Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-7-2017)
Kommentar von Alois Rainer
 
► Alois Rainer, MdB, Stv. Landesvorsitzender der KPV:
 
Was erwarten wir uns von einer Europäischen Union?

Liebe Leserinnen und Leser,

vor 60 Jahren vollzogen sechs Staaten mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge den ersten Schritt zur Gründung der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der späteren Europäischen Union.

Frankreich, Italien, Deutschland, Belgien, Luxemburg und die Niederlande waren die ersten, die sich zu einer Gemeinschaft zusammenschlossen; 22 weitere Staaten sollten ihrem Beispiel folgen. Die Euphorie über die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ und das Bestreben, in dieser Gemeinschaft Mitglied zu werden, ist vielerorts der Skepsis über Sinn und Zweck dieses Staatengebildes gewichen.

Man muss kein Hellseher sein, um voraussagen zu können, dass sich die Europäische Union in ihrer jetzigen Form ändern wird. Schon alleine der Austritt Großbritanniens aus der Gemeinschaft wird unausweichlich zu Veränderungen führen. Dem interessierten Beobachter der internationalen Politik ist ohnehin nicht entgangen, dass die Staats- und Regierungschefs längst in einer Diskussion um die Zukunft der EU stecken. Die Vorschläge, die derzeit auf dem Tisch liegen, könnten nicht weiter auseinander gehen: Während die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ein „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ vorschlägt, plädiert ihr italienischer Amtskollege Paolo Gentiloni für einen Neustart mit einer „echten“ Regierung. In diesem Diskussionsprozess geht es um die eine grundsätzliche Frage: Was erwarten wir uns von einer Europäischen Union?

Unsere Bundeskanzlerin hat bei den Feierlichkeiten zu „60 Jahre Römische Verträge“ einen Anfang gemacht und eine Antwort geliefert. In ihrer Rede forderte sie ein sicheres und schützendes Europa. Eine Union müsse zum Schutz der Außengrenzen und zur Erhöhung der wirtschaftlichen Stärke beitragen. Doch der angefangene Diskussionsprozess darf nun nicht alleine von den Regierungschefs oder EU-Parlamentariern geführt werden. Jetzt wird es Zeit, dass sich die Bürger Europas zu Wort melden und ihre Erwartungen an die Europäische Union formulieren.

Auch ich habe mir Gedanken gemacht und meine Vorstellung von der EU überdacht: Klar ist, dass einzelne Staaten die Herausforderungen von Globalisierung, Migration, Terrorismus und Klimawandel nicht alleine lösen können. Im Verbund lassen sich diese Aufgaben sowohl günstiger als auch effizienter lösen. Gleichzeitig sehe ich aber keinen Grund, weshalb die Europäische Kommission die Baulandvergabe von bayerischen Kommunen kontrollieren und regeln muss. Weniger ist diesen Fällen oft mehr.

In Artikel 5 des EU-Vertrages heißt es: „Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union gelten die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.“ Subsidiarität bedeutet, dass öffentliche Aufgaben möglichst bürgernah geregelt werden sollen. Probleme sollen auf der niedrigsten politischen Ebene gelöst werden. In Deutschland sind das die Kommunen, dann die Bundesländer. Erst wenn ein bestimmtes Problem dort nicht gelöst werden kann, wird die Regelungskompetenz nach „oben“ abgegeben.

Trotz der festen Verankerung dieses Prinzips sind die Kommunen in beinahe jedem ihrer Aufgabenbereiche von der europäischen Gesetzgebung betroffen: Bauleitplanung und Raumordnung, Wirtschaftsförderung und Beihilfen, Abfallwirtschaft, Planungsrecht, öffentliches Auftragswesen und vieles mehr. Wenn Änderungen in der derzeitigen EU-Politik gewünscht werden, so ist jetzt die richtige Zeit, Erwartungen an Brüssel zu adressieren. Auch die kommunalen Spitzenverbände sollten sich dazu Gedanken machen: Wo wünscht man sich Unterstützung? Welche Bereiche lassen sich regional besser koordinieren? Welchen Mehrwert erwartet man sich von einer Europäischen Union?

Mit Resignation ist niemandem geholfen. Vielmehr muss Kritik öffentlich vorgebracht werden. Alternativen sind sachlich zur Debatte zu stellen. Wenn sich die Kommunalpolitik Änderungen erwartet, ist es jetzt an der Zeit, sich in den Diskussionsprozess einzumischen!

Ihr Alois Rainer, MdB, stv. Landesvorsitzender der KPV

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