Interviews & Gesprächezurück

(GZ-7-2025 - 27. März)
GZ 06 2025 Interview Oberbürgermeister Alexander Putz Stadt Landshut
 

► GZ-Interview mit Oberbürgermeister Alexander Putz über die finanzielle Krise der Stadt Landshut:

„Wir haben eine Vollbremsung hingelegt“

Die Stadt Landshut steht ebenso wie viele andere Kommunen vor einer finanziellen Zäsur. Oberbürgermeister Alexander Putz spricht im Interview offen über die dramatische Lage der kommunalen Finanzen, die Auswirkungen auf Bürger und Projekte und die strukturellen Probleme, die weit über die Stadtgrenzen hinausgehen. „Ich habe schlaflose Nächte“, sagt er. Ein Gespräch über Rücklagen, Krankenhausdefizite und die Hoffnung auf Hilfe von Bund und Land. Das Gespräch führte GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel.

GZ: Herr Oberbürgermeister, wie akut ist die finanzielle Lage in Landshut?

Alexander Putz: Die Situation ist eskaliert. Seit Jahren warnen wir, dass es so nicht weitergeht – und es wird schlimmer. Letzte Woche haben wir den Haushalt 2025 verabschiedet, genehmigungsfähig nur durch eine beispiellose Vollbremsung. Alle Projekte, die noch nicht laufen, sind gestrichen. Mein Motto in der Haushaltsrede war: ‚Rien ne va plus‘ – nichts geht mehr.

GZ: Heißt das, nur noch Pflichtaufgaben?
Putz: Das ist zu einfach gedacht. Pflicht- und freiwillige Aufgaben sind oft nur Etiketten; viele freiwillige Leistungen sind vertraglich bindend. Aber faktisch: Alle Investitionen, die vergangenes Jahr noch für die kommenden drei Jahre geplant waren und die wir nicht begonnen haben, sind weg. Das betrifft dringende Projekte –die Generalsanierung und Erweiterung einer Grundschule, die Generalsanierung des Stadttheaters, das seit zehn Jahren in einem Zelt untergebracht ist, neue Kindergärten, Straßensanierungen, neue Feuerwachen. Wir können das jetzt nicht mehr stemmen.

GZ: Was bedeutet das für die Bürger?
Putz: Es ist bitter. Ich bin heute Abend bei der Freiwilligen Feuerwehr, letzte Woche war ich bei den Theaterfreunden und den Museumsfreunden. Die Landshuter Zeitung titelte schon: ‚Auf Entschuldigungstour‘. Wir waren auf einem guten Weg, aber äußere Faktoren bremsen uns aus. Andere Kommunen hatten schon Haushaltssperren; wir konnten das mit Rücklagen abfedern. Doch 2025 lösen wir fast alles auf – und von 80 Millionen Euro Investitionen dieses Jahr stürzen wir auf 10 bis 11 Millionen in den Folgejahren.

GZ: Woher kommt dieser Einbruch?
Putz: Landshut wächst seit 2010 prozentual am stärksten in Deutschland – das löst Investitionsbedarf aus: drei neue Schulen, zusätzliche Kindergärten, das Eisstadion musste dringend saniert werden, Kulturförderung. Doch wir haben hohe Schulden, stagnierende Steuereinnahmen und explodierende Kosten, bedingt z.B. durch Tarifabschlüsse und steigende Baupreise. Der größte Brocken: die Unterfinanzierung der Krankenhäuser.

GZ: Wie belastet das Klinikum die Stadt?
Putz: Es ist ein Skandal, dass Kommunen einen Rettungsschirm für die Krankenhausversorgung bilden müssen. Von 2017 bis 2028, also bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums, werden wir insgesamt mindestens 136 Millionen Euro aufwenden müssen – der Großteil dieser Summe ist bereits geflossen. Dieses Geld fehlt an allen Ecken und Enden, zum Beispiel für Schulen oder Straßen. Früher betrug der Zuschussbedarf des Klinikums rund 3,5 Millionen jährlich, jetzt 20 Millionen. Die Betriebskosten steigen rasant – Löhne, Energie, Technik –, aber die Vergütungen hinken hinterher. Corona und Inflation haben das verschärft. Der Bund versprach einen Inflationsausgleich, lieferte aber nichts. Ohne Hilfe sterben Kliniken.

GZ: Warum greift die Bundespolitik nicht ein?
Putz: Die Fallpauschalen decken die Kosten nicht. Wären sie inflationsgebunden, wäre es besser, aber das erhöht die Krankenkassenbeiträge zusätzlich – ein Teufelskreis. Lauterbachs Reform ab 2027 bringt keine Lösung, sondern Chaos. Es fehlt an einem verbindlichen Plan. Kliniken können nicht konsolidieren. Und wir Kommunen puffern das ab.

GZ: Wie sieht die Zukunft aus, wenn sich nichts ändert?
Putz: Ohne Wirtschaftswachstum wird es düster. Wir hoffen auf zwei Dinge: Steigende Steuereinnahmen durch eine stärkere Wirtschaft und einen rückwirkenden Rettungsschirm für Kliniken. Die 100 Milliarden für Länder und Kommunen? Wir brauchen unseren Teil davon, aber das allein reicht nicht aus.

GZ: Was muss sich grundlegend ändern?
Putz: Wir fordern eine Aufgabenkritik: Was müssen Kommunen wirklich stemmen? Dazu weniger Förderbürokratie, mehr Vertrauen in uns vor Ort, eine bessere Finanzausstattung. Digitalisierung sollte das Land zentral regeln, statt jedes Rathaus mit dieser Aufgabe allein zu lassen. Und: Das Wirtschaftswachstum muss zumindest stark genug sein, um die Inflation auszugleichen – langfristig kollabiert sonst das System.

GZ: Ihr Appell an die Bürger?
Putz: Wir tun, was wir können – etwa mit der Klinikfusion 2026 von Stadt und Landkreis Landshut. Aber wir brauchen Bund und Land. Die Kommunen sind die Herzkammer der Demokratie. Wir tragen gerne viele Aufgaben, aber wenn unsere Arme brechen, kracht alles auf den Boden – und etwas wird kaputtgehen, zum Schaden der Gesellschaft. Ich hoffe, Bund und Land hören den Hilferuf.“

GZ: Vielen Dank für das Gespräch! CH
GZ 07 2025 OB Alexander Putz Stadt LandshutConstanze von Hassel, Bayerische GemeindeZeitung und Oberbürgermeister Alexander Putz, Stadt Landshut. Bild: Stadt Landshut

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