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(GZ-23-2017)
Neues von Sabrina
 

Gezerre um die Regierungsbildung

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Das ist doch wohl nicht zu glauben: Die Bundestagswahl ist bald zweieinhalb Monate her und keiner will uns regieren. Sind wir als Volk so zickig? Haben wir als Land so wenige Probleme? Ist die Nation nicht wichtiger, als das dumme Geschwätz von gestern?“ Mein Chef, der Bürgermeister, ist entnervt vom Geziere und Gezerre um die Regierungsbildung.

Ich denke, so müssen sich Waisenkinder früher an den Tagen gefühlt haben, als potentielle Adoptiveltern kamen, um sich eines auszusuchen. Man macht sich fein, zeigt wirtschaftliche Muskeln, die sich sehen lassen können, übt sich in sozialer Ausgewogenheit und Balance, zahlt Steuern, dass die Schwarte kracht und die Staatskassen geradezu geflutet werden, steigt nach einer neuesten internationalen Studie zum weltweit beliebtesten Land auf. Dann betrachten uns die Aspiranten und es stellt sich raus: Keiner mag uns.

Halt, das ist nicht so ganz richtig. Ein erfahrenes Geschwisterpaar, die Angela und der Horst, die wollen uns regieren und haben auch schon bewiesen, dass sie es können. Auch die Karin und der Cem möchten sich mal am Regieren versuchen, damit die Luft und das Klima besser werden. Aber dann wird’s finster. Einen älteren Herrn mit Dackelkrawatte und eine leicht zu empörende, streng dreinblickende Frau wollen wir nicht in der Regierung, ebenso wenig wie die Konkursverwalter der dritten Internationale.

Wen wir uns sehr gut vorstellen könnten, wäre ein junger, agiler Mann mit einer Reihe frischer Ideen, der unserem an der ein oder anderen Stelle doch sehr dröge, kommod und strukturbewahrend gewordenen Land vielleicht den ein oder anderen heilsamen und erfrischenden Tritt geben könnte. Aber der kommt vor lauter Hedonismus und Verantwortungsscheu nicht in die Puschen, weil er Kompromisse nicht als Teil des politischen Spiels, sondern als apokalyptische Reiter gegen seine Partei sieht. Schade. Zur Not würden wir uns auch von einem mürrischen Zauselbart regieren lassen, der seine Botschaften in einem unverwechselbaren ripuarischen Singsang unters Volk bringt. Leider sind er und seine Partei durch gehabte Dreierbeziehungen so verstört und traumatisiert, dass sich sein Wortschatz lange auf die Begriffe „Opposition“ und „nie wieder GroKo“ verengt hat. Nur langsam gelingt es unserem Bundespräsidenten ihm zu vermitteln, dass eine Dreierkoalition, deren Partner es mit Mühe auf über 50 Prozent der Stimmen bringen, nichts mehr mit „groß“ zu tun hat.

Wie dem auch sei: Als Deutsche bin ich der Meinung, ich habe ein Recht darauf, regiert zu werden. Ich will Entscheidungen in der Frage digitaler Infrastruktur, damit Deutschland kein Schwellenland wird. Ich will eine handlungsfähige Regierung, die in Europa und der Welt ernst genommen wird, denn da draußen warten herausragende Probleme, von Brexit über Migration bis Nordkorea. Ich will eine Regierung, die den wirtschaftlichen Großangriff durch die amerikanische Steuerreform begreift und dafür sorgt, dass unsere Volkswirtschaft auch noch in fünf oder zehn Jahren wettbewerbsfähig ist. Und ich will sie, solange noch Schnee liegt und nichts erst an Ostern.

Deutschland ist im Übrigen viel zu groß, zu komplex und hat viel zu viel Verantwortung in der Welt, als dass es durch eine Minderheitsregierung geführt werden könnte. Das mag in kleineren Ländern funktionieren, aber man stelle sich mal vor, die Kanzlerin sitzt im Rahmen von G 7 oder G 20 und überlegt, mit welcher Oppositionspartei sie wohl ein soeben verabredetes, global wichtiges Programm umsetzen könnte. Absurd.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist auch der Meinung, dass man in der Politik nicht immer nur fragen kann: Was will ich? Politiker werden in einer repräsentativen Demokratie gewählt, um zu fragen „Was ist zu tun?“ und über diese Frage zum „Was muss ich tun?“ zu kommen. Das nennt man Verantwortung. Ich twittere ihm mal einen Klassiker der ironischen Auseinandersetzung mit Unstimmigkeiten zwischen Regierten und Regierenden. Er stammt von Berthold Brecht: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“.

Ihre Sabrina

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