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(GZ-3-2021)
Neues von Sabrina
 

Gibt es ein Grundrecht auf Datenschutz?

Gestern hat mein Chef gesagt...

Kommunikation per Fax in Verwaltungsgerichten und die händisch geführten Listen in den Gesundheitsämtern: Der sakrosankte Datenschutz bringt den Bürgermeister auf die Palme.

„Ich habe mal im Grundgesetz geblättert. Wir schränken zur Zeit so ziemlich jedes Grundrecht ein, das darin verbrieft ist. Alles gut, solange man einen Sinn dahinter entdecken kann. Aber ein Grundrecht, das gar nicht im Grundgesetz steht und von Verfassungsrichtern erst erfunden wurde, gilt auch jetzt als sakrosankt: Der Datenschutz.“ Mein Chef, der Bürgermeister, schäumte vor Wut, als er in einer überregionalen Tageszeitung einen Artikel über die angeblich stümperhafte deutsche Verwaltung las.

Exemplarisch herausgegriffen wurden drei Felder: Einmal der massenhafte Missbrauch von Sozialleistungen durch illegal einreisende Ausländer, die sich an mehreren Orten als Asylsuchende gemeldet und wegen mangelndem Datenaustausch mehrfach Stütze kassiert haben. Dann die Corona-App, die weit unter ihren Möglichkeiten bleibt. Schließlich die Probleme in einigen Ländern, die Impfkandidaten, die nicht in einem Heim wohnen, zu benachrichtigen.

Wenn man aber diese und andere Beispiele angeblichen staatlichen Versagens näher betrachtet, dann stellt man schnell fest, dass die Ursache fast immer in der übertriebenen Bedeutung liegt, die wir in Deutschland dem beimessen, was die Karlsruher Richter einmal im Volkszählungsurteil als „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ definiert haben und das im Laufe der Zeit zu einem europaweit gehüteten Supergrundrecht wurde, zu dessen Schild und Schirm der Datenschutz immer mehr ausgebaut wird. So sind verschiedene Datenabgleiche gar nicht oder jedenfalls elektronisch nicht möglich, auch wenn sie noch so sinnvoll wären. Nicht nur um den Missbrauch von Sozialleistungen zu verhindern.

Was amüsieren sich kritische Journalisten darüber, dass in den Gesundheitsämtern noch händische Listen geführt und Daten noch per Fax übermittelt werden. Schon mal überlegt, welche immensen technischen Anforderungen der Datenschutz an die elektronische Kommunikation mit persönlichen Daten stellt? Jedenfalls rattern etwa in Verwaltungsgerichten immer noch Faxgeräte, weil einige Kommunikation, etwa bei Konkurrentenstreitfällen, nicht per E-Mail stattfinden kann – Stichwort personenbezogene Daten, die nicht elektronisch, sondern nur auf Thermopapier übermittelt werden dürfen.

Dann all die Fragen, wa-rum die taiwanesische Corona-App besser funktioniert oder warum Israel schneller impft als wir. Die App in Taiwan meldet genau, wo und wann eine Risikobegegnung stattgefunden hat – was bei uns aus Datenschutzgründen nicht geht. Israel liefert den Impfstoffherstellen Gesundheitsdaten der Geimpften – was in Europa zu Massenrücktritten der Gesundheitsminister führen würde.

Dabei geben wir im Alltag ganz freiwillig unsere intimsten Daten preis, etwa wenn wir eine Rabattaktion nutzen oder im Internet einkaufen. Wir nutzen hemmungslos soziale Medien über die wir unseren Kommunikationspartnern bedenkenlos auch das Allerpersönlichste anvertrauen. Ein Messengerdienst, der einem großen amerikanischen Konzern gehört, kommt wegen Datenschutz in Verruf? Dann wechseln wir halt zu einem anderen Dienst nach amerikanischem oder gar russischem Recht. Für den deutschen und absolut datensicheren Dienst, der auf meinem Handy ist, habe ich bisher noch keinen einzigen Partner gefunden. Oder wer von Ihnen nutzt die datenschutzkonforme französische Internetsuchmaschine, von der derzeit so oft zu lesen ist? Jeder geht zu der mit den bunten Buchstaben, die alles über uns weiß.

Mein Chef, der Bürgermeister, neigt nicht zu Extremen und hat auch nicht die Mentalität einer Abrissbirne. Also ist sein Motto: Datenschutz ja, aber es muss wie jedes Recht auch gegen andere Rechtsgüter abgewogen werden. Niemand will, dass die öffentliche Verwaltung mehr über eine Person weiß, als sie muss. Aber wenn Wissen Schaden abwenden kann, sollte der Datenschutz in der Begründungspflicht stehen, warum die Verwaltung dieses Wissen nicht haben soll. Sagen wir es mit Jean Paul Sartre: „Ein großer Teil der Sorgen besteht aus unbegründeter Furcht“.

Ihre Sabrina

 

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