Interviews & Gesprächezurück

(GZ-1/2-2020)
GZ-Interview mit Kommunalminister Joachim Herrmann
 

► GZ-Interview mit Kommunalminister Joachim Herrmann:

 

Mehr Zukunft wagen

„Unsere Grunderkenntnis heißt: Ein starkes Bayern braucht starke Kommunen. In seinem eigenen Interesse tut der Freistaat alles, damit dies auch in Zukunft so bleibt“, betonte der bayerische Staatsminister des Innern, für Sport und Integration Joachim Herrmann in einem Gespräch mit der Bayerischen GemeindeZeitung. Beleg hierfür sei nicht zuletzt die Tatsache, „dass Bayern den kommunalfreundlichsten Haushalt aller Bundesländer unterhält“.

Die bayerischen Kommunen stehen aus Herrmanns Sicht gut da. Als höchst zufriedenstellend wertete er das Ergebnis der Verhandlungen um den kommunalen Finanzausgleich: Mit der Rekordsumme von knapp 10,3 Milliarden Euro habe der Freistaat die Serie der Rekordzuweisungen der vergangenen Jahre im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs fortgesetzt. Dass die Einnahmen der Kommunen in den vergangenen zehn Jahren von knapp 29 Milliarden Euro auf über 43 Milliarden Euro gestiegen sind und gleichzeitig die Verschuldung der Kommunen von 13 Milliarden Euro um 1,7 Milliarden Euro auf 11,3 Milliarden Euro abgebaut werden konnte, sei ein gutes Zeichen für die Zukunft. „Das Steuerwachstum im Freistaat ist somit auch bei den Kommunen angekommen“, bemerkte der Minister.

Blick in die Zukunft

Mit Blick auf die aktuelle Konjunkturentwicklung sowie die gigantischen Herausforderungen in der technologischen Entwicklung und Digitalisierung, sei dies für den Freistaat im bundesweiten Vergleich eine herausragende Ausgangsposition für die kommenden Jahre, erläuterte Herrmann. Deutschland insgesamt weise freilich im internationalen Vergleich nicht in allen Bereichen Spitzenwerte auf, sondern sei beispielsweise bei den Themen Infrastruktur oder digitale Verfahren (digitaler Bürgerservice) einem „erheblichen Beschleunigungsdruck“ ausgesetzt. Herrmann zufolge „haben wir nicht viel Zeit, hier tätig zu werden“. Gerade mit Blick auf die Kommunalwahlen 2020 müssten die Bürger darauf hingewiesen werden, „dass diese Entwicklungen auch mehr Verantwortung und deutliche Veränderungen bedeuten“. Zudem stünden wichtige Zukunftsinvestitionen an.

Spitzenstellung Sicherheit

Bei der Inneren Sicherheit hat der Freistaat bereits beste Voraussetzungen dafür geschaffen, auch künftig als sicherstes Bundesland eine Spitzenstellung einzunehmen. Allein 2019 konnten rund 1.700 Neueinstellungen vorgenommen werden, ein Wert auf Spitzenniveau. 3.500 zusätzliche Polizeistellen hat die Bayerische Staatsregierung für den Zeitraum von 2017 bis 2023 insgesamt beschlossen. Eine weitere personelle Aufstockung ist für das Landesamt für Verfassungsschutz mit 25 neuen Stellen zur verstärkten Bekämpfung von Rechtsextremismus und Cyberkriminalität vorgesehen.

Ziel ist, den Personalbestand der Polizei bis 2023 auf 45.000 Beschäftigte auszubauen. Auch hinsichtlich der Sachausstattung wird die Polizei massiv unterstützt. So wird deren Sachbudget für modernste Technik auch 2020 mit knapp 440 Millionen Euro auf hohem Niveau fortgeführt. Für eine noch schnellere Alarmierung von Feuerwehr und Rettungsdienst wird eine bundesweite Notruf-App eingeführt, die einen barrierefreien Zugang zum Notruf 112 ermöglicht. Bayern stellt hierfür 800.000 Euro bereit. Darüber hinaus werden die Investitionen in den Rettungsdienst und Katastrophenschutz in 2020 um weitere neun Millionen Euro auf 101,1 Millionen Euro verstärkt.

