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(GZ-1/2-2020)
Neues von Sabrina
 

Wechselspiel zwischen Wunsch und Zwang

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Am Wochenende haben wir den Schmuck vom Christbaum entfernt und das Bäumchen schwungvoll in den Garten geworfen. Jetzt kann das neue Jahr endgültig beginnen.“

Mein Chef, der Bürgermeister, betrat das Büro gut gelaunt und voller Drang nach Veränderung. Wobei, geht es Ihnen auch so? Man hat allerorten das Gefühl, es wäre Zeit für Veränderungen, aber gleichzeitig wagt sich keiner daran. Man würde sich freuen, wenn man sich vom alten Trott verabschieden könnte, und scheut gleichzeitig das Unbekannte, das nach einer Veränderung auf einen zukommt.

Die größten Veränderungen werden uns Menschen eh von außen aufgezwungen. Denken wir nur an die 157 Menschen, die in dem von Iran abgeschossenen Flugzeug starben. Für deren Angehörige bedeutet der Verlust der Eltern, Partner, Geschwister oder Kinder einen kaum beschreibbaren Einschnitt in ihr bisheriges Leben. Eine momentane Fehleinschätzung eines einzelnen Soldaten löst einen Tsunami von Veränderungen aus, die tief in das Schicksal einer Vielzahl von Menschen eingreifen. Ähnliches gilt für schwere Unfälle oder Verbrechen, die Menschen physisch oder psychisch schädigen. Eine einmal gesetzte Ursache löst eine ganze Kettenreaktion aus – und die Welt ist nicht mehr so wie sie war.

Vielleicht ist es diese Urerfahrung, dass Veränderungen oft schicksalhaft sind, die uns ihnen gegenüber so skeptisch sein lassen. Auch, wenn wir die Veränderung selbst steuern kön-nen, weil wir sie in Gang setzen. Wie oft wehren sich Leute vehement, wenn sie eine neue Aufgabe im Betrieb oder der Verwaltung übernehmen, ein neues Büro beziehen oder in eine andere Betriebsstätte wechseln sollen. In der Regel spielt sich das in einem Drei-Stufen-Modell ab:

1. Stufe: Instinktive Abwehr. 2. Stufe: Suche nach Gründen dagegen. 3. Stufe: Zähneknirschendes Abfinden mit der neuen Situation. In neun von zehn Fällen kommt danach aber erfreulicherweise auch eine 4. Stufe, nämlich das klammheimliche Eingestehen, dass die Veränderung gar nicht so schlecht war.

So kann man nur für unsere europäischen Freunde in Frankreich hoffen, dass sie eines Tages das Positive in den Veränderungen sehen werden, die ihnen Reformen wie die jetzt diskutierte zukunftsfestere Rente bringen. Denn auch das ist paradox: Das Volk, das mit seiner großen Revolution Europa verändert hat wie kein zweites, tut sich seit Jahrzehnten mit jeder Veränderung am schwersten. Viel schwerer jedenfalls als wir Deutschen, die wir uns zwar mental mit Veränderungen auch schwer tun, aber Reformen wie die des Arbeitsmarktes der 2000er-Jahre zumindest im Nachhinein als Chance begreifen – wenigstens neun von zehn bei uns.

Auch in der Kommunalpolitik wird es 2020 mit den Wahlen viele Veränderungen geben. Etliche Amtsinhaber hören auf, nicht wenige werden an Konkurrenten scheitern. Platzhirsche werden von neuen Kräften verdrängt und so manches überholte oder gescheiterte Konzept wird von anderen Visionen zur Zukunft der Stadt, der Gemeinde oder des Landkreises abgelöst werden.

Mein Chef, der Bürgermeister, sitzt bisher fest im Sattel und stellt sich zuversichtlich, aber nicht übermütig, mit klarem Programm, aber offen für andere Ideen, dem Wählervotum. Dennoch wird es auch bei uns in der Stadt Veränderungen geben, die aus der Veränderung der Welt resultieren. Klima- und Umweltschutz werden in den nächsten sechs Jahren eine größere Rolle spielen als bisher. Bei Mobilitätsfragen werden wir vielleicht nicht um-, aber weiter denken müssen. Um bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können, werden wir alle etwas zusammenrücken müssen. Gespannt darf man sein, welche Bewährungsproben wir noch zu bestehen haben werden:

Wirtschaftsabschwung? Arbeitslosigkeit? Neue Migrationsströme? Was auch immer kommen mag, Optimismus ist angesagt in unserer Welt. Deshalb gebe ich dem Chef auch einen Satz von Christian Rätsch mit ins neue Jahr: „Du kannst die Welle der Veränderung nicht aufhalten, aber du kannst lernen, sie zu surfen.“

Ihre Sabrina

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