Krimis verschont:

Die Bretagne, die Provence, der Comer See, das Aostatal, der Gardasee, Südtirol natürlich, die Eifel, das Weinviertel, Usedom, Sylt – zu praktisch jeder Gegend gibt es die passenden Mord- und Totschlagsgeschichten. Die Tatorte spielen heutzutage in Freiburg, Weimar, Kiel und der Franken-Tatort zieht wie ein Ableger der Tourismuszentrale durch alle erdenklichen fränkischen Städte, ungeachtet der Grenzen von Regierungsbezirken oder Polizeidirektionen. Unschwer ist aber der Hotspot des bayerischen Regionalkrimis im Süden auszumachen. Neben dem schon erwähnten Niederbayern ist es das Allgäu.

Es findet sich eine treue Fangemeinde, die jeden Krimi um einen skurril-liebenswerten Ermittler bereits beim Buchhändler vorbestellt, wenn in einschlägigen Foren nur angedeutet wird, dass ein neuer Band rauskommt. Im Vertrauen, den aktuellen hab ich gerade zu Ende gelesen: köstlich. Und dann natürlich Bad Tölz, dessen Bulle Kult ist, Rosenheim, dessen Cops zu den erfolgreichsten Ermittlern ever gehören und Wolfratshausen, das inzwischen ebenso oft mit dem Begriff „Frühstück“ wie mit Hubert und/ohne Staller in Verbindung gebracht wird.

Wie erklärt sich dieser Hype um die Region bei den Krimis? Die Raffinesse des Plots kann es nicht sein. Entweder die Geschichten setzen auf das absolut Böse wie bei Wallander oder auf ausgiebige Beschreibungen von Land und Leuten oder sind einfach hinreisend unterhaltsam. Kombinatorische Meisterwerke, wie sie Agatha Christie, Martha Grimes oder P.D. James abgeliefert haben, findet man selten. Es ist wahrscheinlich der Wiedererkennungswert und das Lokalkolorit, das einen selbst zu einem Teil der Geschichte machen kann. Auch wenn sie gar nicht in der engeren Heimat spielt, sondern an der Ostsee, am Ärmelkanal oder im sonnigen Süden – irgendwie sind wir ja heutzutage überall daheim.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist etwas wehmütig: Nur zu gerne würde er unsere Stadt auch im Zentrum eines zünftigen Heimatkrimis sehen. Am besten mit Verfilmung. Großartige Werbung! Aber leider findet sich am Ort keine entsprechende Edelfeder. Trost spendet der Satz Hermann Hesses: „Heimat ist nicht da oder dort. Heimat ist in Dir innen, oder nirgends.“

Ihre Sabrina

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

GemeindeZeitung

Neues von Sabrina

GZ Archiv

Kolumnen & Kommentare aus Bayern

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung