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(GZ-15/16-2015)
Neues von Sabrina
 
Plädoyer für den Mittagsschlaf

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Herrje, schon wieder so heiß. Wenn das mit den heißen Sommern so weitergeht, werde ich auch die Siesta-Pflicht einführen.“ Mein Chef, der Bürgermeister, machte ein Zeichen, dass er sich heroisch für einen Selbstversuch zur Verfügung stellt und zwanzig Minuten nicht gestört werden will.

Siesta ist ein alter Brauch in den iberischen Ländern. Von 14 bis 17 Uhr ruht das Leben, man zieht sich ins Haus zurück, isst eine Kleinigkeit und macht einen Mittagesschlaf, um die brütend heiße Zeit des höchsten Sonnenstandes einigermaßen unbeschadet zu überstehen. In Wahrheit ist es natürlich mehr als ein Brauch, denn Spanien hat mit der Mitteleuropäischen Zeit eigentlich nicht die für seine geographische Lage richtige Zeit, das wäre die Greenwich Zeit. Aber aus Gründen der Anpassung an Mitteleuropa leben die Spanier quasi zeitversetzt zu ihrem natürlichen Rhythmus, vor allem was die Arbeits- und Essenszeiten angeht. Zumal auf dem Land beginnt die Arbeit relativ gesehen sehr früh, man bleibt aber sehr lange auf, weil in der Nacht erst allmählich erträgliche Temperaturen die Hitze des Tages vertreiben. So ist die Siesta der natürliche Ausgleich, den der Organismus zur Erholung zwischendurch braucht, um wieder leistungsfähig zu werden.

Besser gesagt: Wäre der richtige Ausgleich. Denn natürlich ist Spanien heute ein normales, in den internationalen Austausch und die weltweite Kommunikation eingebundenes Land. Da kann man es sich nicht leisten, drei Stunden am Nachmittag einfach mal alles zuzusperren. Zudem ermöglichen es heute Klimaanlagen, dass von Madrid bis Mombassa, von Mumbai bis Mexiko Stadt bei der größten Affenhitze gearbeitet wird – die Klimaanlage als eigentliches Antriebsaggregat und Symbol der Globalisierung, wenn man so will. Und so bleibt es auch in Spanien kleinen gallischen Dörfern vorbehalten, die alten Traditionen hochzuhalten, wie das landwirtschaftlich geprägte Ador, dessen Bürgermeister rund um den Globus als Schlaf-Rebell Schlagzeilen machte, weil er seine Mitbürger bat, doch wieder die Siesta-Zeiten einzuhalten.

Dabei, wer weiß, gilt hier wie in vielen Fällen, dass das vermeintlich Rückständige nichts anderes als die Avantgarde ist. Schließlich empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation einen 20- bis 30-minütigen Mittagsschlaf als gesundheitsfördernd und leistungssteigernd. Sogar die notorisch sich überarbeitenden Japaner haben mit dem Powernap (kleines Schläfchen zwischendurch) einen globalen Trend gesetzt. Man könnte sagen, ein kurzer Mittagsschlaf ist wie eine Schnellladestation für Elektroautos – bringt verbrauchte Energie sofort zurück.

Nur bei uns in Deutschland – und gerade in der öffentlichen Verwaltung – ist der Schlaf zwischendrin verpönt. Oder können Sie sich vorstellen, dass der Anrufer bei einer Behörde beschieden wird, der Teilnehmer mache gerade für eine Viertelstunde die Augen zu? Nein, bei uns heißt es Arbeiten, hastig zu Mittag essen, Arbeiten und das Suppenkoma energisch mit Kaffee bekämpfen. Dabei ist es das Natürlichste der Welt, wenn einem am Nachmittag die Augendeckel sinken – zumal im Sommer bei Hitze. Es gibt sogar Rechtsprechung zum Problem des „schlafenden Richters“, die besagt, dass alleine die Tatsache geschlossener Augen noch nicht auf Schlafen deute, dazukommen müssten andere Indizien wie gleichmäßiges Atmen oder Schnarchgeräusche. Anstatt sich ehrlich zu machen und klar zu sagen, dass manches langweilige und sinnentleerte Geschwurbel – ob in einer Gerichtsverhandlung oder einem Meeting – einfach einschläfernd wirkt, wenn man um sechs aus dem Bett muss, den Kindern das Frühstück macht, sie zur Schule fährt, in die Arbeit hetzt und dann von einem Dauerbetrieb bis fünf oder halb sechs verlangt wird.

Mein Chef, der Bürgermeister, will, dass die Mitarbeiter im Rathaus zwischendurch mal zu sich kommen und sich sammeln können. Deshalb erlaubt er ausdrücklich täglich eine halbe Stunde Rückzug oder Schlaf, je nach Bedürfnis – natürlich, liebe Personaler draußen im Lande, ohne Anrechnung auf die Arbeitszeit. Obwohl das nicht zwingend richtig sein muss, sagt Marie von Ebner-Eschenbach doch: „Das meiste haben wir gewöhnlich in der Zeit getan, in der wir meinen, nichts getan zu haben.“

Ihre Sabrina

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