Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-9-2020)
Kommentar von Christine Borst
 

► Christine Borst, 1. Bürgermeisterin Gemeinde Krailling, stv. Landesvorsitzende der KPV Bayern:

 

Die Menschen brauchen positive Perspektiven

Liebe Leserinnen und Leser,

die Corona Pandemie hat die Welt, hat Deutschland und Bayern  weiterhin fest im Griff. Unsere Politiker in Bund und Land leisten derzeit enorm viel, um diese Krise möglichst gut zu bewältigen. Erste Lockerungsmaßnahmen laufen jetzt an, die Folgen des Lockdown werden trotzdem gerade im wirtschaftlichen Bereich verheerend sein und hoffentlich mit den gewährten staatlichen Zuschüssen wenigstens teilweise etwas aufgefangen werden können.

Die Auswirkungen der verordneten Maßnahmen auf zwei Bevölkerungsgruppen machen mir persönlich die größten Sorgen. Zum einen sind das die Bewohner unserer Altenheime, unsere Mütter und Väter, die seit Wochen keinerlei Besuch bekommen dürfen, nicht von der Familie und von Freunden und auch nicht von den vielen ehrenamtlichen Helfern, die das Leben in unseren Heimen mit ihrem Engagement so bunt und lebendig gestalten.

Die hauptamtlich dort arbeitenden Pflegekräfte tun ihr Bestes um dieses Defizit auszugleichen und arbeiten mit enormem Einsatz, aber der Besuch vertrauter Menschen ist fast nicht zu ersetzen. Gerade den oft dementen Bewohnern ist schwer oder überhaupt nicht zu erklären, was die Corona Pandemie ist und warum deshalb die Angehörigen nicht wie gewohnt kommen dürfen. Sie fühlen sich einsam und von der Welt verlassen, was zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen kann.

Natürlich handelt es sich bei den Heimbewohnern um Risikopatienten, die vor einer Ansteckung mit dem Virus geschützt werden müssen. Aber die große Gefahr, wenn die Maßnahmen noch viele Wochen andauern, besteht darin, dass die alten Menschen die Lebensfreude und den Lebensmut verlieren.

Die zweite Gruppe, um die ich mich sorge, sind die Kinder aus sozial schwachen und konfliktbeladenen Familien, die bisher tagsüber in Kindergärten, Schulen und Nachmittagsbetreuungen die Möglichkeit hatten, aus der Enge und angespannten Situation des häuslichen Umfelds zu entfliehen und dort ein Stück Normalität und Geborgenheit zu erleben. Jetzt sitzen diese Familien seit Wochen in viel zu kleinen Wohnungen 24 Stunden am Tag eng aufeinander. Die Kinder werden von gestressten und überforderten Eltern im besten Fall Stunden vor dem Fernseher geparkt, in vielen anderen Fällen vernachlässigt oder seelisch und körperlich misshandelt. Blaue Flecken und Wunden, die sonst in der Kinderbetreuungseinrichtung aufgefallen wären, kommen nicht an die Öffentlichkeit.

Dies trifft im Übrigen auch auf die Frauen zu, die sich oft um die Kinder zu schützen, selbst misshandeln lassen. Enge macht aggressiv. Angst macht blind. Geldmangel und Jobverlust machen wütend. Die Gewaltbereitschaft war vorher schon da, die Krise verschärft sie nur. Der Lockdown verhindert, dass Frauen mit ihren Kindern flüchten und Hilfe suchen können. Und das Eingesperrtsein macht es für manche Männer noch schwerer, ihre Aggressionen zu kontrollieren.

Es wäre meiner Meinung nach dringend erforderlich, zum Einen nach geeigneten Möglichkeiten und Wegen zu suchen, den Senioren im Heim einen zeitlichen Horizont aufzuzeigen, wann Besuche unter bestimmten Bedingungen wieder möglich sein werden, damit sie wenigstens Hoffnung auf Besserung der Lage haben.

Für die Kinder in schwierigen und von Gewalt bedrohten Familien sollten – wenn Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen noch länger geschlossen bleiben müssen – schnellstens Möglichkeiten zur Herausnahme aus ihrem Umfeld geschaffen werden, damit sie der häuslichen Enge wenigstens stundenweise entkommen können.
Bleiben Sie gesund!

Ihre Christine Borst, 1. Bürgermeisterin Gemeinde Krailling, stv. Landesvorsitzende der KPV Bayern

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