Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-1/2-2017)
Kommentar von Stefan Rößle
 
► Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender:
 
Kommunalpartnerschaften stabilisieren Krisenregionen

Liebe Leserinnen und Leser,

zu allererst möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, Ihnen persönlich und im Namen der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2017 zu wünschen. Jedes neue Jahr eröffnet immer wieder zusätzliche Chancen und Möglichkeiten, bringt aber in der Regel auch beständig neue Herausforderungen mit sich.

Obwohl der Zustrom von Flüchtlingen derzeit spürbar abgeflaut ist, bleibt der Bereich Asyl und Zuwanderung auch in den kommenden Monaten ein bedeutender Schwerpunkt der kommunalpolitischen Aufgaben. Als KPV haben wir uns von Beginn an nicht nur für eine umfassende Kostenerstattung stark gemacht, sondern uns auch bei den Themen Integration und Sicherheit klar positioniert und entsprechende positive Weichenstellungen bewirkt.

Ein weiterer bedeutender Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Bekämpfung von Fluchtursachen. Hierbei geht es darum, den unter bitterer Armut leidenden Menschen in ihren Heimatländern eigene Perspektiven zu geben. Nur so können sie dort bleiben, wo ihre Familien und Freunde sind, wo ihre Sprache gesprochen und die Kultur gelebt wird, in die sie hineingeboren wurden. Dies betrifft global gesehen immerhin 700 Mio. Menschen, davon befinden sich 65 Mio. bereits auf der Flucht. Handlungsbedarf ist also mehr als gegeben. Dazu ist aber unabdingbar ein noch stärkeres Engagement innerhalb dieser Länder nötig - mit neuen Ideen und Konzepten.

Manch einer mag sich jetzt fragen, was das mit unseren Kommunen zu tun hat. In erster Linie sehen doch hier die Meisten eher die Wohlstandsländer der Weltgemeinschaft und die europäische Ebene in der Pflicht. Aber auch wir als kommu-nale Familie können zu diesem globalen Problem enorm positive Beiträge leisten. Hochinteressante Ansatzpunkte konnten wir im Rahmen eines ersten Gesprächs mit unserem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, herausarbeiten.

Im Fokus stehen dabei kommunale Partnerschaften zur Realisierung gemeinsamer Pro-jekte, u. a. mit folgenden Schwerpunkten: Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Entwicklungs- und Schwellenländern, Stabilisierung der Aufnahmekommunen von Flüchtlingen in Nahost sowie Fluchtursachenminderung in den Maghreb-Staaten (Nordwestafrika).

So unterstützt ein neues Programm des zuständigen Bundesministeriums entwicklungspolitisch motivierte Landkreise, Städte und Gemeinden und schafft Anreize für noch mehr Engagement. Denn das fundierte Wissen unserer heimischen Kommunen für die Entwicklungszusammenarbeit wird gebraucht, sei es in der nachhaltigen Stadtplanung, bei Klimaschutzprojekten, in der Versorgung von Flüchtlingen oder im Aufbau einer bürgernahen Verwaltung, um nur einige Beispiele zu nennen.

Bundesminister Dr. Müller hat uns darauf hingewiesen, dass insbesondere in den Anrainerstaaten Syriens das Know-how deutscher Kommunen derzeit sehr gefragt ist - man denke nur an die Themen Abfall, Recycling oder Abwasser. 90 Prozent der syrischen Flüchtlinge haben in Jordanien, im Libanon und in der Türkei Schutz gefunden. Die aufnehmenden Kommunen geraten durch den kurzfristigen Zuzug zunehmend unter Druck. Hier soll die neue Initiative des Entwicklungshilfeministeriums „Kommunales Know-how für Nahost“ diesen Kommunen deutsche Projektpartner vermitteln.

Um entwicklungspolitisch motivierte Kommunen in ihrem Engagement zu unterstützen, wurde ein neues Beratungs- und Förderangebot geschaffen. So können die Kommunalverwaltungen personell unterstützt und Projekte finanziell gefördert werden: Konkret können inte-ressierte Kommunen jeweils eine Personalstelle zur Koordination und Umsetzung entwicklungspolitischen Engagements für zwei Jahre über das Bundesministerium mitfinanzieren lassen. Außerdem wird eine finanzielle Starthilfe für die Anbahnung von kommunalen Partnerschaften gegeben und werden Partnerschaftsprojekte gefördert, die über maximal drei Jahre mit bis zu 250.000 Euro unterstützt werden können.

Auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick nicht so deutlich erscheint, können sich derartige Kommunalpartnerschaften meiner Ansicht nach zu klaren Win-win-Situationen entwickeln. Gerade die Länder Nordafrikas befinden sich mit einer jungen Generation in einem sehr dynamischen Aufbruch. Durch einen entsprechenden Austausch kann auch der jeweilige deutsche Partner enorm gewinnen. Deshalb sollte auch die mittelständische Wirtschaft angesprochen werden. Neben Investitionspartnerschaften sind Ausbildungs- und Lernpartnerschaften und vieles mehr möglich. Ich denke hierbei besonders an Kooperationen mit unseren Kliniken und Berufsschulen.

Darüber hinaus wurde vom Entwicklungshilfeministerium ein Rückkehrer-Programm entwickelt, das gemeinsam mit dem Bundesinnenmi-nisterium umgesetzt werden soll. Auch hier werden die Kommunen als Partner gebraucht. Das Programm richtet sich an Asylbewerber, u. a. an jene, die aus den Herkunftsländern Kosovo, Albanien, aber auch Marokko und Tunesien kommen und in Deutschland wenige Chancen auf Anerkennung haben. Tatsache ist aber: In dieser Zeit ihres laufenden Asylverfahrens dürfen sie nicht arbeiten und sind quasi zum Nichtstun verbannt. Diesen Menschen wird angeboten, freiwillig zurückzukehren und zunächst in Deutschland - in unseren Kommunen vor Ort - das Rüstzeug für einen erfolgreichen Neustart im Heimatland zu erhalten. Zudem stehen in den Herkunftsländern nach der Rückkehr zusätzliche Ansprechpartner zur Verfügung. Denn keiner soll als Verlierer zurückkehren müssen und sich deshalb einer Heimfahrt verweigern. Auch diese Maßnahme könnte durchaus zukunftsträchtig sein.

In Summe lässt sich festhalten, dass auf dem Gebiet der Fluchtursachenbekämpfung von der Bundesregierung interessante neue Möglichkeiten geschaffen wurden, von denen auch unsere bayerischen Kommunen profitieren können.

In diesem Zusammenhang ist es schon bemerkenswert, wie schnell sich Rahmenbedingungen für politisches Handeln ändern können: Noch vor drei oder vier Jahren hätte es nur schwerlich Akzeptanz für kommunale Partnerschaften auf dem Feld der Entwicklungspolitik gegeben. Mittlerweile aber kann uns dieses Know-how wahrscheinlich zu einem gewissen Grad helfen, Probleme im eigenen Land ein Stück weit zu lösen. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint die Grundstimmung hierfür durchaus positiv. Die Ziele „Fluchtursachen mindern“, „Aufnahmeregionen stabilisieren“, „Bleibe- und Zukunftsperspektiven schaffen“ sowie „Flüchtlinge integrieren und reintegrieren“ sind erfolgversprechend. Als KPV werben wir für diese aussichtsreichen Initiativen und haben deshalb für das neue Jahr 2017 den dafür zuständigen Bundesminister Dr. Gerd Müller zu einer Sondersitzung des KPV-Landesvorstandes- und Hauptausschusses eingeladen.

Ihr Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender

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