Kolumnen & Kommentarezurück

(GZ-11-2018)
gz kommentator josef mederer
 

► Josef Mederer, Bezirkstagspräsident von Oberbayern, Präsident des Bayerischen Bezirketags:

 

Kompetente Hilfe aus einer Hand 

Liebe Leserinnen und Leser,

was ist zu tun, wenn die 85-jährige Mutter nach einem Sturz gehbehindert ist, der betagte Vater einen Schlaganfall erleidet oder durch eine Demenzerkrankung zum Pflegefall wird? Und wie geht es weiter, wenn zu wenig Geld da ist, um die Pflege der Eltern in ihrer vertrauten Wohnung zu finanzieren? Solche Fragen müssen viele Familien oft unvorbereitet beantworten. Sie wünschen sich dann schnelle, kompetente und verlässliche Hilfe – möglichst aus einer Hand. 

Jeder Mensch hat das Recht auf angemessene Pflege und ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Immer mehr Menschen möchten sich deshalb zuhause in ihren eigenen vier Wänden von ihren Angehörigen oder von einem ambulanten Pflegedienst pflegen lassen.

Der Bezirk Oberbayern ist bisher als Sozialhilfeträger nur bei der stationären Hilfe zur Pflege eingesprungen. Seit 1. März 2018 sind wir auch für die ambulante Hilfe zur Pflege zuständig, wenn eigenes Einkommen und Vermögen nicht ausreichen. Ich denke, für die betroffenen Menschen wird vieles einfacher, wenn für ambulante und stationäre Pflege nur noch ein Kostenträger zuständig ist. Wir haben die Leistung vorerst aber noch auf die Landkreise und kreisfreien Städte delegiert. Wir brauchen einfach noch etwas Zeit, um uns auf diese spannende Aufgabe vorzubereiten.

Aus ganz Oberbayern übernehmen wir rund 8.000 Hilfefälle der ambulanten Pflege mit den dazugehörigen Annexleistungen wie beispielsweise die Grundsicherung. Dafür benötigen wir unter anderem rund 50 qualifizierte Sachbearbeiter der zweiten und dritten Qualifikationsebene. Diese Personalsuche stellt uns derzeit vor wirklich große Herausforderungen. Schließlich konkurrieren wir als Bezirk Oberbayern im Großraum München mit den Dienststellen der Landeshauptstadt ebenso wie mit einer Vielzahl von staatlichen Behörden um Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Personalakquise sehe ich aber als Chance, den Bezirk als zukunftsorientieren und sozialen Arbeitgeber zu präsentieren. Ich denke, diese positive Darstellung einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist ein Gewinn für die gesamte kommunale Familie.

Unser wichtigstes Anliegen ist aber, dass die Übernahme der ambulanten Pflege möglichst reibungslos abläuft. Im Idealfall sollen die Betroffenen gar nicht merken, dass sie ihre Leistungen von einem anderen Kostenträger erhalten – außer, dass den neuen Bescheid der Bezirk Oberbayern ausgestellt hat. Wir übernehmen die ambulante Pflege deshalb stufenweise: Bereits ab 1. September 2018 werden wir für die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck und München sowie für Stadt und Landkreis Rosenheim zuständig sein. Die Hilfefälle aus den übrigen Landkreisen und kreisfreien Städten Oberbayerns ziehen dann zum 1. Januar 2019 zu uns um.

Besonders wichtig ist mir, dass sich wirklich niemand Sorgen zu machen braucht, künftig andere oder weniger Leistungen zu bekommen. Deshalb haben wir im Bezirkstag einen wichtigen Beschluss gefasst: Alle bisherigen Hilfeempfänger erhalten Bestandsschutz. Das heißt: Jede Person bekommt beim Übergang der ambulanten Hilfe zur Pflege auf uns ihre Leistungen weiter – und zwar unverändert im bisherigen Umfang. Wir prüfen nur dann neu, sobald ein Fall neu zu bewerten ist. Das kann beispielsweise sein, wenn sich der Pflegegrad oder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse geändert haben.

Die reibungslose Übernahme der ambulanten Pflege ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass wir in einer älter werdenden Gesellschaft beste wohnortnahe Beratungsangebote brauchen. Denn nur mit dem notwendigen Wissen können die Betroffenen entscheiden, wo und wie sie sich pflegen lassen möchten: in den eigenen vier Wänden, in einem behindertengerechten betreuten Wohnangebot oder einem stationären Pflegeheim. Das Schöne ist ja, dass es im Bereich der Pflege bereits so vielfältige Angebote gibt.

Nicht selten müssen sich die Bürgerinnen und Bürger die Informationen mühevoll zusammensuchen, da es bisher keine wirklich vernetzten Beratungsangebote gibt. Das halte ich für nicht mehr zeitgemäß. Ich setze mich deshalb für die Gründung von Pflegestützpunkten in allen Landkreisen und kreisfreien Städten in Partnerschaft mit Kranken- und Pflegekassen ein. Natürlich sollte die kommunale Familie auch Verbände und ehrenamtliche Senioren- und Behindertenbeauftragte mit ins Boot holen, um bereits vorhandene Strukturen partnerschaftlich zu vernetzen.

Es freut mich sehr, dass einige Landkreise diese Idee bereits aufgenommen haben und gemeinsam mit dem Bezirk Oberbayern ein Konzept entwickeln möchten. 

Ihr Josef Mederer, Bezirkstagspräsident von Oberbayern, Präsident des Bayerischen Bezirketags

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