Interviews & Gesprächezurück

(GZ-17-2017)
gz interview mit otto heinz und erwin huber
 
VBS-Präsident Otto Heinz und Erwin Huber, MdL, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bayerischen Landtag:
 
Trend zur Rekommunalisierung: Plädoyer für fairen Wettbewerb und Transparenz

In Bayern gibt es seit zehn Jahren einen Trend zur Rekommunalisierung der Hausmüllabfuhr. Kommunen begründen dies unter anderem damit, dass sie der „kommunalen Daseinsvorsorge“ zuzurechnen ist. Ihre Einschätzung zur aktuellen Situation gaben in einem Gespräch mit der Bayerischen GemeindeZeitung der Präsident des Verbandes der Bayerischen Entsorgungsunternehmen (VBS), Otto Heinz und Erwin Huber, MdL, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bayerischen Landtag.

Fakt ist: „Im Bereich der Abfallwirtschaft hat sich über Jahrzehnte eine privatwirtschaftliche, sehr effiziente Struktur aufgebaut, die durch Tendenzen in Richtung Rekommunalisierung gefährdet ist“, betonte VBS-Präsident Heinz. Hier sollte sich der Staat zurückhalten, könne er doch nicht wie die Wirtschaft agieren. Es dürfe nicht Ziel einer Kommune sein, ihr vom Bürger „geliehenes“ Kapital in privatwirtschaftlich organisierte Wirtschaftszweige zu stecken; vielmehr sollte sie sich auf Investitionen in anderen Bereichen - siehe Breitbandausbau, Infrastruktur - konzentrieren.

Große Zustimmung zur Müllabfuhr

Ohnehin, so Otto Heinz, zeigten sich die Bürger im Freistaat grundsätzlich zufrieden mit ihrer Müllabfuhr. Laut einer Emnid-Umfrage sind 97 % aller Befragten „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ mit dem Service ihres Müllentsorgers. 65 % befürchten allerdings steigende Gebühren durch eine Rekommunalisierung der Müllabfuhr.

Um den aus Sicht des VBS wettbewerbsfeindlichen Rekommunalisierungstrend aufzuhalten, müssten bürgernahe Entsorgungsleistungen wie die Abfallsammlung neutral und überparteilich einem Markttest unterzogen werden - dadurch werde Transparenz geschaffen. „In ihrem aktuellen Wahlprogramm unterstreicht die CSU, dass die öffentliche Daseinsvorsorge im fairen Wettbewerb stattfinden müsse - dies bestätigt deutlich unsere Forderung nach einer Überprüfung wettbewerbsfeindlichen Gebarens einiger Kommunen“, erklärte Heinz.

Bayerische Gemeindeordnung als Richtschnur

„Eine Rekommunalisierung verschiedener Bereiche steht nicht auf der politischen Agenda“, unterstrich der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bayerischen Landtag, MdL Erwin Huber. Die Bayerische Gemeindeordnung als „Gradmesser und Richtschnur“ gebe hier den politischen Rahmen vor, der eine wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen ausschließe.

Im Bereich der Abfallwirtschaft gebe es eine Überschneidung zwischen hoheitlichen Aufgaben und dem wirtschaftlichen Bereich, führte Huber aus. Selbstverständlich liege es auch im Aufgabenbereich der Kommunen, dass Müll und Abfälle ordnungsgemäß entsorgt werden. Gleichwohl gelte das Prinzip „Verwertung vor Entsorgung“. Da man im Bereich der Verwertung dringend auf die Kraft des Marktes angewiesen sei, sei es durchweg ratsam, die Abwicklung „in Partnerschaft mit kommunalen Unternehmen“ vorzunehmen.

Angesichts allgemeiner Klagen der Kommunen über ihre Finanzausstattung hält der Ausschussvorsitzende es für „nicht sehr klug, wenn sie ihr Betätigungsfeld im Sinne von Kommunalisierung und Rekommunalisierung immer weiter ausdehnen“. Schließlich seien damit auch wirtschaftliche Risiken verbunden, für die der Steuerzahler oder der Staat am Ende gerade stehen müssten. Letztlich gelte das Prinzip: „Schuster bleib' bei Deinen Leisten.“ Der Gemeinde obliege es, sich auf ihre Kernaufgaben zu besinnen.

Zuverlässiger Partner der Kommunen

„Insgesamt zeigt sich, dass die Privatwirtschaft die wirtschaftliche Tätigkeit besser beherrscht als der hoheitliche Bereich“, so Huber. Die mittelständisch geprägte bayerische Entsorgungswirtschaft sei ein langjähriger, zuverlässiger Partner der Kommunen. Sich auf spezialisierte Unternehmen zu konzentrieren, sei auch im Sinne der Bürger. Dies sollten kommunale Verantwortungsträger stets beachten.

Wie eine Aufstellung des VBS zeigt, hat der Anteil kommunal bewirtschafteter Landkreise im Freistaat in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 60 Prozent zugenommen - von 20 Kreisen im Jahr 2006 auf 32 Kreise im Jahr 2016. Somit werden laut Heinz zusätzlich über eine Million Bayern von Kommunalbetrieben betreut - das entspricht neun Prozent der Bevölkerung. Diese Entwicklung hat vor allem auch negative Auswirkungen auf das Portemonnaie des Bürgers, denn wie eine Studie von IW Consult belegt, erheben kommunale Entsorger trotz Mehrwertsteuerprivileg im Schnitt 14 Prozent höhere Gebühren.

Epizentren des Verstaatlichungstrends

Ein Epizentrum des Verstaatlichungstrends ist der Regierungsbezirk Niederbayern. Während dort von zwölf Gebietskörperschaften im Jahr 2006 nur einer kommunal bewirtschaftet wurde, sind es im Jahr 2016 bereits acht Gebietskörperschaften. Dazu zählen die Landkreise Regen, Deggendorf, Freyung-Grafenau, Passau und Straubing-Bogen sowie die Kreisfreien Städte Passau und Straubing.

