Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-12-2015)
Kommentar von Stefan Rößle
 
Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender:
 
Das Land wird sich ändern

Liebe Leserinnen und Leser,

Asyl, Migration, Flüchtlinge: Kaum ein anderer Themenkomplex beschäftigt derzeit alle politischen Ebenen gleich intensiv – von der großen Welt- und Europasicht bis zu den Entscheidungen vor Ort in den Landkreisen, Städten und Gemeinden. 

Gemeinsam geht es darum, den Menschen tatkräftig zu helfen, die wirklich in Not sind. Verfolgung, Folter, Vergewaltigung, Krieg und Bürgerkrieg, drohende Todesstrafe – hier kommt unser verfassungsmäßiges Grundrecht auf Asyl zum Tragen. Dazu stehen wir als kommunale Familie und werden auch alles daran setzen, die Aufgaben im Rahmen unserer Möglichkeiten zu erfüllen.

Ob auch andere Ebenen dazu in der Lage sind, wird sich zeigen. Besonders interessant ist die Frage, ob die Europäische Union ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen kann. Es geht um komplexe Aufgaben wie die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern, die Seenotrettung im Mittelmeer, die Bekämpfung von Schlepperbanden und eine angemessene Aufnahme und vor allem eine gerechte Verteilung. Hier kann es nicht angehen, dass nur wenige Staaten wie Deutschland die Lasten aller auf ihren Schultern tragen. So ist die Philosophie eines „gemeinsamen Europas“ sicherlich nicht zu verstehen.

Erste positive Zeichen vernehmen wir von Seiten der Bundesebene: Der Bund wird für Länder und Kommunen statt 500 Millionen Euro nun eine Milliarde zur Verfügung stellen und sich ab 2016 „strukturell und dauerhaft“ an den gesamtstaatlichen Kosten beteiligen. Konkrete Entscheidungen hierzu sollen aber leider erst im Herbst fallen. Um die Asylverfahren endlich schneller bearbeiten zu können, bekommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis zu 2.000 weitere Stellen. Gut so.

Im Freistaat Bayern werden im Doppelhaushalt 2015/2016 derzeit 1 Mrd. Euro pro Jahr für Asylpolitik veranschlagt und auch beim Thema Abschiebung sind erfreuliche Fortschritte zu vermelden (über 1.200 Personen in Bayern im laufenden Kalenderjahr). Respekt für den Einsatz, doch auch damit sind noch lange nicht alle Ziele erreicht.

Als KPV haben wir vor wenigen Wochen in einem Gespräch mit Ministerpräsident Horst Seehofer um eine deutliche Unterstützung bei den Personalkosten für die Kommunen gebeten. Hier ist uns Gott sei Dank ein Durchbruch gelungen. Der Freistaat erklärt sich bereit, dass jeder Landkreis/jede kreisfreie Stadt je 75 Asylbewerber die Kosten für eine Stelle der Entgeltgruppe 6 (sog. Hausmeisterdienste) erstattet bekommt. Das führt zu einer deutlichen Senkung der Personalkosten und auch zu einer Verbesserung der Betreuung der Asylbewerber vor Ort.

Stichwort „vor Ort“: Die Menschen, die zu uns kommen und auch bleiben dürfen, müssen sozialverträglich integriert werden. Diese Integrationsleistung findet bei uns in den Kommunen statt. Wir reden hier zahlenmäßig über jährlich nicht weniger als 100.000 Personen bundesweit, also eine ausgewachsene Großstadt. Die Aufgabenfülle umfasst dabei nicht nur allein die finanziellen Mittel, auch angemessener Wohnraum muss geschaffen werden, Fachpersonal geschult, die unterschiedlichsten Integrations- und Bildungsangebote organisiert und mögliche Vorbehalte in der Bevölkerung abgebaut werden.

Das gelungene Miteinander von Flüchtlingen und einheimischer Bevölkerung versteht sich deshalb als gesamtgesellschaftliche Herausforderung, bei der es zudem ohne hohes ehrenamtliches Engagement nicht funktionieren wird. Doch diese Kräfte gilt es erst einmal zu gewinnen und laufend zu unterstützen. Auch hier sind wieder vorrangig wir als Kommunen gefragt.

Eines wird bei genauerer Hinsicht immer klarer: Wir müssen uns daran gewöhnen, dass sich unsere Gesellschaft und unser Land in den kommenden Jahren verändern werden. Als Kommunalpolitiker gestalten wir diese Entwicklung an vorderster Front mit. Ob uns das alles in positiver Weise gelingt, hängt aber in hohem Maße davon ab, ob auch Europa, der Bund und der Freistaat in diesem Zusammenhang ebenso ihren Aufgaben nachkommen.

Ihr Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender

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