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(GZ-18-2018)
Neues von Sabrina
 

Vernachlässigte Wohnungspolitik

Gestern hat mein Chef gesagt...

Irgendwie sind wir Opfer des eigenen Erfolgs. Bayern ist im Laufe der Jahre zu einem Hotspot für Zuwanderung insbesondere aus Deutschland und der EU geworden. Mit fatalen Folgen für die Wohnungssituation. Die Frage bezahlbaren Wohnraums wird immer drängender.

„Die Frage von bezahlbarem Wohnraum wird tatsächlich immer stärker zu so etwas wie einer neuen sozialen Frage. Auch bei uns explodieren Mieten und Grundstückspreise.“ Mein Chef, der Bürgermeister, hatte zum Runden Tisch Wohnen ins Rathaus geladen und sah sich in seinen Befürchtungen bestätigt.

Wir sind irgendwie die Opfer des eigenen Erfolgs. Jahrelanges Wirtschaftswachstum, ein guter Branchenmix, attraktive Bildungsangebote, ein hoher Freizeitwert und nicht zuletzt ein Arbeitsmarkt, der so aufnahmefähig für Arbeitskräfte ist wie ein trockener Schwamm für Wasser haben ganz Bayern zu einem Hotspot für Zuwanderung werden lassen. Jetzt nicht so sehr für Flüchtlinge, die schön langsam zum Sündenbock für alles herhalten müssen. Es geht um die Binnenwanderung aus Deutschland und der EU, die uns gut ausgebildete Neubürger mit tollen Jobs beschert. Freilich stellen diese auch entsprechende Ansprüche ans Wohnen.

Beim Thema Wohnraum waren wir in der Stadt, Hand aufs Herz, nicht so agil und vorn dran wie bei der Wirtschaftsförderung und der Ausweisung von Gewerbeflächen. Irgendwie lag der Gedanke zwar nicht fern, dass bei expandierender Wirtschaft auch mehr Arbeitnehmer gebraucht würden und ein Zuzug von qualifizierten und damit gut bezahlten Arbeitnehmern auch steigende Ansprüche an das Wohnungsangebot nach sich ziehen würden. Andere Faktoren hätten wir ebenso sehen können: Die Familien werden wieder größer. Wenn sich Menschen entscheiden, ihr Singledasein aufzugeben und eine Familie zu gründen, geht der Trend eindeutig wieder zu zwei oder mehr Kindern. Die Folge: Größere Wohneinheiten werden gebraucht. Andererseits bleiben immer mehr ältere Leute immer länger in ihren vier Wänden. Dank besserer medizinischer Versorgung und mehr ambulanter Unterstützungs- und Pflegeangebote. Plump ausgedrückt sitzt dann die betagte Witwe in der Fünfzimmerwohnung, die die fünfköpfige Familie verzweifelt sucht.

Was ist schiefgegangen, dass wir die Entwicklung so gar nicht sahen? Zunächst mal war da das Vertrauen in den Markt, der es schon richten würde. Was wir nicht bedacht hatten: In den letzten Jahren wurde alles getan, um den Bau oder den Ausbau von Wohnraum so unattraktiv wie möglich zu machen. Ich meine damit gar nicht die Mietpreisbremse. Die ist nur eine Neidstrafe für die privaten Vermieter, die nicht jede legale Möglichkeit der Mieterhöhung im laufenden Vertrag kalt und systematisch nutzen. Nein, es sind die Bauauflagen und Standards, die den Mietwohnungsbau unattraktiv und den Eigentumserwerb unerschwinglich machen. Energieeffizienz, Brandschutz und Umweltauflagen heißen die apokalyptischen Reiter, die das Bauen verteuern, bis es unattraktiv wird. Dazu kommen systematische Einschränkungen in der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Investitionen und Einschränkungen in der Möglichkeit, Modernisierungskosten auf die Miete umzulegen.

Wenn man das alles zusammennimmt und noch die alte Weisheit der Privatvermieter beherzigt, dass eine Aktie nicht mitten in der Nacht anruft und von einem Defekt der Heizung berichtet, dann weiß man, wo es am Wohnungsmarkt hakt. Dennoch wird das Heil in immer mehr Regulierung gesucht, statt in weniger. Stichwort Veränderungssperre. Klar mag es auf den ersten Blick preisdämpfend wirken, wenn in bestimmten Gegenden dem Vermieter verboten wird, das alte Klo mit Druckspülung und ohne Heizung zu erneuern und die ökologisch fragwürdige Badewanne durch eine barrierefrei zugängliche Dusche zu ersetzen. Aber was passiert, wenn der aktuelle Mieter auszieht? Die Bruchbude wird zum Ladenhüter.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist ratlos. Soll er verdichten? Soll die Stadt in die Höhe wachsen? Sollen wir neue Baugebiete erschließen? Immer wird es Protest, Einsprüche, endlose Planungsverfahren, Bürgerbegehren geben. Und dann komme auch noch ich mit einem Satz Friedensreich Hundertwassers: „Bei der Stapelung der Wohnungen nach oben geht zuerst der Mensch zugrunde und dann die Natur. Bei der Stapelung in die Breite läuft es umgekehrt.“

Ihre Sabrina

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