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(GZ-14-2018)
Neues von Sabrina
 

Weltweiter Plastikterror

Gestern hat mein Chef gesagt...

Welch Skandal! Da will die EU Plastiktrinkhalme, Wattestäbchen und noch ein paar andere unnütze Plastikprodukte verbieten. Und einige Leute machen ein Geschrei, als ob Brüssel in die Grundfesten der westlichen Zivilisation Sprenglöcher bohren wollte.“ Mein Chef, der Bürgermeister, regt sich mal wieder über Leute auf, die sich über alles aufregen.

Einerseits besagen alle Umfragen und nicht wenige Sonntagsreden, dass ein bürgernahes Europa sich um die Angelegenheiten kümmern sollte, die möglichst einheitlich gelöst werden müssen. Andererseits kritisieren gerade aufrechte Verfechter dieses Subsidiaritätsgedankens die Regulierungsvorstöße zu den kleinen Plastikteilen. Ja, welch größer anzugehendes Problem ist denn denkbar, als die Millionen und Abermillionen Tonnen Plastik in unseren Seen, Flüssen und schlussendlich den Weltmeeren? Wer soll denn bitte anfangen, da mal gegenzusteuern?

Zudem hat Europa auch noch ein massives Mengenproblem an Plastikabfall, seit sich China weigert, weiter für uns den Mülleimer zu spielen und den Import von Plastikabfällen drastisch eingeschränkt hat. Weil wir zu wenig Recycling-Kapazitäten haben und auch zu wenig verbrennen, können wir schon mal die Vorplanungen für die ersten begrünten Plastikberge nach dem Vorbild der Schuttberge der Nachkriegszeit anleiern.

Wobei ich sagen muss, der Plastikterror geht auch mir gewaltig auf den Senkel. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da nannte man den Trinkhalm noch Strohhalm und Wattestäbchen stellten wir her, indem wir Zündhölzer (Achtung, Schwefelkopf abbrechen) an der Spitze mit Watte umwickelten. Praktisch unbegrenzt verwendbar (das Hölzchen natürlich, nicht die Watte!). Heute kann man praktisch nichts mehr erwerben, ohne dass Plastik dran wäre, nicht mal Bioprodukte, die aus Hygienegründen auch in Plastik verpackt werden müssen. Dazu kommen dann noch Verbundstoffe aller Art. Obwohl ich wirklich sehr bewusst einkaufe und auf wenig Verpackung achte, habe ich jedes Wochenende mindestens einen (Plastik)Müllsack voll Plaste (das Wort stirbt ja leider aus), die sich über die Woche angesammelt hat.

Dabei noch gar nicht mitgerechnet sind die Mikroplastikteilchen, denen wir buchstäblich nicht entrinnen können, weil sie in Peelings, Shampoos, Zahnpasten und weiß der Kuckuck noch in was, einfach und ohne Kennzeichnungspflicht versteckt sind. Wassermarsch, den Mund ausgespült, das Shampoo abgewaschen und schon landet alles in der Kanalisation auf einem langen, aber unerbittlich zum Ziel führenden Weg ins Meer. Dort fressen Meeresfische das Zeug soweit die Süßwasserfische sich nicht bedient haben und am Ende der Nahrungskette sitze ich dann vor meinem Teller Matjes nach Hausfrauenart.

OK, Europa kann das Problem nicht allein lösen. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Reise nach Afrika. In einer Stadt waren die Straßenränder übersät mit den dünnen Plastiktäschchen, in die auf dem Markt Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch verpackt wird. Nach Gebrauch unachtsam weggeworfen. Mein einheimischer Begleiter meinte nur im Scherz, die Probleme Afrikas wären gelöst, wenn man eine Ziege züchten könnte, die sich von Plastiktüten ernährt. Ziegen seien das Rückgrat der armen Bauern und Plastik sei unerschöpflich. Eine bittere Pointe.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist nicht so naiv zu glauben, dass Europa das Problem der Plastikverseuchung der Meere allein lösen kann. Wir werden auch nicht mehr in die Zeiten zurückfallen, in denen wir Wattestäbchen selbst gerollt oder richtiges Stroh für Trinkhalme verwendet haben. Aber wenn ein so großer Wirtschaftsraum nach Alternativen zu Plastik verlangt, dann wird es welche geben – da kann man sich auf den Erfindungsreichtum der Menschheit verlassen. Oder, wie es der große Industrielle und Politiker Walther Rathenau ausgedrückt hat: „Die Erfindung des Problems ist wichtiger, als die Erfindung der Lösung. In der Frage liegt mehr als in der Antwort.“  

Ihre Sabrina

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