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(GZ-6-2023)
GZ-Interview mit Kerstin Amend-Maar, Geschäftsführerin VR-Crowd GmbH: „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ - Warum Crowdinvesting dem genossenschaftlichen Urgedanken entspricht
 

► GZ-Interview mit Kerstin Amend-Maar, Geschäftsführerin VR-Crowd GmbH:

 

„Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ - Warum Crowdinvesting dem genossenschaftlichen Urgedanken entspricht

Selbst durch ihre Ausbildung ein genossenschaftliches Urgewächs, führte Kerstin Amend-Maar, nach mehreren Stationen in der Bankenwelt, ihr Weg im Jahr 2006 zur VR-Bank Würzburg. Für Firmenkunden verantwortete sie dort den Bereich Finanzierung. Seit 1.1.2022 ist sie Geschäftsführerin der aus der VR-Bank Würzburg ausgegründeten VR-Crowd GmbH. Warum sich deren Geschäftsmodell ausdrücklich auch für die Finanzierung von kommunalen Vorhaben eignet und wie Crowdinvesting zu mehr Bürgerakzeptanz von Projekten führen kann, darüber sprach sie mit .

Kerstin Amend-Maar. Bild: VR-Crowd
Kerstin Amend-Maar. Bild: VR-Crowd

GZ: Was ist der Unterschied zwischen Crowdfunding und Crowdinvesting?

Kerstin Amend-Maar: Beide Begriffe sind gesetzlich so nicht definiert, sondern „Sprachgebrauch“.

Beim Crowdfunding geht es darum, ein Projekt mit Spendengeldern umzusetzen, wobei sich die „Crowd“, also der „Schwarm“, aus vielen Personen zusammensetzt, die – jeder für sich – kleine Beiträge spenden. Und diese Idee ist älter als gedacht! Die Finanzierung des Sockels der New Yorker Freiheitsstatue gilt als eines der ersten Crowdfunding-Projekte weltweit und geht auf den Zeitungsverleger Joseph Pulitzer zurück, der den Spendern eine namentliche Nennung in seiner Zeitung „The New York World“ versprach. Heutzutage haben die VR-Banken die Plattform „Viele-schaffen-Mehr“ für die spendenbasierte Finanzierung eines guten Zwecks entwickelt, die besonders von Vereinen gerne genutzt wird.

Crowdinvesting dient hingegen einer Unternehmensfinanzierung und ist im Vermögensanlagengesetz als „Schwarmfinanzierung“ geregelt. Die Plattform www.vr-crowd.de bietet Anlegern die Möglichkeit Nachrangdarlehen an Projketträgern zu vergeben. Das Nachrangdarlehen wird verzinst zurückgezahlt und die Anleger gehen keine unternehmerischen Verpflichtungen ein. Attraktiv dabei ist, dass konkrete, zumeist lokale, Projekte ausgewählt werden können, die den Anlegern häufig sogar bekannt sind.

GZ: Warum eignet sich Crowdinvesting für Bürgerbeteiligungen an Projekten aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien?

Amend-Maar: Crowdinvesting ist ein sehr einfaches und pragmatisches Mittel, um Bürgerbeteiligung bei Projekten sicherzustellen und Akzeptanz in der Bevölkerung zu fördern. Stellen Sie sich vor, eine Kommune schreibt einem Projektträger Bürgerbeteiligung vor. Im Modell einer Kommanditgesellschaft bedeutet das für die Anleger häufig, dass mindestens 5.000 Euro – meistens mehr – eingesetzt werden müssten und die Kommanditisten eine unternehmerische Beteiligung eingehen. Das schließt einerseits Personen von vornherein aus, die nicht so viel Geld investieren können und andererseits haben nur wenige das unternehmerische Verständnis für ein solches Konstrukt.

Anders verhält es sich bei der Finanzierung z.B. eines Windrades durch die Crowd. Hier kann man schon mit 250 Euro und einer festen Verzinsung dabei sein. Das ist einfach und stärkt den emotionalen Bezug der Bürgerinnen und Bürger zu diesem Windrad. Die VR-Crowd geht hier noch einen entscheidenden Schritt weiter, indem sie alles vollkommen digital, transparent und Smartphone-fähig anbietet. Die VR-Crowd ist so die Digitalisierung des genossenschaftlichen Urgedankens „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele.“

Ein gutes Beispiel für eine gelungene Finanzierung im Bereich der erneuerbaren Energien, bei dem bereits ab 250 Euro in Solarkraftanlagen investiert werden konnte, befindet sich bereits für jeden einsehbar auf www.vr-crowd.de. Weitere sind in Vorbereitung.

GZ: Und das Risiko?

Amend-Maar: Keine Investition ist ohne Risiko. Beim Crowdinvesting über die VR-Crowd handelt es sich um sogenannte „Nachrangdarlehen“, d.h. sollte das Projekt schiefgehen, werden diese Darlehen auch nachrangig behandelt und es droht ein Totalverlust. Aber unser Geschäftsmodell verspricht eine mehrfach geprüfte Investition, denn es ist immer eine VR-Bank angeschlossen, die das Projekt vorab auf Herz und Nieren prüft und dann auch mitfinanziert. Und auch das muss einmal gesagt werden: Die Genossenschaftsbanken stehen in dem guten Ruf, konservativ zu sein und keine zu riskanten Geschäfte einzugehen. Außerdem sind sie die einzige Bankengruppe, die noch nie staatliche Unterstützung in Anspruch genommen hat. Seit es die VR-Crowd gibt, also seit 2018, wurden 33.040.500 Euro durch Kleinanleger bereitgestellt und kein einziges Projekt ist bisher ausgefallen.

GZ: Machen sich die VR-Banken denn mit der Crowd nicht selbst Konkurrenz?

Amend-Maar: Überhaupt nicht! Das ist nicht ganz einfach zu erklären, aber im Grunde fängt die Crowd auch diejenigen Geschäfte auf, die eine VR-Bank allein aus Gründen der Regulatorik nicht machen könnte oder möchte. Das hängt damit zusammen, dass die Bank mittels Crowdinvesting ggfs. das benötigte vorzuhaltende Eigenkapital reduzieren kann. Im Vermögensanlagegesetz ist auch festgelegt, dass der Anteil einer Finanzierung je Projektgesellschaft durch die Crowd aktuell auf höchstens 6 Mio. Euro begrenzt ist. Weitere Finanzierungsmittel stellt dem Projektträger in unserem Geschäftsmodell die Bank als Fremdkapital zur Verfügung.

GZ: Wer darf denn investieren?

Amend-Maar: Jeder aus ganz Deutschland kann mitzeichnen! Auf der Internetseite www.vr-crowd.de können die Projekte ausgewählt werden. Im Fall von Bürgerbeteiligung und Bürgerakzeptanz lassen sich die Zeichnungsberechtigten zeitlich und lokal beispielsweise auf bestimmte Postleitzahlen eingrenzen.

In der genossenschaftlichen Finanzgruppe wird der starke lokale Bezug gelebt und genau das fördern wir mit der VR-Crowd. Menschen investieren ihr Geld vor Ort in den deutschen Mittelstand und sehen in der Regel auch was daraus entsteht, z.B. eine Photovoltaikanlage, ein Windrad, Wohnungen oder auch eine Brauerei. Sie kaufen keine abstrakten Anlageprodukte, bei denen im schlechtesten Fall die Wertschöpfung auch noch ins Ausland abfließt.

GZ: Vielen Dank für das Gespräch!

CH

 

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