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(GZ-5-2020)
Neues von Sabrina
 

Das ewig alte Lied vom Zentralismus

Gestern hat mein Chef gesagt...

Föderaler Wettbewerb ist das Zauberwort für den Bürgermeister. Er hält nichts davon, wenn die Ewig-Gestrigen erneut das Lied vom Zentralismus zur Lösung aller Probleme anstimmen wollen. Zentrale Planung reloaded – wie in DDR-Tagen – ist ihm ein Greuel.

„Oh du meine Güte. Jetzt spielen sie uns wieder das Lied vom Zentralismus als Lösung aller Probleme vor. Als wenn beim Bund mehr Lösungskompetenz läge als bei den Kommunen oder den Ländern.“ Mein Chef, der Bürgermeister, schüttelte über zwei Meldungen der vergangenen Tage heftig den Kopf.

Die erste war die Forderung von zwei Ökonomen, der Bund solle die Kommunen beim Wohnungsbau nicht nur mit Fördergeldern und der Bereitstellung von erschwinglichem Bauland unterstützen, sondern durch eine eigens zu schaffende Behörde auch noch die Planungsaufgaben und die Durchführung von Bauprojekten selber in die Hand nehmen.

Begründung: Die Kommunen wären durch fehlende Experten und Inkompetenz reihenweise überfordert. Eine Art gigantische Planungs- und Vollzugsbehörde also. Vielleicht finden sich ja in dem einen oder anderen Behördenplattenbau aus DDR-Tagen noch entsprechend nutzbare Räumlichkeiten – sozusagen zentrale Planung reloaded.

Forderung zwei: Wenn es um Fälle akuter Gesundheitsbedrohungen ginge, wie derzeit beim Corona-Virus, müsste der Bund das Heft des Handelns in die Hand nehmen (am besten die Kanzlerin selbst) und die wichtigen Entscheidungen wie zum Beispiel die Absage von Großveranstaltungen, die Empfehlung für freiwilligen Hausarrest oder für die Schließung von Schulen und Kindergärten sollten nicht mehr die – natürlich auch hier inkompetenten – Gesundheitsämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten treffen dürfen. Wem leuchtet unmittelbar ein, dass ein verbeamteter Arzt in Berlin sehr viel besser beurteilen kann, ob eine Schule in Waldkirchen geschlossen werden sollte, als das Gesundheitsamt im benachbarten Freyung?

Ich kann mir diese Forderungen nur metaphysisch erklären, so als Glaube an höhere Mächte, die über den Niederungen schweben und alles ordnen, was die zersplitterten Geister in den divergierenden Verwaltungseinheiten so verbocken.

Dabei hat Deutschland doch seine föderale Struktur und die herausgehobene Stellung und Entscheidungskompetenz seiner Kommunen erst stark und erfolgreich gemacht. Bei uns muss niemand erst in Paris oder London anfragen, ob das Schulhaus gestrichen werden darf – man macht es einfach, wenn das Geld da ist und der Gemeinderat zustimmt.

A propos Schule: Das ist ja auch so ein Dauerbrenner, dass für die Bildung nicht mehr die Länder, sondern der Bund zuständig sein soll. Stichwort: Gleiche Chancen und Bedingungen von Hallig Hooge bis Oberstaufen. Gut, jetzt liegen die Leistungen der Schüler von Land zu Land sehr unterschiedlich. Ein Bremer oder Berliner Gymnasiast ist von der Leistung seines bayerischen Kollegen zwischen einem und eineinhalb Schuljahre entfernt – Bremen und Berlin sind die Schlusslichter der innerdeutschen Leistungsvergleiche. Hände hoch wer meint, ein bundeseinheitliches System würde oder könnte sich an Bayern orientieren? Klar, die bayerischen Schulen würden verberlinern oder verbremern, nichts anderes wäre die Folge.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist ein großer Anhänger des Subsidiaritätsprinzips: Dinge da planen, entscheiden und dann auch umsetzen, wo die Auswirkungen unmittelbar zu spüren sind. Zentral auf Bundesebene ist in vielen großen Fragen sinnvoll, aber nicht bei Wohnungsbau oder Bildung. Interessant auch, dass dem Berliner Zentralismus manchmal von den gleichen Leuten das Wort geredet wird, die am liebsten Europa auch dort Zuständigkeiten nehmen würden, wo es sich als sinnvoll erwiesen hat. Sehnsucht nach der Pickelhaube?

Nein, wir brauchen mehr Zuständigkeiten der Länder und Gemeinden und vor allem mehr Wettbewerb untereinander. Die Grundsteuer kann den Anfang machen. Wir brauchen aber auch noch eine regional differenzierte Erbschaftsteuer und Zu- und Abschläge bei der Einkommensteuer. Föderaler Wettbewerb ist das Zauberwort, nicht Zentralisierung. Als Erklärung für die Anziehungskraft des Zentralismus fällt mir nur Voltaire ein: „Je öfter eine Dummheit begangen wird, desto mehr bekommt sie den Anschein der Klugheit“.

Ihre Sabrina

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