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(GZ-22-2018)
Neues von Sabrina
 

Nein zu Nationalismus und Ausgrenzung

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Jetzt sind wir also 100 Jahre Republik. Aber irgendwie nimmt das keiner so Recht zur Kenntnis.“ Mein Chef, der Bürgermeister, schaut mich ratlos an, nachdem er im Netz zum Stichwort 100 Jahre deutsche Republik recherchiert hat.

Nun gut, wir sind nicht Frankreich, das sich aus seinen Revolutionen und aus dem Konzept der einen und unteilbaren Republik definiert. Wir Deutsche lassen es mit dem Feiern staatlicher Jubiläen ebenso wie mit dem Nationalfeiertag traditionell ruhiger angehen. Aber es wurde so gut wie nichts gemacht, um an die Republikgründung zu erinnern oder sie gar zu feiern. So gab es zwar im Oktober einen Festakt „100 Jahre Finanzgerichtsbarkeit in Deutschland“, auf der auch der Bundespräsident sprach. Aber zur Ausrufung der Republik im November? Fehlanzeige. Keine Fahnen wehten, kein „Sonderfeiertag“ wurde eingeschoben, wie 2017 für die Reformation. Keine Briefmarke wurde herausgegeben, nur ein Sonderumschlag, den nur Eingeweihte besorgen können. Keine Sondermünze oder ein 2-Euro-Kursmünzenstück, wie für den 100. Geburtstag von Kanzler Schmidt.

Wenigstens Bayern ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat ein ganzes Jahr unter das Motto „Wir feiern Bayern“ gestellt, um an die Verfassung von 1818 und die Ausrufung der Republik 1918 zu erinnern – inklusiv eines würdigen Festakts am 7. November durch die Spitzen des Freistaats.

Was lässt uns mit der Tatsache der Republikgründung so hadern? Sind wir heimliche Monarchisten? Ich hoffe nicht. Wenn man sich so in Europa umschaut, sind die gekrönten Staatsoberhäupter ja nicht sehr überzeugend. Man denke an Großbritannien. Dort ist eine 92-Jährige Staatsoberhaupt, die ganz gelassen zusieht, wie sich ihr Land durch den Brexit in Chaos und Abstieg schlafwandelt. Weder sie, noch ihr sich im Rentenalter befindlicher mutmaßlicher Nachfolger, noch dessen Erbe dürfen auch nur einen Ton äußern, der politisch zu deuten wäre, auch wenn das Land eigentlich dringend Orientierung bräuchte.

Da lobe ich mir einen Roman Herzog, einen Horst Köhler oder einen Joachim Gauck, die bei aller selbstverständlichen parteipolitischen Neutralität immer ein mahnendes oder wegweisendes Wort fanden, mit dem sie die gesellschaftliche Debatte bereicherten.

Klar ist der 9. November, der Tag an dem die Republik geboren wurde, an dem im Dritten Reich die Synagogen brannten und an dem die Mauer fiel, ein schwieriges Datum für Feierlichkeiten. Sicher war es auch richtig, den 80. Jahrestag der Novemberpogrome würdig, nachdenklich und selbstkritisch zu begehen. Aber es gilt auch der Satz, den Frankreichs Präsident Emanuel Macron im Bundestag gesagt hat, nämlich dass Deutschland seine Vergangenheit gründlich aufgearbeitet und seine Dämonen hinter sich gelassen hat. Die Erinnerung an das Friedenswerk der Weimarer Republik hätte hier sicher nicht gestört.

Im nächsten Jahr gibt es die Chance, das heuer Versäumte nachzuholen. 100 Jahre Weimarer Reichsverfassung für Deutschland und 100 Jahre Bamberger Verfassung für den Freistaat Bayern wären Daten, an denen wir uns daran erinnern könnten, dass es nach dem Zusammenbruch des Ersten Weltkrieges die Chance gegeben hätte, unser Vaterland aus eigener Kraft in eine friedliche, demokratische Zukunft zu führen. Und wir können uns am 80. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges auch daran erinnern, dass es blutrünstiger Nationalismus und Rassismus war, der dieses Land so lange am Blühen hinderte.

Mein Chef, der Bürgermeister, sieht es als seine Aufgabe an, im nächsten Jahr genau in diese Richtung zu arbeiten: Ja zu unseren demokratischen und humanitären Traditionen, Ja zu unserer Zukunft in Europa und Nein zu dumpfem Nationalismus und Ausgrenzung. Ganz im Sinne des Satzes von Charlotte Knobloch: „Nur derjenige, der sich des Wertes seiner Heimat bewusst ist, nur wer sein Land liebt, wird sich für dessen Existenz und Fortentwicklung engagieren.“

Ihre Sabrina

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