Insbesondere die Rekommunalisierung der Hausmüllabfuhr im Gebiet des ZAW Donau-Wald sowie des ZAW-SR (Straubing-Bogen) hat Heinz zufolge dafür gesorgt, dass den kleinen und mittelständischen Entsorgungsunternehmen in Niederbayern die Geschäftsgrundlage entzogen wurde.

ZAW-SR

Der ZAW-SR prognostiziert bereits für 2017 aufgrund steigender Verbrennungskosten und unvorhergesehener Marktschwankungen bei Rohstoffpreisen und hoher Investitionskosten durch die Rekommunalisierung der Hausmüllabfuhr ein Defizit in Höhe von 1,28 Millionen Euro. 2,2 Millionen Euro musste der Zweckverband für neue Müllfahrzeuge ausgeben, die - zumindest zum Teil - vorher von einem privaten Unternehmen gestellt wurden. Dieses Unternehmen hatte dem Zweckverband angeboten, die bewährten Mülllaster kostengünstig zu übernehmen - das wurde jedoch abgelehnt. Auch in den kommenden Jahren rechnet man beim ZAW-SR nicht mit einer Verbesserung der Ertragslage. Trotzdem ist nicht geplant, eine entsprechende Gebührenanpassung vorzunehmen, um das Defizit zu begleichen.

ZAW Donau-Wald

Beim ZAW Donau-Wald dagegen liegt eine Gebührenerhöhung durchaus im Bereich des Möglichen. Zwar konnte hier dank des Mehrwertsteuerprivilegs sogar eine Senkung der Hausmüllgebühren durchgesetzt werden; laut eigener Aussage des Zweckverbands erschwert diese Gebührensenkung nun jedoch die versprochene Stabilität der Beiträge. Die Gebühren für die Hausmüllentsorgung waren schon gering, als die Entsorgung noch von einem privaten Anbieter durchgeführt wurde. Als der ZAW Donau-Wald die Gebühren weiter absenkte, nahmen viele Bürger den Preisvorteil nicht mit, sondern bestellten sich zum alten Preis eine größere Mülltonne.

Mögliche Gebührenerhöhung

Wie der Zweckverband bekanntgab, habe dies zu einem erheblichen Anstieg des Restmüllaufkommens geführt, der die allgemeine Zunahme des Hausmüllaufkommens in der Region noch maßgeblich verschärft hat. Hierdurch seien die kommunalen Müllfahrzeuge deutlich früher an ihren Aufnahmekapazitäten angelangt, was sich „mittelfristig“ auch auf die Tourenplanung und damit auf die Gebühren auswirken kann. Weitere Gründe für eine mögliche Anpassung der Entsorgungsgebühren sind, dass sich auch der ZAW Donau-Wald mit hohen Verbrennungskosten und unerwartet niedrigen Erlösen an den Rohstoffmärkten konfrontiert sieht.

Unkalkulierbare Risiken

Nach Ansicht von VBS-Präsident Heinz „spielen hier sehr ehrgeizige Kommunalpolitiker und deren Mitarbeiter Unternehmer ohne Risiko“. Dabei sei der Versuch kommunaler Entsorgungsbetriebe, als Akteure auf den internationalen Rohstoffmärkten zu agieren, eben doch mit unkalkulierbaren Risiken für die Bürger verbunden. Kommunen beispielsweise, die im Papiermarkt spekulierten, bekamen dies während der letzten Wirtschaftskrise, als der Papier-Preis von über 100 Euro pro Tonne auf 5 Euro pro Tonne sank, deutlich zu spüren.

Die Preis-Schwankungen in den Rohstoffmärkten sind größer als im Deutschen Aktienindex. Hier bestehe die Gefahr, dass auf Grund von Fehlkalkulationen der Bürger zur Kasse gebeten wird. Demgegenüber trage ein privater Unternehmer das Risiko von Fehlentscheidungen aus-schließlich selbst, hob der VBS-Chef hervor.

Massive Kritik

Längst üben die Monopolkommission der Bundesregierung, das Bundeskartellamt, zahlreiche Landespolitiker, die Privatwirtschaft sowie der Bund der Steuerzahler massive Kritik an der fortschreitenden Rekommunalisierung. So diagnostiziert Maria Ritch, Vizepräsidentin des Bundes der Steuerzahler in Bayern, einen „Anstieg der öffentlichen Selbstüberschätzung“ - inklusive kaufmännischer Fehleinschätzungen, Großtuerei, Postengeschacher und laxen Aufsichtskontrollen, die im Endeffekt zu Gebührensteigerungen für die privaten Haushalte führten.

Fehlender Wettbewerb

„Der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass ihm für die von ihm gezahlten Abfallgebühren ein optimales Preis-Leistungsverhältnis geboten wird. Dadurch, dass die Kommunen die Hausmüllabfuhr nicht mehr ausschreiben, findet jedoch kein Wettbewerb mehr statt“, monierte Otto Heinz. Allein Wettbewerb garantiere jedoch Effizienz, Qualität und nachhaltig günstige, innovative Dienstleistung für den Bürger - und nicht die Vergabe an kommunale Eigenbetriebe, die als Monopole agieren. Dies sei mit den Werten der Sozialen Marktwirtschaft schlicht nicht vereinbar, bilanzierte der VBS-Präsident.

GZ-Interview mit Otto Heinz und Erwin Huber

Der VBS-Präsident Otto Heinz und Erwin Huber, MdL, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bayerischen Landtag (v. l.)

DK

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