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(GZ-9-2021)
GZ-Interview mit Georg Hirschbeck, Bürgermeister des Marktes Rennertshofen und Kreisrat des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen
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► GZ-Interview mit Georg Hirschbeck, Bürgermeister des Marktes Rennertshofen und Kreisrat des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen:

 

Quarantäneregeln: „Wir brauchen klare Vorgaben!“

Nach der Verabschiedung der verschärften Empfehlungen zum Infektionsschutz des Robert-Koch-Instituts (RKI) fragen sich die Kommunen, unter welchen Voraussetzungen sie aktuell tagen können. Georg Hirschbeck, Bürgermeister des Marktes Rennertshofen und Kreisrat des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen, fordert im Interview klare Vorgaben und erläutert, welche Maßnahmen für die Gemeinderatsitzungen in seiner Kommune ergriffen wurden.

Wer sich mit einer infizierten Person länger als zehn Minuten im selben Raum aufgehalten hat muss in Quarantäne – und zwar auch dann, wenn der Abstand eingehalten und eine FFP2-Maske getragen wurde. Diese verschärfte Infektionsschutzmaßnahme hat das Robert-Koch-Institut (RKI) Anfang April herausgegeben. Relevant in diesem Zusammenhang ist nur, wie groß der Raum ist.

Das RKI macht hier jedoch keine konkreten Angaben, sondern spricht lediglich von einem „Raum mit wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöser Aerosole“. Am Ende entscheiden die Mitarbeiter der örtlichen Gesundheitsämter, ob ein Raum ausreichend groß war oder die Quarantäneregel in Kraft tritt.

GZ: Vor welchen Schwierigkeiten stehen Kommunen aufgrund der verschärften Infektionsschutzregel des RKI?

Hirschbeck: Wir haben bei der Kreisbehörde nachgefragt – dort sind auch die Gesundheitsämter angeschlossen – welche Maßnahmen wir aufgrund der Empfehlung des RKI zusätzlich zum regelmäßigen Lüften und Desinfizieren sowie den Abstandsregeln und Tragen von Masken ergreifen sollen?

Eine Bäckerei im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen musste schließen, weil ein Mitarbeiter in der Backstube positiv getestet wurde. Wegen den neuen härteren Quarantänebestimmungen hätten alle, die in einem Raum mit dem positiv getesteten Mitarbeiter gearbeitet haben in Quarantäne gemusst – trotz Einhaltung der Abstandsregeln und des durchgängigen Tragens von FFP2-Masken.

Laut Auskunft Pressestelle des Landratsamtes gilt auch für Gremien wie Kreistag oder Stadtrat jetzt damit wohl wieder: Ein Infizierter im Raum reicht, damit alle Sitzungsteilnehmer in Quarantäne müssen. Deshalb muss ich davon ausgehen, dass, falls bei uns in einer Gremiumssitzung ein positiv getesteter Fall auftritt, 17 Gemeinderatsmitglieder und weitere Verwaltungsmitarbeiter für 14 Tage in Quarantäne müssen.

Seit der Herausgabe dieser Regeln herrscht in den letzten Tagen große Unsicherheit in den Kommunen, Landratsämtern und Kreisverwaltungen, wie das Gesundheitsamt bei positiv getesteten Fällen verfährt.

GZ: Mit der Änderung des Kommunalrechts können in den Kommunen durch die Teilnahme an Hybridsitzungen Entscheidungen getroffen und zugleich die Zahl der Sitzungsteilnehmer reduziert werden. Rein virtuelle Sitzungen sind weiterhin ausgeschlossen. Wie gehen Sie mit der geänderten Regel um?

