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(GZ-8-2017)
Neues von Sabrina
 
Globale Revolution mit Folgen

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Wie wird das weitergehen? Dürfen Babys in Zukunft nur noch werktags von 7:30 bis 17:30 Uhr zur Welt kommen, samstags bis 12:30 Uhr?“ Mein Chef, der Bürgermeister, spießte eine Meldung auf, wonach die organisierte Hebammenschaft die Deutschen dazu aufgerufen hat, während der Osterfeiertage keine Kinder zu zeugen. Diese kämen dann nämlich zu Weihnachten auf die Welt und würden die Feiertagsdienstpläne der Hebammen arg durcheinander bringen.

Nun habe ich dieses Statement der Hebammen eher als aufrüttelnden Hilferuf und Verweis auf ihre prekäre berufliche Situation verstanden, denn als Ausdruck gewerkschaftlicher Forderungen nach geregelten Arbeits- und Ruhezeiten. Schließlich ist es ja doch seltsam, dass ein Gesundheitssystem, das zu Recht stolz darauf ist, noch 95-Jährigen eine Hüft-OP oder ein neues Kniegelenk zu bezahlen ausgerechnet denen eine lange Nase dreht, die unsere Kinder – und damit nach landläufigem Politsprech unsere Zukunft – mit auf die Welt bringen helfen. Ich halte es jedenfalls für legitim danach zu fragen, warum ausgerechnet dieser Berufsstand so schlecht bezahlt wird, so ungünstige Arbeitsbedingungen hat und dann noch als Selbstständige keine Unterstützung bei der Finanzierung der (wohl gerechtfertigt) hohen Haftpflichtpolicen bekommt, obwohl unser Staat doch sonst ungeniert der Subventionitis frönt.

Die Wortmeldung der Hebammen hatte auch deshalb eine gewisse Aktualität, weil sich in den vergangenen Tagen klammheimlich eine globale Revolution ereignete, die nicht unmittelbar zu spüren war, aber erhebliche Auswirkungen auf uns alle haben wird: An einem der vergangenen Tage kippte die globale Demographie und es leben seither erstmals in der Menschheitsgeschichte mehr Menschen auf der Erde, die über 65 Jahre alt sind als solche, die fünf Jahre oder jünger sind. Das klingt jetzt vielleicht im Vergleich zur Oktoberrevolution oder Maos Langem Marsch nicht spektakulär, ist es aber. Das heißt nämlich, dass die Überalterung der Gesellschaften sich nicht mehr nur auf Europa, Nordamerika oder Japan beschränkt, sondern auch große Schwellenländer wie Russland, Brasilien und vor allem China voll erwischt hat. Im Wesentlichen haben nur noch Indien sowie die afrikanischen Länder ein nennenswertes Bevölkerungswachstum und in etwas mehr als einem Jahrzehnt werden in Indien mehr aktiv am Arbeitsleben teilnehmende Menschen leben als in China. Muss man sich mal vorstellen.

Noch dramatischer ist es ja bei uns in Deutschland, da sich hier ja seit vielen Jahren zu geringe Geburtenraten mit einer erfreulich steigenden Lebenserwartung paart. Da die so genannten Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge, die es selbst mit dem Nachwuchs nicht so ernst nahmen, demnächst einer nach dem anderen in Rente geht, wird die Zahl der im Arbeitsleben stehenden Menschen von jetzt rund 53 Millionen um fünf Millionen sinken. 2060 werden es dann 15 Millionen weniger sein – ein schlankes Viertel der Arbeitnehmer ist dann weg.

Das kann man zum Teil mit einer höheren Erwerbsquote der Frauen kompensieren, man müsste durch eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit gegensteuern, Einwanderung hilft auch, aber um die negativen Folgen wie sich abschwächendes Wirtschaftswachstum, explodierende Sozialausgaben und steigende Staatsschulden werden wir wohl nicht rumkommen.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist und bleibt Optimist. Noch immer hat es die Menschheit und haben es zuvörderst wir Deutsche verstanden, in einer misslichen Situation eine Lösung zu finden. Und sagen nicht alle Statistiken, dass wieder mehr Kinder bei uns geboren werden? Eben. Vielleicht gelingt es ja auch nach der Bundestagswahl parteiübergreifend den Überbietungswettbewerb der Sozialpolitiker zu stoppen und die notwendige Rente mit 69 durchzusetzen? Gegen diesen Rationalismus setzte ich die Poesie Dante Alighieris: „Drei Dinge sind uns vom Paradies übrig geblieben: Die Sterne, die Blumen und die Kinder.“

Ihre Sabrina

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