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(GZ-7-2016)
Neues von Sabrina
 
Erstaunliche Zukunftsvisionen

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Ich komme Morgen etwas später ins Büro. Mein Auto hat offensichtlich einen Inspektionstermin mit der Werkstatt ausgemacht, wie ich gerade im Outlook sehe.“ Mein Chef, der Bürgermeister, meldet sich immer vorbildlich ab, wenn er seine ursprünglichen Pläne ändern muss.

Mir kommt es ehrlich gesagt ganz gelegen, denn mein Kühlschrank ist ziemlich leer. Wenn ich mich jetzt beeile und auf der Vorschlagsliste, die mir der mit dem Hersteller meines Haushaltsgerätes zusammenarbeitende Lebensmittelversender per E-Mail gesandt hat, gleich eine neue Befüllung zusammenstelle, wird das morgen früh geliefert und ich komme rechtzeitig vor dem Chef ins Büro. So weit so gut. Nicht so gut ist die Unverschämtheit meiner Kfz-Versicherung. Das Auto hat gemeldet, dass ich im letzten Monat fünfundvierzig Mal die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe und dabei dreimal gezwungen war, scharf abzubremsen. Wenn ich in Zukunft nicht disziplinierter fahre, würden sie meine Beiträge erhöhen. Ich streckte dieser Push-Nachricht auf der Versicherungs-App die Zunge heraus, wie ich es als kleines Mädchen gemacht habe, wenn ich von meiner großen Schwester verpetzt wurde. Noch ärgerlicher war die Nachfrage meiner Zahnersatzzusatzversicherung, warum seit vier Tagen keine Aktivität meiner elektrischen Zahnbürste festgestellt werden konnte. Deren Benutzung sei vertraglich vereinbart – zur Risikominimierung. Aber ich habe akut Herpes und putze dann lieber mit der weichen Handbürste. Jetzt muss ich wieder zum Zahnarzt dackeln und mir das per Attest bestätigen lassen.

An dieser Stelle wachte ich auf. Alles gut. Weder war ich Sklavin intelligenter Elektrokleingeräte noch an einen Fitness-Tracker gefesselt. Es dürfte sich eher um ein unglückseliges Zusammenspiel zwischen einer Lasagne mit etwas zu viel Käse und der Lektüre eines Artikels über Big Data und Industrie 4.0 handeln, das wohl zu Schlafstörungen geführt hat.

Ganz erstaunliche Zukunftsvisionen sind zu lesen, von sich selbst organisierenden Fabriken, Wohnungseinrichtungsgegenständen, die miteinander kommunizieren, Datenströme, die den Einzelnen besser kennen als ihn seine Mutter kennt. Übernehmen Maschinen die Macht? Sind bald unsere Daten wichtiger als wir selbst?

Wie immer haben wir es in der Hand, ob es soweit kommt. Nehmen Sie etwa das kleine schwarze Ding, formerly known as Zündschlüssel. Was das alles über das Auto weiß, wenn es in den Analysekasten gesteckt wird! Aber niemand muss den nächsten Schritt machen und der Werkstatt den direkten Datenaustausch mit dem Auto gestatten. Oder gar der Versicherung, denn die erste bietet ja schon „günstigere“ Tarife an, wenn sie kontrollieren kann, wie wir fahren. Auch muss niemand eine Krankenversicherung abschließen, die einem ein Fitnessärmbändchen anhexen will, um dann bei Wohlverhalten (tausend Schritte sollst Du tun) einen Rabatt von 2 Euro 50 einzuräumen.

Natürlich sind Assistenzsysteme im Auto total praktisch. Autonomes Einparken gibt es heute schon in der unteren Mittelklasse ebenso wie Abstandswarnung und Spurassistent. Zum autonomen Fahren ist es nur noch ein Schritt, wenngleich das Googlemobil letzthin einen kleinen Rumser verursacht hat. Auch die Steuerung von Rollos, Heizung, Licht und Alarmanlage zu Hause per Smartphone wird immer beliebter. Aber wer schützt uns dabei vor elektronischen Eindringlingen? Autoklau per hacking kennt man schon und hat die Branche jäh aufgeschreckt? Gehen Einbrecher künftig mit dem Laptop auf Beutejagd? So viele Fragen unbeantwortet.

Mein Chef, der Bürgermeister, ruft gerade an, weil der Drucker auf seinem Schreibtisch anzeigt, dass der schwarze Toner fast leer ist. Nun, das habe ich schon gewusst, denn die Geräte sind bei uns so vernetzt, dass die Meldung „Toner leer beim Drucker in Zimmer 001“ in der Materialverwaltung automatisch ankommt. Der Azubi dort hat mir vor fünf Minuten die Patrone zum Wechseln gebracht – Service für‘n Boss. Warum denke ich jetzt bloß an ein Zitat von John Steinbeck: „Oft ist die Zukunft schon da, ehe wir ihr gewachsen sind“?

Ihre Sabrina

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