Investitionen in technischen Fortschritt

Für eine moderne und zukunftsorientierte Polizei hat der Freistaat auch in den technischen Fortschritt und in die Digitalisierung kräftig investiert: „Wir haben etwa das Programm „Mobile Police“ konsequent weiter ausgebaut.“ Für die einsatzkritische Kommunikation hat sich der Digitalfunk bewährt. In Ergänzung dazu stehen den Einsatzkräften bereits annähernd 10.000 Smartphones zur Verfügung.

Diese Ausstattung wird durch die Bereitstellung von Convertibles, also Tablets mit optionaler Tastatur sowie Fingerabdruckscanner, in den Streifenfahrzeugen noch erweitert. So haben die Einsatzkräfte – egal, wo sie sich gerade aufhalten – mobilen Zugriff auf alle polizeilichen Anwendungen genauso wie auf der Dienststelle.

Ein Gradmesser für die Qualität der Arbeit der Polizei ist nach Herrmanns Worten die Aufklärungsquote, also das Verhältnis der polizeilich aufgeklärten Taten in Bezug auf die Gesamtzahl der registrierten Straftaten: „Hier belegt die Bayerische Polizei bereits seit vielen Jahren im bundesweiten Vergleich einen Spitzenplatz.“ 2018 betrug die Aufklärungsquote in Bayern 64,5 Prozent (ohne ausländerrechtliche Delikte wie illegale Einreise). Das heißt, rund zwei Drittel aller Straftaten wurden aufgeklärt. Der bundesweite Durchschnitt lag im vergangenen Jahr bei 56,5 Prozent. Insgesamt ist eine leichte Steigerung von Gewaltdelikten zu verzeichnen. Zudem belegen die Kriminalstatistiken in diesem Bereich eindeutig einen überdurchschnittlich hohen Anteil von tatverdächtigen Ausländern, merkte der Kommunalminister an.

Sicherheit und Lebensqualität

Laut Herrmann ist eine niedrige Kriminalitätsrate für das Sicherheitsgefühl der Menschen und damit auch ihre Lebensqualität von großer Bedeutung. Davon profitierten auch die Kommunen. „Tatsache ist: Bei einem Großteil der Bevölkerung hat die Polizei ein hohes Ansehen. Wir erleben, dass hochqualifizierte junge Leute in den Polizeidienst gehen.

Im Unterschied zu anderen Branchen gibt es hier im Freistaat keinen Nachwuchsmangel. Zu Recht hat das Thema Innere Sicherheit bei der Bayerischen Staatsregierung einen sehr hohen Stellenwert“, unterstrich der Minister.

Der Verrohung unserer Gesellschaft entgegenwirken

Was die zunehmenden Anfeindungen und Bedrohungen in den sozialen Netzwerken gegenüber Kommunalpolitikern, aber auch Mitarbeitern in Verwaltungen oder Behörden anbelangt, müssen diese nach Herrmanns Überzeugung zur Anzeige gebracht und konsequent verfolgt werden. Die Sicherheitsbehörden seien hierzu personell und technisch besser auszustatten. Dem Trend einer immer stärkeren Verrohung in der Gesellschaft könne und dürfe man nicht arglos zusehen. Anonyme E-Mails könnten zwar oftmals nicht sofort zurückverfolgt werden, doch sei man hier nicht völlig hilflos, wie Herrmann anhand eines aktuellen Falls berichtete.

Wiederholt seien in den vergangenen Monaten Droh-E-Mails an Moscheen, Parteizentralen, Medien und andere Einrichtungen in Bayern gesandt und konkrete Drohungen ausgesprochen worden. Die Verfasser hätten unter anderem mit Sprengstoffanschlägen gedroht. Dem bayerischen Landeskriminalamt sei es aber geglückt, die anonym versandten Mails zurückzuverfolgen und die Absender zu ermitteln.

