Erscheinungs- & Themenplanzurück

(GZ-20-2019)
Neues von Sabrina
 

In Europa macht man gute Pläne und scheut deren Umsetzung

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Bei der Eroberung des Weltraums sind zwei Probleme zu lösen: die Schwerkraft und der Papierkrieg. Mit der Schwerkraft wären wir fertig geworden“, meint die Vorzimmerperle gemeinsam mit einem Weltraumpionier und lobt die Visionen von Ministerpräsident Söder.

„Aha, jetzt macht die Gleichberechtigung der Geschlechter aber einen Riesensatz. Zum ersten Mal sind zwei Frauen gleichzeitig freischwebend im Weltraum neben der Internationalen Raumstation ISS gewesen, um eine Reparatur vorzunehmen. Respekt, also praktisch ohne männlichen Aufpasser.“ Mein Chef, der Bürgermeister, sagte das natürlich über seine genderinkorrekte Schlussfolgerung schmunzelnd.

Aber der kleine Schritt für die Frauen in Richtung Gleichberechtigung im 50. Jahr der ersten bemannten Mondlandung hat beim Chef noch eine ganz andere Art von Erkenntnisgewinn ausgelöst. Denn bisher waren – so seine Zeitungsquelle – 17 Frauen und 52 Männer bereits schwerelos außerhalb eines Raumfahrzeugs im All unterwegs. Ergo gibt es hier bereits Routinen, über die wir uns hier auf Erden und insbesondere in unserem gemütlich vor sich hin staubenden Deutschland gar nicht mehr recht im Klaren sind.

OK, wenn Astro-Alex zur ISS fliegt und sein begnadetes Kommunikationstalent in den Dienst der Popularisierung der Raumfahrt stellt, dann nehmen wir den Weltraum als Herausforderung wahr. Aber wir nehmen diese Herausforderung eben noch lange nicht an. Nach Amerika und Russland ist jetzt auch China auf dem Mond gelandet (genauer auf dessen Rückseite). Indien und Israel wollten, scheiterten aber knapp.

Und Europa? Die potenziell führende technologische Macht der Erde (nicht lachen: Wenn ganz Europa seine Fähigkeiten bündeln würde, wären wir das tatsächlich), macht gute Pläne, aber scheut sich vor deren Umsetzung. Europa hat mit der Ariane mit die leistungsfähigste Trägerrakete auf dem Markt und mit Kourou im französischen Departement Guyana auch einen Weltraumbahnhof, ist mit eigenen Wissenschaftsmodulen an der ISS beteiligt, aber hat keine große Idee, keinen visionären Plan, wohin es im Weltall wirklich will.

Dabei steht bitte eines fest: Im Weltraum winken Geschäfte. Jetzt nicht unbedingt der bemannte Weltraumtourismus, bei dem man Leuten, die nicht wissen wohin mit dem Geld, anbieten will, für Unsummen Rundflüge um die Erde zu buchen. Nein, von neuartigen Medikamenten, über neue Werkstoffe bis hin zu chemischen Reaktionen oder beschleunigtem Pflanzenwachstum unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit gibt es praktisch keine Grenze der Phantasie, was im All alles möglich ist oder möglich sein könnte, wenn man sich nur auf das Abenteuer einlässt.

Ganz zu schweigen vom sicherheitspolitischen Effekt. Amerika und Frankreich planen eigene Waffengattungen für die Weltraumsicherheit, um von dort aus militärisch weniger verwundbar zu sein. Man würde sich wundern, wenn Russland und China so etwas nicht längst hätten. Und Deutschland? Renoviert sein Marine-Segelschiff.

Wenn unser Ministerpräsident davon spricht, dass Bayern technologisch auch in der Weltraumforschung, bei der Satelliten- und Trägertechnik vorne mitspielen muss, dann erntet er typisch deutschen bräsig-überheblichen Spott. Marke: Söderchens Mondfahrt. Wenige bedenken dabei aber, dass wir schon einmal einen Ministerpräsidenten hatten, der brachial und vehement auf die Themen Flugzeugbau und Militärtechnik für Bayern setzte, als alle Welt noch glaubte, am besten sei es, man kaufe Flugzeuge und Hubschrauber in Amerika.

Leider ist Deutschland mittlerweile zu satt, zu arriviert und zu wenig ehrgeizig, um sich etwa bei Themen wie der Weltraumforschung an die Spitze in Europa zu stellen. Schade. Ab und zu ein Astronaut als Gast der Amerikaner und Russen auf der ISS ist zwar nett, aber einer führenden Forschungsnation nicht würdig. Klar kann man mit Forschung, gerade mit Grundlagenforschung, nicht unmittelbar bei den nächsten Wahlen punkten. Aber man würde die Zukunft derjenigen sichern, die jetzt noch zu jung sind zum Wählen.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist überzeugt, dass man die Bürgerinnen und Bürger auch heute noch für Forschung und Technologie begeistern kann. Man muss schon in der Schule anfangen. Und eine Mahnung Wernher von Brauns beherzigen: „Bei der Eroberung des Weltraums sind zwei Probleme zu lösen: die Schwerkraft und der Papierkrieg. Mit der Schwerkraft wären wir fertig geworden“.

Ihre Sabrina

GemeindeZeitung

Neues von Sabrina

GZ Archiv

Kolumnen & Kommentare aus Bayern

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung