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(GZ-17-2015)
Neues von Sabrina
 
Dauerhafte Hilfsbereitschaft

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Ein tolles Zeugnis stellen diese Frauen und Männer unserem Land aus durch ihre Hilfsbereitschaft, ihre Empathie und ihren unbedingten Willen, die Fähigkeit zur perfekten Organisation und Ablaufplanung in den Dienst der Flüchtlinge zu stellen.“ Mein Chef, der Bürgermeister, kam gerade zurück von einem Treffen mit Freiwilligen und Vertretern der Hilfsorganisationen, die sich in unserer Stadt um die Neuankömmlinge kümmern.

Wie in ganz Bayern sind auch bei uns der Bürgermeister und die Kommunalverwaltung praktisch rund um die Uhr im Einsatz, um die Versorgung, Unterbringung und die weiteren Hilfen für die vielen Tausend, die in unserem Land Schutz suchen, zu organisieren. Das gibt zwar keine so spektakulären Bilder wie die von der spontanen Hilfsbereitschaft der Münchnerinnen und Münchner am Hauptbahnhof anlässlich der Ankunft der Flüchtlinge, die Ungarn nicht ausreichend versorgen konnte. Die Hilfe in unseren Städten und Landkreisen macht auch keine Schlagzeilen wie die Millionenspenden durch Fußballklubs, Sportler oder Künstler. Aber es könnte einem das Herz aufgehen, wenn man die Lehrlinge und Schüler neben den rüstigen Rentnern sieht, die einfach nur einem menschlichen Antrieb folgen, dem Nächsten in Not zu helfen.

Dabei sind auch ältere Menschen, die selbst als Vertriebene oder Spätaussiedler das Schicksal des Verlustes der Heimat und der Entwurzelung kennen. Einige berichten ohne Bitterkeit, dass es im armen Nachkriegsdeutschland keine „Refugee-Welcome“-Kultur gegeben habe, sondern sie sich in der neuen Heimat durchbeißen mussten. Aber jetzt, nachdem man in Wohlstand und beispielloser sozialer Sicherheit lebe, wolle man andere Schicksale erträglicher machen. Das sollte man sich auch vor Augen führen, bevor man Länder wie Ungarn oder Griechenland für ihren Umgang mit Flüchtlingen verurteilt. Diese Länder haben bei weitem nicht das Wohlstandsniveau, das wir erreicht haben und deshalb fällt es ihnen naturgemäß schwerer, mit dem Ansturm auf ihre Grenzen fertig zu werden. Auch diese Länder brauchen Hilfe.

Natürlich gibt es auch Ressentiments – bei uns wie anderswo. Aber das Dunkeldeutschland, das unser Bundespräsident in denen sieht, die aus Fremdenfeindlichkeit, sozialen Ängsten oder purer Lust an Provokation oder Aggression gegen Flüchtlinge hetzen, findet bei uns keinen spürbaren Widerhall.

Je länger der Zustrom anhält, umso dringender wird es, grundsätzliche Fragen zu stellen. Wie viele werden tatsächlich auf Dauer bei uns bleiben? Wir wissen, dass beileibe nicht alle, die jetzt kommen, ein Bleiberecht für sich beanspruchen können. Viele wollen von sich aus weiter, nach Kanada oder Australien. Bisher ist neben einem starken Zustrom nach Deutschland immer auch ein starker Wegzug von hier zu verzeichnen.

Brauchen wir neben der unkontrollierten, fast zufälligen Zuwanderung durch Flüchtlinge einen geregelten Zuzug, etwa für Qualifizierte oder auch für die Grundberufe im Handwerk? Welche Strukturen brauchen wir nur temporär, welche dauerhaft, etwa in den Schulen Klassen für nichtdeutschsprachige Kinder und Jugendliche? Werden die, die bleiben, bei uns ethnisch homogene Bevölkerungsteile bilden oder können wir sie integrieren? Welche Angebote kann Deutschland machen, das mit seiner gebrochenen Geschichte sicherlich schwerer eine Bindung durch eine nationale oder zivilisatorische Idee herstellen kann, als etwa Frankreich oder die USA?

Mein Chef, der Bürgermeister, weiß nur eins: Wenn viele bleiben, wird dies unser Land und unsere Stadt verändern. Nicht nur, weil wir Wohnungen oder Infrastruktureinrichtungen brauchen, sondern weil wir uns noch stärker damit auseinandersetzen müssen, was das Zusammenleben in Deutschland eigentlich ausmacht. Welche Werte, Normen, Verhaltensweisen sehen wir als grundlegend an, die wir nicht zur Disposition stellen wollen? Eine spannende Diskussion steht bevor, die uns auch etwas über uns selbst lehren wird. Vorerst twittere ich dem Chef einen optimistischen Satz des mittelalterlichen Königs Stephan dem Großen von Ungarn: „Ein Land mit nur einer Sprache und einer Sitte ist schwach und gebrechlich. Darum ehre die Fremden und hole sie ins Land.“

Ihre Sabrina

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