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(GZ-19-2019)
Neues von Sabrina
 

Berliner Regelungsrausch

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Who pays peanuts, gets monkeys“, meint die Vorzimmerperle und resümiert den Berliner Regelungsrausch, mit dem jetzt im Schweinsgalopp dem Fachkräftemangel bei Pflege, in Kindertageseinrichtungen und den Gesundheitsberufen begegnet werden soll.

„Scheinbar haben jetzt alle Verantwortlichen ihre Hallo-Wach-Pillen brav geschluckt und gehen das Problem des Fachkräftemangels bei Pflege, in den Kindertageseinrichtungen und den Gesundheitsberufen endlich an.“ Mein Chef, der Bürgermeister, hatte heute ein längeres Gespräch mit der Leitung unseres Krankenhauses.

Danach stellt sich die Situation so dar: Nachdem die Regierung in Berlin seit vielen Jahren quasi narkotisch abwartend bei der Neuregelung der meist schulischen Ausbildungen verschiedener Berufe im Bereich Pflege und Gesundheit agierte, ist sie nun in einen wahren Regelungsrausch verfallen:

Neuordnung der Pflegeausbildung, der Ausbildung zur Hebamme (wobei gleich der schöne Begriff des Entbindungspflegers wegrationalisiert wurde), für Physiotherapie, für operations- und anästhesietechnische sowie für pharmazeutisch-technische Assistenz. Keine Garantie für Vollständigkeit, während der Drucklegung des Textes können neue Referentenentwürfe auf den Markt kommen!

Die große Überschrift über allem:

Schnell muss es gehen. Dabei weiß man doch eigentlich, dass Schnelligkeit der größte Feind der Gründlichkeit ist, die doch bei Ausbildungen für solch zentrale gesellschaftliche Berufe im Vordergrund stehen sollte. Beispiel Pflegeberufe: Da wird eine völlig neue Ausbildung erfunden, die die bisherigen Ausbildungen in der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege in ein neues Berufsbild gießt.

Eigentlich logisch, dass ein solcher Paradigmenwechsel erst mal Zeit zur Implementierung braucht. Schließlich soll die neue Pflegefachkraft vom krebskranken Einjährigen bis zur 95jährigen mit Demenz alle unterstützungsbedürftigen Menschen gleich kompetent pflegen können.

Tatsächlich aber wurde die Pflegeberufeausbildungsverordnung des Bundes erst im Oktober 2018 veröffentlicht. Sodann mussten sich die Länder im ambitionierten Schweinsgalopp aufmachen, die Landeslehrpläne zu basteln. Ich verstehe nichts von Lehrplänen, aber ich weiß, wie lange manchmal beispielsweise Planfeststellungen für etwas anspruchsvollere Projekte dauern. Wenn also Bayern seinen Lehrplan im November fertig haben sollte: Chapeau!

Trotzdem kriegt das Kultusministerium jetzt Klassendresche, weil die Zeit zu kurz ist, um auf dieser Grundlage im April mit der neuen Ausbildung zu beginnen. Falsch, sagt die Direktion unseres Krankenhauses. Das Problem seien nicht die Lehrpläne oder sonstige schulische Vorgaben. Das Problem sei, dass die künftigen Pfleger in der Praxis sowohl im Krankenhaus, im Altersheim, als auch in Pflegeeinrichtungen für Kinder ausgebildet werden müssen. Da zum Beispiel ein kleines städtisches Krankenhaus wie unseres nicht alles unter einem Dach hat, müssen Kooperationen gesucht werden und das ist wegen mangelnder Vorbereitungszeit einfach schwierig.

Aber statt durch die heiße Nadel bei der Pflege gewarnt zu sein, hat man jetzt die Hebammenausbildung von der Schule an die Hochschule gegeben, im Beamtendeutsch vollakademisiert. Aus einem soliden Lehrberuf wird jetzt ein Beruf mit Bachelorsternchen, weit weg von den wirklichen akademischen, nämlich medizinischen Weihen, und ohne Antwort auf die drei Grundfragen: Gehalt, Arbeitszeit, Haftung.

Das gilt dann für alle sozialen oder sozialpflegerischen Berufe: Wie hält die Gesellschaft es mit der Bezahlung und mit den Arbeitsbedingungen? Denn allein mit dem Drehen an der Ausbildung wird man junge Leute nicht zu einer Berufswahl bewegen können, die sich am Ende an der Kasse nicht auszahlt.

Mein Chef, der Bürgermeister, weiß um den Fachkräftemangel in den Kindergärten, im Krankenhaus, in den Behinderteneinrichtungen. Angehende Erzieher, Pfleger und Schüler in Gesundheitsberufen zahlen in Bayern kein Schulgeld mehr. Gut so. Aber der Kampf um die wenigen jungen Menschen, die im ausbildungsfähigen Alter sind, wird anhand der langfristigen Berufsperspektiven entschieden.

Zitat an der Wand der Personalabteilung: „Who pays peanuts, gets monkeys“.

Ihre Sabrina

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