Interviews & Gesprächezurück

(GZ-11-2018)
gz interview mit Franz Josef Pschierer
 

► GZ-Interview mit Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer:

 

Erfolgreiche Standorte im ganzen Freistaat

Fleiß, Konsequenz, Innovationsreichtum und Kreativität sieht Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer als Erfolgsfaktoren des ökonomischen Handelns im Freistaat. Von der im Ausland häufig vertretenen Meinung „Munich is Bavaria“ hält er wenig, denn im gesamten Freistaat gibt es erfolgreiche Wirtschaftsstandorte. Diese will er weiter stärken. Schließlich kann man letztlich immer nur soviel Geld ausgeben, wie man an anderer Stelle eingenommen hat. Das Gespräch mit dem Minister führten Constanze von Hassel und Jörg Kunstmann.

GZ: Herr Minister, Sie sind jetzt seit 77 Tagen im Amt des bayerischen Wirtschaftsministers. Haben Sie schon etwas erreichen können?

Pschierer: Natürlich hatte ich Startvorteile dadurch, dass ich zuvor Staatssekretär im Wirtschaftsministerium war und sowohl Themen als auch das Haus kannte. Dadurch war keine Einarbeitungszeit notwendig, und ich konnte mich gleich in die Arbeit stürzen. Dabei habe ich zwei Themen sofort in Angriff genommen: Die Stärkung des Tourismus und eine Priorisierung der Ansiedlungspolitik.

Unternehmen für den ländlichen Raum gewinnen

GZ: Was genau heißt Stärkung bzw. Priorisierung in diesem Zusammenhang?

Pschierer: Lassen Sie mich mit der Ansiedlungspolitik beginnen: Der Freistaat ist wirtschaftliche extrem gut aufgestellt. Wachstum finden Sie in allen Regierungsbezirken. Allerdings profitieren gerade bei der Ansiedlung vor allem die großen Metropolregionen, allen voran München.

Wir haben uns auch in der Vergangenheit bemüht, Unternehmen für den ländlichen Raum zu gewinnen. Mit diesem Ziel haben wir in der Region Forschungseinrichtungen, Universitäten und Kompetenzzentren gegründet. Es ist Zeit, die Früchte dieser Anstrengungen zu ernten. Deshalb will ich ansiedlungswillige Unternehmen noch deutlich stärker auf die jeweils eigenen Qualitäten der Regionen aufmerksam machen und zusätzlich für die spezifischen Vorteile im ländlichen Raum werben, was Grundstückspreise, Lebenshaltungskosten, Wohnraum und Mobilität betrifft. Dadurch schaffen wir nämlich nicht nur neues Wachstum und Arbeitsplätze im ländlichen Raum, sondern entlasten gleichzeitig die Ballungsräume.

Vorteile in allen Landesteilen

GZ: Wie soll das funktionieren, wenn es internationale Unternehmen immer wieder nach München zieht?

Pschierer: Von außen betrachtet besteht Bayern oft nur aus München mit seinem Oktoberfest, dem FC Bayern und großartigen Autos. Über die Bedingungen und Vorteile in allen Landesteilen fehlt oft schlichtweg das Wissen. Ich werde deshalb in einer konzertierten Aktion alle Kräfte und Kompetenzen, die sich mit Ansiedlungsfragen beschäftigen zu einer Wirtschaftsagentur zusammenfassen und diese auch personell aufstocken. So wird das Büro unserer Ansiedlungsagentur in Nürnberg gestärkt, und wir werden eine zweite Niederlassung in Hof gründen. Bei Unternehmen, die bereits in Bayern präsent sind, werde ich aber auch für Niederlassungen im ländlichen Raum werben. Es gibt angesichts mobiler Kommunikationsmittel und technischer Entwicklungen viele Tätigkeiten, die von jedem beliebigen Ort ausgeübt werden können – dabei können Mitarbeiter von einer günstigeren Wohnsituation profitieren, Verkehrswege entlastet werden, Unternehmen können schlichtweg Platz gewinnen, aber auch Fachkräfte.

Bayern beim Netzausbau fokussieren

GZ: Fehlt nicht oft die notwendige Infrastruktur?

Pschierer: Wir arbeiten seit Jahren daran, Infrastruktur in ganz Bayern zu schaffen, was Verkehrswege, den Schienenverkehr, aber auch ein modernes und leistungsstarkes Netz betrifft. Im Zuge der Digitalisierung wird letzteres immer wichtiger – viele neue Geschäftsmodelle basieren auf der Digitalisierung und bestehende Unternehmen stellen auf digitale Prozesse um. Deshalb baut der Freistaat das Breitband in diesem enormen Ausmaß aus.