Hirschbeck: Beratungen und Abstimmungen gerade von nichtöffentlichen Tagesordnungspunkten in der Sitzung abzuhalten ist technisch zwar umsetzbar, die Geheimhaltung kann jedoch nicht gewährleistet werden. Wir hatten zum Beispiel letzte Woche im Zweckverband eine Sitzung im Freien, weil die Konsequenzen, die sich aus der neuen Empfehlung des RKI ergeben, nicht klar waren. Also wurde sicherheitshalber die Sitzung um 19:30 Uhr bei fast null Grad im Freien abgehalten. Das sind keine guten Voraussetzungen um konstruktive Beratungen zu führen und wichtige Beschlüsse zu fassen.
Die Entscheider müssen endlich darüber nachdenken, wie die Gremien in den Kommunen die Regeln überhaupt umsetzen sollen.

GZ: Was wären denn Ihre Empfehlungen im Namen der Bürgermeister?

Hirschbeck: Wir haben moniert, dass es keine klaren Regelungen gibt. Und dass – so wie es sich jetzt schon so langsam entwickelt – klar definiert werden muss, unter welchen Bedingungen wir Sitzungen abhalten können. Und dass, wenn ein positiver Fall auftritt, nicht wie mit der „Rasenmähermethode“ vorgegangen wird und alle Gremiumsmitglieder sowie die von der Verwaltung anwesenden sofort in Quarantäne geschickt werden.

Die notwendigen Schutzmaßnahmen – sprich FFP2-Maske, desinfizieren, entsprechende Lüftung, Vorgaben, welche festschreiben, wie viele Quadratmeter pro Person in Innenräumen einzuhalten sind – diese Vorgaben sind bisher nicht bei uns in den Kommunen angekommen. Die müssen wir erfragen und dann bekommen wir nach drei bis vier Tagen Statements, wie z. B. „Das riecht verdammt nach einer Turnhallenlösung für die Gremien“. Das ist für mich keine Aussage oder Regel, nach der ich mich richten kann oder muss.

GZ: Sie haben es gerade angesprochen: Müssen Sie tatsächlich den Antworten auf Fragen, an welche geltenden Regeln Sie sich halten müssen, hinterherlaufen oder gibt es eine Plattform, über die sich Bürgermeister zentral über die aktuellsten Vorgaben informieren können?

Hirschbeck: Für Bürgermeister zentral gibt es keine Plattform mit einer Handreichung bzw. Anweisung wie zu verfahren ist. Es gibt mehrere Adressen, wie die Seite des Staatsministeriums in Bezug auf die Regeln, die für die Inzidenzwerte gelten. Das ist aber nicht heruntergebrochen auf systemrelevante Gremiumsarbeit.

Zum Beispiel sind wir zwar angehalten in verkleinerten Runden zu tagen. Aber ob ich jetzt mit 17 Mitgliedern in einer Turnhalle von 500 Quadratmetern sitze oder mit 8, das macht keinen großen Unterschied. Wir haben beispielsweise alle Gemeinderäte gebeten vor der Sitzung freiwillig einen bescheinigten Schnelltest zu machen, um noch ein bisschen mehr Sicherheit zu haben. Das funktioniert ja alles, nur bisher haben wir diese Empfehlungen nicht offiziell erhalten. Das heißt, wir machen das alles selbstständig und das kann es leider nicht sein. Es darf keine Angst darüber herrschen, ob wir alle in Quarantäne geschickt werden, aufgrund eines positiven Coronafalls bei einer anwesenden Person – nur weil das Gesundheitsamt keine klaren Vorgaben hat und im Einzelfall Mitarbeiter nach eigenem Ermessen entscheiden.

Ein Teil unseres Verwaltungspersonales ist nur damit beschäftigt, sich Regelungen zusammen zu suchen und z. B. auch die Schnelltests zu organisieren. Wir haben für die Sitzungen nichts schwarz auf weiß und müssen trotzdem Entscheidungen in den Gremien treffen, damit die Verwaltung weiterarbeiten kann und nicht lahmgelegt wird. Mein Credo lautet also: Zeitnah sollten Empfehlungen zu Hygieneschutzmaßnahmen bei Sitzungen in den Kommunen herausgegeben werden, auf die wir uns verlassen können und die ohne großen Aufwand z. B. über eine Plattform abrufbar sind.

 

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