(GZ-13-2024 - 4. Juli) |
► Franz Löffler, Bezirkstagspräsident der Oberpfalz und Landrat des Landkreises Cham: |
Erfolgreiche Zusammenarbeit auf AugenhöheDie Entwicklung oberpfalz-tschechischer Beziehungen seit 1990 |
Liebe Leserinnen und Leser, als Verwaltungsbeamter der Stadt Waldmünchen habe ich den Fall des „Eisernen Vorhangs“ mit eigenen Augen vor Ort in Waldmünchen/Höll am Grenzzaun erlebt. Am 26. Januar 1990 wurde der Grenzübergang symbolisch wieder geöffnet, die offizielle Grenzöffnung erfolgte mit einem Festakt am 1. August 1990. Diese Zäsur der Weltgeschichte und die daraus folgende Entwicklung konnte ich als Bürgermeister von Waldmünchen (2002 bis 2010), Bezirkstagpräsident der Oberpfalz (seit 2008), Landrat des Landkreises Cham (seit 2010) und als Präsident des Bayerischen Bezirketags (seit 2018) gemeinsam mit zahlreichen Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus Bayern und Tschechien aktiv mitgestalten. Wir sollten aber nie vergessen: Damals wie heute sind es die Menschen, die durch Zuversicht, Fleiß und Vertrauen die Veränderungen im deutsch-tschechischen Miteinander vorangebracht haben. Erfolgreicher Handel gleichberechtigter Partner Rund ein Drittel der tschechischen Exporte geht seit langem in die Bundesrepublik, und deutsche Unternehmen beschäftigen knapp eine halbe Million Menschen in Tschechien. Auch für die deutsche Seite ist die Verflechtung wichtig: Im Jahr 2023 war die Tschechische Republik gemessen am Handelsumsatz der zehntgrößte Handelspartner Deutschlands. Für Bayern ist Tschechien beim Export der drittwichtigste Handelspartner (Quelle: Deutsch-tschechische Industrie- und Handelskammer). Heute pflegen über 3.000 bayerische Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit Tschechien; ungefähr 350 bayerische Firmen sind mit Niederlassungen in Tschechien vertreten. Davon haben 166 eigene Produktionsstätten. Die Region Pilsen und die Oberpfalz erwirtschaften zusammen jährlich weit über 60 Mrd. Euro. Dynamischer Arbeitsmarkt mit hoher grenzüberschreitender Verflechtung Der Quantensprung in der wirtschaftlichen Entwicklung lässt sich auch ablesen in der Historie der Arbeitslosenquote: Diese lag in den Wintermonaten vor der Grenzöffnung noch bei rund 50 Prozent im damaligen Landkreis Kötzting. Aktuell beträgt die Quote in der Oberpfalz 3,2 Prozent und in der Region Pilsen 2,9 Prozent. Mehr als 28.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Tschechischen Republik sind sozialversicherungspflichtig im bayerischen Grenzraum beschäftigt. Allein in den Landkreis Cham pendeln täglich rund 5.700 Menschen aus der Tschechischen Republik bzw. dem Nachbarbezirk Pilsen ein. Auch der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Grenze in entgegengesetzter Richtung überqueren, steigt. Zusammenarbeit konkret Einen wichtigen Beitrag leisten dazu die beim Bezirk Oberpfalz mit Unterstützung des Bayerischen Finanzministeriums eingerichteten Beratungsbüros. Diese beraten kleine und mittelständische Unternehmen gezielt zu Fördermöglichkeiten und begleiten bei der Umsetzung innovativer Projektideen. Seit 2016 konnten 57 Unternehmen in der Region Fördermittel in Höhe von 9,3 Millionen Euro einwerben. Auch der Bezirk Pilsen punktet mit hochwertigen Einrichtungen wie der Westböhmischen Universität (gegründet 1991), die vier eigene Forschungszentren unterhält. Allein in den letzten Jahren konnten 113 Patente angemeldet werden. Ein weiterer Motor der Zusammenarbeit ist die im Sommer 2012 gegründete Europaregion Donau-Moldau (EDM). Die Oberpfalz, der Bezirk Pilsen und fünf weitere Regionen aus Bayern, Österreich und der Tschechischen Republik ergreifen die Initiative bei Zukunftsthemen wie Industrie 4.0., Gesundheit oder Digitalisierung. Seit Sommer 2023 unterstützt der Bezirk auch die Regionalkooperation Oberpfalz-Pilsen, die seit 2001 zwischen der Regierung der Oberpfalz und dem Bezirksamt Pilsen besteht. Vertreter des Bezirks leiten die Arbeitsgruppen „Kultur“ und „Soziale Dienste“. Im April 2023 hat der Beirat für grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der Tschechischen Republik seine Arbeit aufgenommen, dessen stellvertretenden Vorsitz ich seit der Grün-dung innehabe. Konkrete Erfolge gelungener Kooperation sind zum Beispiel der grenzüberschreitende Rettungsdienst und das Feuerwehrwesen. Im Rettungswesen sichert die Zusammenarbeit eine schnelle Erstversorgung der Bevölkerung im Grenzraum. So kann über eine spezielle Kommunikationssoftware mit dem Namen Babylon 2 eine grenzüberschreitende Verständigung und Alarmierung gewährleistet werden. In mehr als 720 Einsätzen haben verletzte Bürgerinnen und Bürger bisher davon profitiert. Wir sind auf einem sehr guten Weg, weil Wirtschaft, Politik und die Menschen beiderseits der Grenze vorankommen wollen für Frieden, Freiheit und wirtschaftlichem Wohlstand. Bilanziert man die Erfolge der Zusammenarbeit kann man feststellen: Die Grenzöffnung 1989/90 war das größte Wirtschaftsförderprogramm aller Zeiten für beide Länder. |
Ihr Franz Löffler, Bezirkstagspräsident der Oberpfalz und Landrat des Landkreises Cham
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