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(GZ-20-2022)
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Pomp können die Briten

Ein hochbetagtes Staatsoberhaupt stirbt und es folgt ein neues Staatsoberhaupt, das die Altersgrenze längst überschritten hat: Trotz seiner republikanischen Grundeinstellung verbrachte unser Rathauskater Pino viel Zeit vor dem Fernseher, immer wenn es etwas Royales zu berichten gab, denn der unterhaltsame „Hokuspokus der Jahrhunderte“ fasziniert ihn.

Ich befand mich in den letzten Wochen Dank der Tatsache, dass ich trotz Vollalimentation keinerlei zeitliche Verpflichtungen habe (insofern probiere ich schon mal das Gefühl beim künftigen Bürgergeld aus) praktisch immer vor dem Fernseher, wenn es etwas Royales zu berichten gab. Vor allem natürlich bei den Übertragungen der letzten Wege der verstorbenen Königin Elisabeth/Elizabeth, der Trauer- und Begräbnisfeiern.

Holla die Waldfee – Pomp können die Briten. Da geht die Inflation durch die Decke, die Wirtschaft leidet schwer unter dem Brexit, die Immobilienzinsen würgen den Mittelstand, die Staatsanleihen schmieren ab, die Bank of England muss das Pfund stützen, aber die Dudelsäcke schmettern, die Soldaten marschieren und die Uniformen strotzen vor Orden (für welche Verdienste?). Klar, der eine oder andere Fauxpas kam vor. So war wohl nicht vorgesehen, dass die Königin sich in Schottland von dieser Welt verabschiedet, weil dort nur ein Leichenwagen der Marke Mercedes-Benz zu Verfügung stand. Die Scharte wurde dann in London ausgewetzt und ein Jaguar kam zum Einsatz, als Marke eines indischen Unternehmens (Tata Motors) wenigstens in Britannien gebaut.

Insgesamt war das Spektakel ganz OK. Manche Reaktionen der Spezies Mensch auf solche Ereignisse befremden aber. So mag man noch verstehen, dass man sich stundenlang in eine Schlange für den Kondolenzbesuch einreiht. Immerhin war die Verstorbene Staatsoberhaupt. Der Hauch von Picknick an einigen Stellen mag dem in der Regel eher pragmatischen Nationalcharakter der Engländer geschuldet sein. Aber die wiederholten Bekundungen, an der Straße zu stehen und den Leichenwagen vorbeigleiten zu sehen, sei der größte Moment im Leben gewesen, macht nachdenklich. Schließlich kennt doch auch das ärmste und verzweifeltste Leben schöne Momente – den ersten Job, den ersten Kuss, etwas anderes zum ersten Mal, Kinder, Enkel. Was berührt die Menschen, wenn sie den Sarg einer fremden Frau an sich vorbeiziehen sehen, die sie nie getroffen haben und nur vom Fernseher kennen? Wieviel Hokuspokus vergangener Jahrhunderte wabert da noch herum? Oder ist es nur Respekt vor dem Amt?

Wenn ich ein Mensch wäre, hätte mich der ganze Vorgang einschließlich Proklamation des neuen Königs und des neuen Prince of Wales in meiner republikanischen Grundeinstellung mehr als bestätigt. Man stelle sich vor: Ein hochbetagtes Staatsoberhaupt stirbt im biblischen Alter und es folgt ein neues Staatsoberhaupt, das die gesetzliche Altersgrenze bereits seit sechs Jahren hinter sich gelassen hat (wohlgemerkt, nichts gegen ältere Staatslenker, siehe USA oder Italien, aber die wurden gewählt). Gleichzeitig weiß man als Staatsbürger dieses Landes, dass dem schrulligen älteren Herrn, den auch wir Charles statt Karl nennen, ein Posterboy mit schon jetzt hoher Stirn und diesem wiederum ein kleiner Hosenscheißer nachfolgen wird – ein Alptraum.

Aber natürlich ist eine königliche Familie, gleich welcher Nationalität, ungleich unterhaltsamer als republikanische Politiker. Dank der Vollalimentation können sie das machen, was die Boulevardblätter lieben, nämlich sich gegenseitig mobben, fremdgehen, Kinder zeugen oder schlicht zu Mondpreisen erstandene abgedrehte Outfits tragen. Unsere Bundespräsidenten bringen es ja höchstens zu einem BobbyCar mit ungeklärter Herkunft oder dem anarchischen Aufbegehren der geschundenen Kreatur, die die FFP2-Maske im Zug fallen lässt.

Aber am Ende sollten wir nicht vergessen, dass ein Mensch gestorben ist, der in unserer Wirklichkeit präsent war – nicht als Trägerin von Macht, sondern als Verkörperung von Ideen. Sei das die Idee der Größe des British Empire oder die Idee der Monarchie als idealer Staatsform. Schlussendlich war sie ein Mensch und für uns Menschen hat der römische Kaiser Marc Aurel diese Gedanken hinterlassen: „Wir wollen unsere Zeit der Natur gemäß durchleben und heiter beendigen, so wie die reif-gewordene Olive fällt, indem sie die Erde segnet, die sie hervorgebracht, und dem Baum dankt, der sie genährt hat.“

Ihr Pino

Pino

 

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