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(GZ-11-2018)
Neues von Sabrina
 

Lasst uns Italien wirklich kennenlernen!

Gestern hat mein Chef gesagt...

So, jetzt geb ich hier mal den Wutbürger. Was soll dieses dauernde Italien-Bashing seit den letzten Wahlen? Gefahr, Gefahr, Gefahr! Statt über mögliche Gefahren für den Euro oder die EU zu spekulieren, sollten wir uns lieber mal Gedanken machen, warum man im Sehnsuchtsland der Deutschen so kritisch gegenüber uns eingestellt ist.“ Mein Chef, der Bürgermeister, der sich seit jeher stark für die Verständigung mit unseren Nachbarn auf kommunaler Ebene einsetzt, platzte der Kragen.

Es ist doch tatsächlich so: Kaum macht ein südliches Land mal politisch Radau, sei es vor ein paar Jahren Griechenland, sei es jetzt Italien, da läuft die Empörungsmaschine zuverlässig an. Presse, einschlägig bekannte Ökonomen und dann leider auch Politiker greifen tief in die Vorurteilskiste, wonach die südlichen EU-Länder nicht zu uns und unserer Stabilitätskultur passen. Wie vertrocknete Gouvernanten gibt es dann die Ratschläge, den Euro zu verlassen, eine Parallelwährung einzuführen und gefälligst wie früher abzuwerten, aber bitte uns schön mit den Problemen des Landes in Frieden lassen.

Dabei wäre es wahrscheinlich im Interesse Europas, aber auch in unserem eigenen Interesse sinnvoller gewesen, wir hätten uns früher für die Schwierigkeiten unserer südlichen Nachbarn interessiert und zusammen mit ihnen nach Lösungen gesucht. Beispiel Migration. Es gibt wohl niemanden, der nicht zugibt, dass es ein Fehler der Nordeuropäer war, jahrelang zuzusehen, wie Italien, Griechenland, aber auch Spanien mit Flüchtlingen und illegalen Wirtschaftsmigranten geradezu vollliefen, bis der Druck so groß war, dass die Welle zu uns überschwappte.

Wir haben versagt, als es vielleicht noch gelungen wäre, durch besseren Schutz der Mittelmeergrenzen die Situation zu beruhigen und diese Länder nicht dem Instabilitätsrisiko der ungehemmten Einwanderung auszusetzen.

Beispiel Jugendarbeitslosigkeit. Wenn in einem Land ein Viertel bis zur Hälfte der jungen arbeitsfähigen Menschen keine Anstellung oder kein Ausbildungsverhältnis hat, dann kann man das zur inneren Angelegenheit erklären (Vogel-Strauß-Politik) oder man nimmt solche Warnzeichen ernst und versucht, hier zu helfen. Vor allem, wenn wir in Deutschland unter dem gegenteiligen Phänomen leiden, nämlich zu wenigen jungen Leuten, die in Ausbildung wollen.

Das Resultat haben wir jetzt: Starke populistische und systemverachtende Parteien, die sogar so stark sind, eine Regierung zu bilden. Mir gefällt diese Regierung nicht, mir hat aber auch nicht jede deutsche Regierung gefallen. Mir gefallen auch populistische Parteien nicht, aber diese Abneigung ist buchstäblich grenzenlos, da ja kaum ein europäisches Land von populistischen Strömungen verschont geblieben ist, auch Deutschland nicht.

Die Bundeskanzlerin hat Recht, wir müssen mit jeder Regierung in der EU zusammenarbeiten. Für uns Kommunen, die wir Partnerschaften mit italienischen Städten, Gemeinden oder Regionen haben, bleibt aber noch eine andere Aufgabe: Sich mehr zu bemühen, den Partner kennen zu lernen. Wir sind Austauschund Reiseweltmeister, gerade auch mit Italien. Wir sollten dabei weniger Pizza mit Chianti runterspülen oder am Strand faulenzen, sondern uns mehr mit den Leuten und ihren Problemen beschäftigen. Lernen wir Italien wirklich kennen und träumen wir nicht nur unseren Traum von dolce vita!

Das sind schließlich unsere (fast) unmittelbaren Nachbarn, da müsste es doch mit einigem guten Willen möglich sein, sich zu verstehen, die jeweils andere Seite zu respektieren, blödsinnige Vorurteile von dominierenden Deutschen oder faulen Italienern über Bord zu werfen und zum gegenseitigen Nutzen zusammenzuarbeiten.

Mein Chef, der Bürgermeister, packt es auf seine Weise an und hat dem sindaco unserer Partnerstadt ein E-Mail geschrieben, um die ein bisschen eingeschlafenen Beziehungen zu aktivieren. Gut so. Er muss bloß aufpassen, dass er den Austausch verstetigt, denn schon Arthur Schopenhauer wusste: „Mit Italien lebt man wie mit einer Geliebten, heute im heftigen Zank, morgen in Anbetung, mit Deutschland wie mit einer Hausfrau, ohne großen Zorn und ohne große Liebe.“ 

Ihre Sabrina

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