Was den Mobilfunk betrifft, gibt es noch Bedarf. Aber ich habe die Netzbetreiber bereits gewinnen können, Bayern als wachstumsstärkstes Land beim Netzausbau zu fokussieren. Allein im ersten Quartal dieses Jahres haben die drei Betreiber Telekom, Vodafone und Telefonica 46 neue Mobilfunk-Sendemasten errichtet und 758 bestehende Anlagen auf neuen LTE-Standard gebracht.

Zusätzlich wird unser Mobilfunkprogramm dafür sorgen, dass weiße Flecken geschlossen werden, in denen die Netzbetreiber aus Wirtschaftlichkeitsgründen ohne Förderung nicht ausbauen können. Das Förderprogramm kann starten, sobald die EU-Kommission grünes Licht gibt. Ich rechne damit noch in diesem Sommer.

Leitökonomie Bayerntourismus

GZ: Sie haben eingangs noch von einer Stärkung des Tourismus gesprochen. Warum halten Sie das für wichtig? Die Gästezahlen steigen doch von Jahr zu Jahr.

Pschierer: Das stimmt. Wir können im Bayerntourismus jedes Jahr neue Rekorde vorweisen was Gästezahlen und Übernachtungen betrifft. Die Tourismusbranche hat sich zu einer Leitökonomie entwickelt. Touristen geben jedes Jahr rund 31 Milliarden Euro in Bayern aus. Über 560.000 Personen im Freistaat beziehen ihr Einkommen vollständig durch den Tourismus. Berücksichtigt man Zweitrundeneffekte, etwa auf das lokale Handwerk oder den Einzelhandel, dürfte die Zahl noch um ein Vielfaches höher liegen. Dieser Bedeutung des Tourismus als Arbeits- und Wirtschaftsfaktor will ich gerecht werden.

Zugleich steht auch der Tourismus vor Herausforderungen und in einem scharfen Wettbewerb. Digitalisierung, Fachkräftebedarf, aber auch eine an den steigenden Ansprüchen der Gäste orientierte Weiterentwicklung der Branche sind nur die offensichtlichsten Beispiele.

GZ: Und wie soll die Branche diese Herausforderungen bewältigen?

Pschierer: Aus meiner Sicht waren zunächst drei Dinge zentral: einerseits musste ich im Wirtschaftsministerium selbst die Bedeutung der Branche abbilden. Das ist bereits erfolgt: Wir haben jetzt eine eigene starke Tourismusabteilung, die sich sowohl mit Grundsatzfragen beschäftigt als auch mit den zukünftigen Herausforderungen und spezifischen Problemen einzelner Segmente oder Regionen.

Investitionen in die Zukunftsfähigkeit

Zweitens wollen wir Investitionen in Wettbewerbsfähigkeit und zukunftsfähige Angebote ermöglichen. Dazu können wir unser Instrument der Regionalförderung nutzen. Wichtig ist mir dabei, dass wir in Bayern unsere Einzigartigkeit und Individualität bewahren. Wir wollen keinen Eventtourismus wie etwa in Österreich. Ich will nachhaltige Angebote unterstützen, die im Einklang mit unserer einzigartigen Natur stehen und das Besondere bewahren. Dazu zählt auch die neue Unterstützung unserer Gaststätten als Teil der bayerischen Lebensart.

Drittens müssen wir uns von der Forschungsseite her damit befassen, wie sich die Branche positiv weiterentwickeln kann. Auch dazu sind wir mit unseren Überlegungen schon recht weit. Ich verrate Ihnen: Es wird ein eigenes Forschungs- und Kompetenzzentrum Tourismus in Kempten geben.

GZ: Abgesehen davon scheint die Wirtschaft aber auch ohne ihr Zutun ganz gut zu laufen…

Pschierer: Gut so (lacht). Ich darf aber schon den Hinweis geben, dass es in anderen Bundesländern weniger gut läuft. Also es scheint durchaus einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftspolitik in einem Bundesland und dem wirtschaftlichen Erfolg unserer Betriebe zu geben.

Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum

Abgesehen davon geht es in der Wirtschaftspolitik stets darum, einen Schritt voraus zu denken. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Betriebe auch in Zukunft wettbewerbsfähig sind, Wachstum generieren und Arbeitsplätze erhalten sowie schaffen. Dafür müssen wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Für mich steht dabei die Digitalisierung im Zentrum, denn ich will, dass unsere Betriebe die Möglichkeiten nutzen können und dass sich das Wachstumsversprechen der Digitalisierung für bayerische Betriebe einlöst – nicht nur für amerikanische oder chinesische.

Wir müssen deshalb auch hier Investitionen ermöglichen und Forschungsaktivitäten unterstützen. Große Chancen für den Freistaat sehe ich etwa bei den Themen künstliche Intelligenz, aber auch beim autonomen Fahren. Gleichzeitig sind Startups für zukünftiges Wachstum entscheidend, sie sind die Unternehmen von morgen, die neue Geschäftsmodelle entwickeln und Arbeitsplätze schaffen. Im Übrigen kann auch hier der ländliche Raum erheblich profitieren – das ist der Grund, warum wir Gründerzentren in jedem Regierungsbezirk schaffen.

GZ: Bayerns Wirtschaft lebt zum Großteil vom Export. Was die internationalen Handelsbeziehungen betrifft haben sich die Bedingungen zuletzt erheblich verschlechtert. Was bedeutet das für den Standort?

Pschierer: Die außenwirtschaftlichen Entwicklungen beobachte ich mit großer Sorge. Die internationalen Herausforderungen summieren sich inzwischen zu einem echten Risiko für die bayerische Wirtschaft. Angefangen vom Brexit über den Handelskonflikt zwischen den USA und China bis hin zu drohenden Strafzöllen sowie amerikanischen Sanktionen gegen den Iran und schwierigen Beziehungen zu Russland. Man kann den Eindruck gewinnen, große Teile der Welt hätten vergessen, wie sehr jeder von freien Märkten und einem freien Welthandel profitiert. Ich kann nur appellieren, dass wir zu den Spielregeln eines fairen internationalen Handels zurückfinden. Und ich hoffe, dass sich in den USA mittelfristig die Erkenntnis durchsetzt, dass auch das eigene Land negativ von Handelskonflikten und Protektionismus betroffen ist.

Europa darf sich nicht auseinander dividieren lassen

Die Europäische Union spielt in den Handelsauseinandersetzungen jetzt eine entscheidende Rolle. Die europäischen Staaten dürfen sich keinesfalls auseinander dividieren lassen, sondern müssen mit starker einheitlicher Stimme für den freien Welthandel eintreten. Und: je rauer das globale Umfeld, umso wichtiger ist es, dass wir im eigenen Land beste Rahmenbedingungen für eine leistungsfähige Wirtschaft schaffen. Ich bin froh, dass die bayerische Wirtschaft so gut und robust aufgestellt ist.

GZ: Ihre Prognose: Wird Bayern die gewaltigen Herausforderungen und den technologischen Wandel erfolgreich bestehen?

Pschierer: Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. Wir müssen uns durchaus anstrengen. Aber wir zeichnen uns in Bayern ja durch Fleiß, Konsequenz, Innovationsreichtum und Kreativität aus. Ich bin also zuversichtlich und auch ein bisschen stolz auf unsere Unternehmenskultur.

Mir hat sehr gefallen, was Joe Kaeser jüngst in einem Interview mit dem Handelsblatt gesagt hat – sinngemäß: Profit ist nichts Schlechtes, aber wir
müssen ihn am gesellschaftlichen Nutzen messen. Das gilt auch oder insbesondere in Zeiten großer struktureller Veränderungen. Bayerische Unternehmer, gerade auch unsere mittelständischen Familienunternehmer zeichnen sich sehr viel stärker durch unternehmerische Verantwortung aus, die sie für ihre Mitarbeiter und für ihre Heimat tragen. Und was ich leisten kann, um unsere Wirtschaft zu unterstützen und die Zahl der Gewinner hoch zu halten, werde ich tun.

GZ: Herr Minister, herzlichen Dank für das Gespräch.

RED

 Von links: Jörg Kunstmann, Landesgeschäftsführer der Kommunalpolitischen Vereinigung und Stv. Landrat im Landkreis Kulmbach, GZ-Verlegerin Constanze von Hassel und Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer.

Von links: Jörg Kunstmann, Landesgeschäftsführer der Kommunalpolitischen Vereinigung und Stv. Landrat im Landkreis Kulmbach, GZ-Verlegerin Constanze von Hassel und Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer. RED

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