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(GZ-24-2023 - 21. Dezember)
Interview mit Markus Ferber, MdEP - Digitaler Euro: „Ich sehe keinen Mehrwert“, Bild: privat
 

► Interview mit Markus Ferber, MdEP:

 

Digitaler Euro: „Ich sehe keinen Mehrwert“

Markus Ferber (* 15. Januar 1965 in Augsburg) ist CSU-Politiker und seit 1994 Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Seine politische Karriere begann als Stadtrat in seiner Heimatstadt Bobingen. Von 1999 bis 2014 war er in Brüssel Vorsitzender der CSU-Europagruppe. Seit 2009 ist Markus Ferber Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und von 2014 bis 2018 war er erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses. Seit 2018 ist er Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Seit 2020 ist Markus Ferber Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung und außerdem ist er Kreisrat im Landkreis Augsburg. Mit ihm sprach die Chefredakteurin der Bayerischen GemeindeZeitung, Constanze von Hassel, über den Digitalen Euro.

GZ: Die Einführung des Digitalen Euros soll eine weitreichende Fortentwicklung dieses Währungssystems sein. Auch wenn die EZB schon einige Jahre an der Umsetzung arbeitet, scheint doch hierzulande eine Diskussion über die digitale Währung noch nicht stattzufinden. Herr Ferber, fangen wir ganz am Anfang an: Was ist der Digitale Euro und – Ihrer Meinung nach – was ist der konkrete Nutzen?

Keine Extra-Funktionalität

Markus Ferber: Der Digitale Euro soll die digitale Ergänzung zum Bargeld sein und auch offline genutzt werden können. Der Vorschlag, der momentan auf dem Tisch liegt, sieht eine Einführung für den Privatkundenbereich vor. Das heißt es sind in jedem Fall die Endverbraucher, die diese digitale Währung untereinander und beim Einkauf im Geschäft nutzen sollen. Der Wunsch der Europäischen Zentralbank ist, dass auf diese Weise den amerikanischen Finanzdienstleistern, zum Beispiel den Kreditkartenunternehmen oder Paypal, eine europäische Finanzinfrastruktur entgegengestellt wird.

Was den Mehrwert betrifft, sehe ich keinen, denn dieses Design bietet keine Extra-Funktionalität gegenüber bestehenden Lösungen. Online können wir bezahlen, das ist digitaler Standard, das Geld ist sofort beim Händler. Wir brauchen hier auch keinen amerikanischen Intermediär mehr. Meiner Meinung nach könnte eine digitale Währung im Geschäftskunden-Bereich durchaus sinnvoll und hilfreich für die Industrie 4.0 sein. Momentan können z.B. Maschinen automatisiert Verbrauchsmaterial nachbestellen, aber sie können nicht automatisiert bezahlen.

Oder denken Sie an den Exportbereich und das Prinzip „free on board“: Die Ware geht zu dem Zeitpunkt, an dem sie an Bord des Schiffes geladen wurde, in das Eigentum des Käufers über und die Zahlung ist fällig. Mittels Dokumentation und digitaler Währung wäre ein automatisierter – weil programmierter – Bezahlvorgang möglich. Aber das ist nicht vorgesehen. Diese komplexen Ideen der digitalen Welt wird der Digitale Euro erstmal also nicht lösen und damit bietet er keinerlei Vorteil gegenüber dem System, so wie es jetzt ist. Und einen Ersatz für Bargeld brauchen wir nicht.

Die Zeitschiene

GZ: Wie weit ist die Entwicklung tatsächlich? Wie sieht die Zeitschiene zum digitalen Euro aus und wer entscheidet letztendlich über dessen Einführung auch in Deutschland?

Ferber: Für eine mögliche Einführung gibt es zwei relevante Faktoren. Es muss erstens eine Rechtsgrundlage auf europäischer Ebene geschaffen werden und zweitens müssen technische Vorarbeiten abgeschlossen sein.

Die EZB hat zum 1.11.2023 die „Vorbereitungsphase“ begonnen, nun werden konkrete technische Design-Entscheidungen getroffen. Diese Phase soll mindestens zwei Jahre dauern. Aber ob und wie es dann weiter geht, hängt von der durch Europäisches Parlament und Europäischen Rat zu beschließenden Rechtsgrundlage ab.

Solange es die nicht gibt, wird ein Digitaler Euro nicht eingeführt. Und wir haben keine Eile. Denn wir müssen extrem vorsichtig sein, dass wir durch den Digitalen Euro nicht unser eigenes Bankensystem schwächen.

Bedrohung für Sparkassen und Genossenschaftsbanken

Dazu muss ich etwas ausholen: Bargeld ist Zentralbankgeld; Giralgeld nicht. D.h. anders als das Geld, das auf den Girokonten liegt, kann der Digitale Euro, der zwar in einer „Wallet“ (Geldbörse/Konto) liegt, aber wie Bargeld verstanden wird, von den Banken nicht beliehen werden. Aber das genau ist das Kerngeschäft unserer Sparkassen und Genossenschaftsbanken: Fristentransformation.