Integration von Menschen mit Migrationshintergrund

Auf einem erfolgreichen Kurs sieht Herrmann auch und insbesondere die Integration in Ausbildung und Arbeit von Menschen mit Migrationshintergrund. Der Freistaat hat laut Herrmann die bundesweit niedrigste Arbeitslosenquote bei Ausländern (Bayern: 6 Prozent; Bundesdurchschnitt: 11,9 Prozent). In keinem Bundesland seien mehr Menschen mit Migrationshintergrund erwerbstätig (Bayern: 73,7 Prozent; Bundesdurchschnitt: 67,7 Prozent). Herrmann betonte aber auch, dass die Erwerbstätigenquote von Menschen mit Migrationshintergrund (73,7 Prozent) nach wie vor geringer ist als bei Menschen ohne Migrationshintergrund (81,2 Prozent).

Fachkommission „Zukunft Integration in Arbeit“

Die Integrationsbemühungen von Wirtschaft, Verwaltung, Ehrenamt und weiteren Akteuren sollen daher künftig noch besser koordiniert werden. Auf seinen Vorschlag hin habe der Ministerrat beschlossen, eine ständige Fachkommission „Zukunft Integration in Arbeit“ einzurichten. Dort sollen Fäden zusammenlaufen und die gemeinsamen Anstrengungen der maßgeblichen Akteure auf dem Arbeitsmarkt gebündelt werden, erklärte Herrmann.

Einen herausragenden Stellenwert für die Integration hätten außerdem die Bereiche Ehrenamt und Sport: „Eigenes ehrenamtliches Engagement hilft Migranten, sich sozial zu integrieren. Wer sich etwa bei einer freiwilligen Feuerwehr oder in einem Sportverein engagiert, wird Teil eines Teams und damit Teil unserer Gesellschaft.“

Gleichzeitig profitierten Migranten selbst enorm von der wertvollen Arbeit ehrenamtlicher Helfer, die sich für eine erfolgreiche Integration in Bayern einsetzen. Die Integration durch Ehrenamt und Sport will Herrmann daher weiterhin stärken, etwa in dem Ehrenamtliche vor Ort hauptamtliche Integrationslotsen als starke Ansprechpartner zur Seite gestellt bekommen. „In mittlerweile 86 Landkreisen und kreisfreien Städten gibt es solche Integrationsprofis, die wir mit bis zu 60.000 Euro fördern.“

Insgesamt seien die Verfahren im Ausländer- und Asylrecht deutlich beschleunigt worden, führte Herrmann weiter aus. Er wertete es als große Leistung des Bundesamtes und der Landesbehörden, dass die Durchschnittsdauer bei den behördlichen Asylverfahren inzwischen bei rund drei Monaten liegt.

Herrmann betont die Balance zwischen Humanität und Ordnung: „Rund ein Drittel der Asylanträge werden positiv verbeschieden, die Abgelehnten müssen im Regelfall unser Land auch wieder verlassen.“ Dazu zählten auch z. B. wegen Drogenhandels und schwerer Körperverletzung vorbestrafte Personen, selbst wenn sie inzwischen einen Arbeitsplatz in Deutschland bekommen haben.

Dagegen gebe es im Falle gut integrierter Flüchtlinge, die aufgrund noch andauernder Asylverfahren bereits einige Zeit in Deutschland leben, durchaus Möglichkeiten, von einer Rückführung nach Antragsablehnung abzusehen. Durch die Regelungen im Rahmen des Migrationspakets seien Regelungen geschaffen worden, mit denen die Möglichkeiten der Ausbildungsduldung noch offensiver angewendet werden könnten und besondere Integrationsleistungen von Asylbewerbern anerkannt werden könnten, ohne dass es zu einer Aufgabe der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration durch einen Spurwechsel komme. Sowohl die zentralen Ausländerbehörden als auch das Landesamt für Asyl und Rückführung prüften hier jeden Einzelfall.

Entlastung der Ballungsräume und attraktivere Gestaltung der ländlichen Räume

Als klaren Auftrag an die Politik erachtet Herrmann schließlich weiterhin die Entlastung der Ballungsräume und die attraktivere Gestaltung der ländlichen Räume gerade auch für junge Menschen. Benötigt würden dort vor allem attraktive Arbeitsplätze sowie eine gute Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Verkehr, Internet, Kinderbetreuung, Bildung und Gesundheit. Wenn dadurch vermehrt junge Menschen aufs Land ziehen, könnten die Entwicklung und die Altersstruktur dort positiv beeinflusst werden.

DK

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