Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-10-2019)
Kommentar von Stefan Rößle
 

► Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender:

 

Die Bewahrung der Schöpfung ist eine Gesellschaftsaufgabe

Liebe Leserinnen und Leser,

der Landtag berät derzeit über ein enorm wichtiges Thema: das Versöhnungsgesetz zum Volksbegehren „Artenschutz und Naturschönheit“. Unser Bayerischer Ministerpräsident Dr. Markus Söder betonte, dass der Kampf gegen das Artensterben eine existenzielle und gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Als KPV ist das Thema Umweltschutz seit Jahren ein zentrales Politikfeld. Als Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung freue ich mich sehr, dass mit dem runden Tisch und mit dem richtungsweisenden Gesetzesvorhaben ein beispielhafter Prozess in Gang gesetzt wurde, der für diese und weitere wichtige politischen Herausforderungen Maßstab sein kann.

Der Anstoß für diese Entwicklung kam von der Bevölkerung. Das initiierte Volksbegehren erreichte weit mehr als nur die benötigten Unterschriften: insgesamt waren es 1.745.383 Unterschriften. Somit haben 18,4 Prozent aller Bayern dem Begehren ihre Stimme gegeben und ein Zeichen für den Artenschutz und die Bewahrung der Schöpfung gesetzt.

Die Politik hat reagiert: Unter der Leitung von Landtagspräsident a.D. Alois Glück wurde ein Runder Tisch einberufen. Es waren alle gesellschaftlichen Gruppierungen und Verbände vertreten, die in irgendeiner Weise von einem neuen Artenschutzgesetz betroffen sind. Zunächst hatten alle Gruppierungen die Möglichkeit, sich auszusprechen und die eigenen Standpunkte darzulegen.

Man hörte sich die Positionen anderer Parteien an. Ziel war es, in diesem Rahmen einen neuen Gesetzentwurf zu entwickeln, der für alle Beteiligten tragbar ist. Die Bevölkerung hätte anschließend den Auftrag gehabt, zwischen diesem neuen Gesetzentwurf und dem vorherigen Gesetzentwurf des Volksbegehrens in einem Volksentscheid abzustimmen. Das Gesetz, für das sich die Mehrheit der Bevölkerung ausspricht, wird vom Landtag verabschiedet.

Nun kam es doch anders: die Bayerische Staatsregierung hat sich entschlossen, den Gesetzentwurf des Volksbegehrens im Landtag zu verabschieden. Damit werden zwar teils strittige Maßnahmen beschlossen, diese sollen aber in einem Begleitgesetz, über das parallel abgestimmt wird, festgelegt werden. Umstrittene Punkte des Gesetzentwurfs, wie z.B. die fest vorgegebenen Mäh- und Walztermine für Wiesen, sollen so durch Ausführungsbestimmungen geregelt werden, dass sie den regionalen Gegebenheiten in ganz Bayern gerecht werden.

Dieses Versöhnungsgesetz soll Artenschutz, Umweltschutz und Landwirtschaft miteinander in Einklang bringen und Natur- und Artenschutz nachhaltig verbessern. Denn Artenschutz ist nicht alleine Aufgabe der Landwirtschaft, sondern geht alle an: Privatleute ebenso wie Kirchen und Kommunen.
Über die Bezeichnung Versöhnungsgesetz, wie es offiziell betitelt wurde, lässt sich hier streiten. Meines Erachtens nach wäre der Titel Kooperationsgesetz besser geeignet, da das Gesetz auf einer gesellschaftspolitischen Kooperation basiert. Wer von Versöhnung redet, meint damit Gräben zu schließen; das stellt den Prozess letztlich viel zerworfener dar, als er eigentlich war. Denn schließlich hatten alle Beteiligten dasselbe Ziel vor Augen:

Fortschritte im Umwelt- und Artenschutz. Der Unterschied war nur das Wie. Und dieses Wie wird nun vom Versöhnungs- und dem dazugehörigen Begleitgesetz geregelt.

Auch unsere Kommunen haben bereits viele Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Artenschutzes in die Wege geleitet – Hand in Hand mit unseren Landschaftspflegeverbänden und vielen Haupt- und Ehrenamtlichen in den Städten und Gemeinden. Darauf können wir stolz sein! Dennoch dürfen wir uns nicht auf dem bereits Geleisteten ausruhen. Die Bewahrung der Schöpfung ist eine Gesellschaftsaufgabe, die nur mit der Hilfe eines jeden Einzelnen gelingen kann. Ich übertreibe nicht, wenn ich bei dieser Entwicklung – vom Volkswillen zum fertigen Gesetz – von einem Lehrstück der Demokratie spreche. Bürger und Verbände vertreten ihre Interessen, setzen sich für Veränderung ein und nutzen mit dem Volksbegehren ein Organ unserer Verfassung, was der Gesellschaft genau für solche Prozesse zur Verfügung steht.

Die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürgern zeigte, dass es der Wunsch vieler Menschen ist, den Umwelt- und Artenschutz auf ein neues Level zu heben. Gemeinsam mit allen Interessengruppen und Betroffen und unter der Leitung der politischen Verantwortlichen kann nun der Wille der Bürgerinnen und Bürger in ein Gesetz, das greifbare Maßnahmen mit sich führt, aggregiert werden. Vom Wunsch zur Umsetzung, Gesellschaft und Politik gleichsam beteiligt – das ist Demokratie und Politik, wie ich sie mir vorstelle.

Ihr Stefan Rößle, Landrat im Landkreis Donau-Ries, KPV-Landesvorsitzender

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