Die Banken machen aus kurzfristigen Einlagen langfristige Kredite. Geld, das in einer Wallet liegt, steht also für das Kreditgeschäft nicht zur Verfügung. Bildlich gesprochen liegt das Geld dann unterm Kopfkissen. So wird den Banken Liquidität entzogen, was langfristig die Stabilität des Systems gefährden wird. Deshalb soll die Wallet gedeckelt werden. Und deshalb brauchen wir Zeit, um das System gründlich zu prüfen.

Dazu kommt das eigene digitale Geld-Management: Für den Anwender macht es keinen Unterschied, ob das Geld nun auf dem Girokonto oder in der Wallet liegt. Er bzw. sie hat nur deutlich mehr Aufwand das System zu bewirtschaften.

GZ: Digitale Zentralbankwährungen stehen noch ganz am Anfang, können Sie uns über die Entwicklungen außerhalb (oder auch innerhalb) Europas ein Update geben?

Ferber: Im Grunde reden alle darüber und so gut wie keiner hat es richtig gemacht. Es war Mark Zuckerberg und seine, inzwischen wieder verworfene, Libra-Idee, die alle aufgeschreckt hat. Auch Zuckerberg musste feststellen, dass es nicht trivial ist, Geldwäsche zu unterbinden, für Liquidität zu sorgen und so das Finanzsystem stabil zu halten. Das sind alles Aufgaben einer Zentralbank. Viele größere Zentralbanken schauen sich das Thema digitaler Währungen zumindest als Option an.

Bahamas, Jamaica und Nigeria haben bereits digitale Währungen eingeführt. Das macht auch Sinn, wenn das eigene Bankensystem nicht leistungsfähig ist und meist über die Handyrechnung bezahlt wird. Schweden war relativ weit, hat sich von der e-Krona vorerst wieder verabschiedet. Und in China ist die digitale Währung ein Instrument der Staatsüberwachung, da steckt eine vollkommen andere Absicht hinter dem System.

Gefahr durch Machtmissbrauch

GZ: Kritik am Digitalen Euro ist meist die Angst vor staatlicher Kontrolle. Wie wird garantiert, dass kein Machtmissbrauch mit Hilfe eines Instruments wie dem Digitalen Euro, egal durch welches politische System, stattfinden wird? Und als Ergänzung: Was schützt denn unser jetziges Finanzsystem, also ohne digitalen Euro, vor Machtmissbrauch durch das politische System?

Ferber: Die Datenschutzgrundverordnung. Denn Datenschutz ist das A und O. Und unser Rechtsverständnis.

Wir wollen keine Zustände wie in China. Wir sehen die Aufgabe einer digitalen Währung ggf. darin, dass sie uns bei der Transformation in ein digitales Zeitalter unterstützt und uns hilft, unsere Ressourcen zu schützen.

Was wir nicht wollen, ist soziale Kontrolle an der Supermarktkasse. Die DSGVO in der digitalen Welt sicherzustellen ist die große Hürde, denn gleichzeitig muss gewährleistet werden, dass der Digitale Euro nicht für Geldwäsche missbraucht werden kann.

Gesetzliches Zahlungsmittel

GZ: Warum und ggf. wie sollten sich bayerische Kommunen auf den Digitalen Euro vorbereiten?

Ferber: Wenn der Digitale Euro eingeführt wird, ist er gesetzliches Zahlungsmittel. Es wird zwar keinen Nutzungszwang, aber eine Annahmepflicht geben. Die besteht dann für die Kommunen, z.B. auf dem Bürgeramt, genauso wie für jeden Bäcker oder jedes andere Geschäft. Dafür muss die notwendige Infrastruktur stehen und dann brauchen auch Kommunen eine Wallet. Aber im Moment ist es noch zu früh für konkrete Vorbereitungen.

GZ: Was unterscheidet den Digitalen Euro von Bitcoin und anderen Kryptowährungen?

Ferber: Hinter dem Digitalen Euro steht die Europäische Zentralbank, er ist weder eine dezentralisierte Entität (wie der Bitcoin), noch wird er durch eine private Institution herausgegeben. Er soll so konzipiert sein, dass ein deutlich höheres Transaktionsvolumen als bei anderen Kryptowährungen möglich ist.

Eine Blockchain ist nicht vorgesehen und ein Mining (Schürfen) findet nicht statt. Daher ist keine rechenintensive Transaktionsvalidierung nötig und es entsteht ein deutlich niedrigerer Energiebedarf. Abschließend kann ich nur jedem raten, sich frühzeitig mit der Thematik um den Digitalen Euro auseinanderzusetzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

CH

 

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